Vier Wörter, eine Bedeutung - ein länderübergreifender Poesie Abend

Karamat.eu – Kultur lässt die Herzen höherschlagen, befreit aus den Einseitigkeiten nüchterner Sachlichkeit und reiner Verstandestätigkeit. Auch in Zeiten der Kulturverbote finden sich Wege, Kultur leben zu lassen. Eine länderübergreifende Veranstaltung hat im Oktober Menschen zusammengebracht, die jenseits ihrer Heimat der Kultur Raum geben wollten. Gedichte und Geschichten des kosmopolitische gesinnten Dichters Dschelaledin Maulana Rumi, wurden auf Persisch und Deutsch gelesen. Die Online Veranstaltung führte Sprecher aus Aserbaidschan, Iran und Deutschland zusammen.

Karamat.eu – Rumi hat im 13. Jahrhundert gelebt. Er wurde in Balkh, heute Afghanistan geboren und ist in Konya, heute Türkei, verstorben. Sein Werk ist auch in westlichen Regionen durch zahlreiche Interpretationen und Übersetzungen bekannt geworden.

Michael Haußig und Asya Asbaghi, Organisatoren des Abends sagten dazu in der Einleitung des Abends:

„In der iranischen Literatur weisen Dichter wiederholt darauf hin, dass alle Menschen unabhängig von ihren äußeren Merkmalen, wie Hautfarbe, Geschlecht oder Glauben und religiöser Zugehörigkeit, als gleichwertig gelten.

So sagt z.B. Saadi aus Schiraz:

Die Kinder Adams sind aus einem Stoff gemacht,
als Glieder eines Leibs von Gott, dem Herrn, erdacht.

Sobald ein Leid geschieht nur einem dieser Glieder,
dann klingt sein Schmerz sogleich in ihnen allen wider.

Ein Mensch, den nicht die Not der Menschenbrüder rührt,
verdient nicht, dass er noch des Menschen Namen führt.

Sein Landsmann Hafiz dichtet über religiöse Streitigkeiten das folgende:

Gehst du dem Grund des Krieges unter allen Nationen und Religionen nach

Siehst du nur Ignoranz und Sehnsucht nach Macht und Schmach

Und zuletzt Maulana, der im Westen als Rumi bekannt ist, weil er als Kind mit seiner ganzen Familie vor den Mongolen nach Anatolien floh und im Herrschaftsgebiet der Rum-Seldschuken Zuflucht fand. Zunächst war er ein orthodoxer religiöser Gelehrter, wurde später aber durch seinen Pir (geistigen Lehrer) wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Viele seiner Geschichten zeugen in einfachen Wörtern von dem oben erwähnten Geist, wie z.B. die Erzählung „Vier Wörter und eine Bedeutung“.

Ein arabischer, ein iranischer, ein türkischer und ein griechischer Bettler saßen an einer Straßenecke und bettelten. Ein Gelehrter kam vorbei und warf eine Drachme in die Schüssel, die vor ihnen lag. Der erste Bettler, der ein Araber war, nahm das Geld an sich und sagte mit Freude zu den anderen: „wir werden mit dem Geld ‘anab kaufen, die nicht nur gut schmecken, sondern auch nahrhaft sind“.

Der zweite Mann, der ein Perser war widersprach dem Ersten und sagte, dass er keine ‛anab sondern unbedingt angūr haben mochte.

Der dritte Bettler attackierte zornerfüllt die beiden anderen und sagte: „ich werde mit meinem Anteil ūzūm kaufen“.

Der vierte Bettler, der ein Byzantiner war, entriss dem Araber zornig das Geld und sagte: „estāfīlūs ist nicht nur besser, sondern auch nahrhafter“.

Der Gelehrte, der die Auseinandersetzung von Weitem beobachtet hatte, kehrte zu ihnen zurück, bat sie um Rückgabe des gespendeten Geldes und versprach ihnen mit dem Geld etwas zu kaufen, was allen gefiele.

Sie akzeptierten und gaben ihm das Geld zurück. Der Gelehrte nahm das Geld, kaufte damit Weintrauben und setzte sie ihnen vor. Alle freuten sich, denn jeder hatte das vorher von ihm Gewünschte bekommen. Und so be­dankten sie sich beim Gelehrten hocherfreut!  ---

Rumi will hier zum Ausdruck bringen, dass wir häufig gleiche Wünsche und Sehnsüchte haben, aber aus Ignoranz oder aufgrund des fehlenden Lichtes, wie in der Geschichte von dem Elefanten in der Stadt der Blinden, wir uns nicht verstehen können oder wollen.

Die Geschichte „Vier Wörter, eine Bedeutung“ umfasst das Motto des Abends: Einheit in der Vielfalt. Sie bringt zum Ausdruck, dass wir uns oft deswegen einander nicht verstehen, weil wir verschiedene Wörter gebrauchen und die Dinge auf verschiedene Weise zum Ausdruck bringen.

Die Verschiedenheit des Ausdrucks führt häufig auch dazu, dass viele das Gleiche wollen, aber den anderen nicht verstehen oder aus Habgier nicht verstehen können oder wollen. Hierin liegt die Ursache für zahlreiche Meinungsverschiedenheiten, Konflikte oder Kriege, die mit immer tödlicher werdenden Waffen geführt werden und immer mehr Menschen in Tod, Flucht und Obdachlosigkeit treiben.

Heute Abend sitzen wir zusammen und beim Genuss der süßen Trauben hören wir zehn unterschiedliche Geschichten, die meine Kollegen in Persisch und Herr Lark in deutscher Übersetzung lesen. Damit wollen wir sagen, dass die Erde uns allen gehört und wir nicht zulassen, dass einige sie als ihr Privateigentum ansehen, wie einen Ball hin- und herwerfen und mehr Verwüstungen und Tote verursachen.“

 

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