121 Sekunden - Rede zum Internationalen Tag der Derwische

Karamat.eu - In einer Reihe unterschiedlichster Aktionen haben am Sonntag, 21.02.2021, weltweit Menschen der Opfer von Verfolgungen durch das Regime in Iran gedacht. Mit dieser Rede eröffnete Helmut N. Gabel, Pressesprecher von Karamat e.V., eine Gedenkveranstaltung, die in Belgien, den Niederlanden, Österreich, Italien und in verschiedenen Städten Deutschlands online begleitet wurde.

Der Redner mit Dr. Nour Ali Tabandeh, Mohammad Salas, Vahid Banani, Mohammad Radschi und Behnam Mahdschoubi, die auf unterschiedliche Weise von Henkern des Regimes getötet wurden.

Karamat.eu - In einer Reihe unterschiedlichster Aktionen haben am Sonntag, 21.02.2021, weltweit Menschen der Opfer von Verfolgungen durch das Regime in Iran gedacht. Mit dieser Rede eröffnete Helmut N. Gabel, Pressesprecher von Karamat e.V., eine Gedenkveranstaltung, die in Belgien, den Niederlanden, Österreich, Italien und in verschiedenen Städten Deutschlands online begleitet wurde. An die Rede schloss sich die Rezitation eines Gedichtes von Sa'adi an, dessen Text man über dem Eingang zum Hauptgebäude des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen in New York lesen kann. Es handelt vom Wesen des Menschseins und beschreibt die Menschheit treffend als zusammengehörig und dadurch aus innerem Antrieb dazu gedrängt, anderen Menschen in Not zu helfen.

Der Internationale Tag der Derwische 2021

Wir gedenken heute jenes Tages, an dem im Jahr 2009 Menschen aus ganz Iran nach Teheran fuhren und sternförmig auf das Parlament zugingen, um sich im Protest gegen Unterdrückung, Diskriminierung, Zerstörung von Hab und Gut und willkürliche Verhaftungen zu vereinen. Es waren Derwische des Nematollah Gonabadi Ordens und es war eine unvorstellbar mutige Aktion. Jahre vorher hatte das Regime hinter der religiösen Maske durch wilde, brutale und mörderische Attacken auf Kritiker, Protestierende und Oppositionelle eine Atmosphäre großer Angst in der Gesellschaft erzeugt.

Es sind also 12 Jahre vergangen. Die Menschen im Iran haben vieles versucht, um der Welt das wahre Gesicht des Regimes zu zeigen. Irgendwie scheint man zwar in den Politikstuben des Westens zu erkennen, dass dieses Regime den Weg des Chaos und Blutvergießens, der Zerstörung und der Ignoranz gegenüber individuellen Rechten von Menschen geht. Doch unser Paradigma in der EU, das Regime auf jeden Fall zu erhalten, scheint mit so großer Überzeugung der allermeisten Staaten durchgehalten zu werden, dass die Menschen im Iran verzweifeln, weil sich nichts bessert. Sie entscheiden sich immer häufiger zur Flucht oder gehen in den Rückzug aus dem öffentlichen Leben. Viele, die flüchten, kommen ohne Hab und Gut, nur um oftmals festzustellen, dass sie hier in Europa weder wirklich willkommen, noch sicher vor den Häschern des Regimes sind. Das tut weh und entbehrt der Würde.

Würde

Heute ist ein Tag, um sich an ein Leben in Würde zu erinnern. Würde ist im deutschen Grundgesetz als oberstes Gut festgeschrieben.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Karamat hat weitreichende Bedeutungen, aber eine Bedeutung weist auf das hin, was wir unter Würde verstehen. Diese unantastbare Würde, ist sie klar definierbar, ist sie voraussetzungslos? Inwiefern hängt sie mit Menschenrechten zusammen?
Das könnte man mit vielen Worten ausführen, aber am Ende bleibt die Erkenntnis, dass staatliche Akteure eine Verpflichtung eingegangen sind, diese Würde mit ihren Entscheidungen zu schützen. Doch es klafft eine enorme Lücke in der Lebenswelt der Menschheit, wenn starke Eigeninteressen deutlichen Vorrang in Politik und Wirtschaft bekommen.

Am Ende könnten sowohl Bürger als auch staatliche Akteure feststellen, dass es politische Entscheidungen gibt, die dazu führen, dass die Würde einiger geschützt, während die Würde anderer mit der gleichen Entscheidung vernachlässigt oder gar verletzt wird. Dass bedeutet, man wird einen Jahrzehnte dauernden Prozess in Kauf nehmen müssen, um Würde etwas breitflächiger zur Geltung kommen zu lassen. Etwas mehr Ehrlichkeit von Seiten staatlicher Akteure in diesem Unterfangen wäre aber würdiger.

Leider spricht kein Verantwortlicher aus, dass ihr oder ihm seine Würde näher ist als die Würde anderer. Das ist selbstredend eine große Heuchelei, die man nur nachvollziehen kann, wenn man derart handelt, um nicht angreifbar zu sein. Es gibt in der Komplexität unserer aller Leben und den vielfältigen Verflechtungen mit unseren Gesellschaften weltweit sehr viele Paradoxien und Gleichzeitigkeiten. Dafür kann man intellektuell Verständnis aufbringen, doch das Herz kann dazu nicht schweigen!

Erinnern

Eine Aufgabe von Bürgerinnen und Bürgern der freien Welt besteht darin, stetig und unaufhörlich Verantwortliche daran zu erinnern, den Prozess und die Anstrengungen sich für dieses hohe Ideal der unantastbaren Würde nachhaltig und deutlich und transparent einzusetzen und nicht nachzulassen. Denn wenn Verantwortliche eines Staates selbst den Schutz der Würde zu Gunsten ihrer Machtsicherung aufgeben, müssen Bürgerinnen und Bürger alles dafür tun, sich zur Sicherung ihrer Würde und derer, die ihre Stimme nur leise und im Verborgenen erheben, zu verbinden und geeignete Maßnahmen finden, um substanzielle Veränderungen zu bewirken!

Warum war es im Iran vor 12 Jahren für die Derwische möglich, sich angesichts grausamster Strafen und einer in Angst geketteten Gesellschaft auf die Straße zu trauen? – Sie haben an der Erkraftung ihrer Herzen gearbeitet. Sie haben ihr Herz zu einem Feuerofen geformt. Wie? Durch konzentrierte Arbeit an ihrem Herzen. Mit Hilfe substanzieller Rhythmen. Das greifen wir gerne auf. -

Helmut N. Gabel, Februar 2021 ©

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