Religionen und Gewalt – Überlegungen aus Anlass der »Islam-Diskussion«

karamat.eu - Dieses Essay untersucht aus unterschiedlichen Perspektiven aktuelle Konflikte um Religionen und Säkularismus in Europa. Ein Appell des Autors: "Wir alle sind aufgerufen, zu Verständigung, Versöhnung und gegenseitiger Toleranz beizutragen. Dazu gehört es, ungeschminkte Zusammenhänge aus der Geschichte und unbequeme Wahrheiten der Gegenwart offen zu legen."

Lothar Nettelmann, Autor des Essays

karamat.eu - "Warum der Text? Als mehrere Jahrzehnte (von 1970 bis 2009) im Bildungsbereich Tätiger wurde der Verfasser seit den neunziger Jahren zunehmend mit Fragen konfrontiert, die über den westeuropäischen Kulturkreis hinausgehen. 

In der (ver)öffentlichten Meinung tauchten Berichte auf über Konflikte, die vorgeblich in religiösem Kontext standen und pauschal mit dem Islam in Verbindung gebracht worden sind.

Es kristallisierte sich zunehmend der Eindruck heraus, dass den jüngeren Menschen wesentliche Zusammenhänge aus den Bereichen Geschichte, Geographie, Wirtschaft und Kultur in unserer globalen politischen Gegenwartsgesellschaft nicht geläufig oder völlig unbekannt waren. Stattdessen  beobachtete man Halbwissen und Ignoranz, verbunden mit vielfältigen Vorurteilen und sehr problematischen Verhaltensweisen. 

Der als Essay verfasste Text basiert auf dem Wissen, Kenntnisstand und Meinungsspektrum des Verfassers. Er soll zur Kompensation vorhandener Defizite beitragen und zur Nachdenklichkeit auch – über das eigene Ich – anregen und dieses vielleicht auch in Frage stellen. Der Inhalt ist als Diskussionsgrundlage gedacht.

Ein tragender Gedanke ist die Erkenntnis, dass die Geschichte des Morgen- und Abendlandes bis in die Gegenwart miteinander verflochten ist.

Wünschenswert wären ergänzende kritische und erhellende Beiträge aus den Bereichen Theologie, Wissenschaft, Journalistik und Didaktik, also aus dem Erfahrungsschatz der im Bildungssystem wirkenden Menschen. Sinnvoll wären Berichte, die sich im  Einklang befinden mit der gesellschaftlichen und beruflichen Praxis.  

Wir alle sind aufgerufen, zu Verständigung, Versöhnung und gegenseitiger Toleranz beizutragen. Dazu gehört es, ungeschminkte Zusammenhänge aus der Geschichte und unbequeme Wahrheiten der Gegenwart offen zu legen.

Der Verfasser hat Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften studiert und an einem Hannoverschen Gymnasium die Fächer Chemie, Sozialkunde/Politik-Wirtschaft und Werte und Normen unterrichtet. Er hat auf fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Ebene publiziert und ehrenamtlich viele Jahrzehnte am Verständigungs- und Aussöhnungsprozess von Polen und Deutschen mitgewirkt."
Lothar Nettelmann, Gehrden im Dezember 2016

Religionen und Gewalt – Überlegungen aus Anlass der »Islam-Diskussion«1

» Cartago delenda est« (.. im Übrigen bin ich der Auffassung, dass man Karthago zerstören müsse), sagte der der alte Cato. Religionen darf man niemals zerstören. Sie sind wesentlicher Bestandteil der Kultur als Welterbe. Was aber denkende Menschen tun sollten und nach ihrem Gewissen tun dürfen, ist etwas »kaputt denken«, etwas »zerdenken«, nämlich manche tief sitzenden Lehren und liebgewonnenen Theorien. [nach Wallerstein]. 

Im Übrigen bin ich (L.N.) der Überzeugung, dass man die Reformation nicht allein den Theologen überlassen sollte. 

1. Vorbemerkungen 

Wenn man über das Thema Religion im weitesten Sinne spricht, dann lohnt es darüber nachzudenken, was es für die Findung des »Selbst« bedeuten kann. Es geht dabei immer um die Einbeziehung von Geschichte und Gegenwart im gegebenen Zusammenhang. Dadurch kann auch die Reflexion und Positionsbestimmung des eigenen »Ich« erfolgen. Der Verfasser selbst hat keinen Zugang zu religiösem bzw. geistlichem Denken, sondern fühlt sich den rationalen Wissenschaften verpflichtet. Er sieht aber durchaus im historischen Sinne das positive Wirken dieser Dimensionen für viele Menschen in ihren Traditionen. 

Der Verfasser steht in gewisser Distanz zur Theologie. Für ihn ist in den Gedankengebäuden der Schriften wesentlich die Frage nach dem »Warum«. Dieser Ansatz leitet alle möglichen Zugänge zu den Texten, zum »Geistlichen«, und wie es definiert, gedeutet, ausgelegt wird. Er dominiert alle anderen möglichen Ansätze. 

Symbolwelten interessieren ihn ob ihrer Funktion in der jeweiligen Gesellschaft, in der sie entstanden sind und in der sie reproduziert werden. Ein wichtiges Beispiel ist die mythologische Darstellung von »Kain und Abel«. Es handelt sich dabei um die Auseinandersetzung zwischen Kain, dem Bauern, und Abel, dem Hirten. Der Brudermord ist ein Symbol und Ausdruck für eine mythologische Darstellung in den Religionen für die jahrtausendealte Auseinandersetzung, einschließlich eines Kampfes um Leben und Tod. Dieser war die Bedingung für eine Überlebensmöglichkeit der Siegenden zwischen Nomaden, die ihr Vieh an die Ränder der Felder der Sesshaften und bei Futter- und Wassermangel auch darauf führten, und den Ackerbauern. 

Die Vieh züchtenden Nomaden sind aus den Tiere jagenden Stämmen hervorgegangen, als diese lernten, die bisher gejagten Tiere, wilde Schafe, Ziegen und Rinder zu domestizieren sowie Pferde und Hunde zur anderweitigen Nutzung zu halten. Die sesshaft gewordenen Bauern sind aus den Sammlern der späten Steinzeit hervorgegangen, als sie lernten die gesammelten Körner auszustreuen und die zunächst wilden Getreidearten – man findet sie bis heute in Anatolien – als Saatgut zu betrachten und im Folgeschritt weiterzuzüchten. Dieser Mythos ist der frühesten Menschheitsgeschichte zuzuordnen. 

Letzteres geschah im Ursprung in dem Raum, der historisch als Persien und Zweistromland bezeichnet wird, heute also Iran, Irak, Syrien, Libanon, Palästina und Israel. Es handelt sich um die Großregion, in der auch die monotheistischen Religionen entstanden sind mit all ihren Symbolen und Legenden. 

Ebenso steht der Verfasser jeglichen Ausprägungen und Varianten von Mystik fern. Die Funktion der Mystik des Mittelalters andererseits ob ihrer epochalen Bedeutung zu erforschen und zu hinterfragen, hat heute durchaus seinen Stellenwert. Es ist nach wie vor interessant und erhebend, sich mit Hildegard von Bingen und ihrer Mystik und Schöpfungsspiritualität im 12. Jahrhundert zu beschäftigen. 

Es handelte sich bei den Mystikerinnen um Gewissensentscheidung der einzelnen Frauen als Mitglieder des Beginen- Ordens. Sie lebten in Armut, hatten aber kein Gelübde abgelegt. Die feministische Theorie hat sich mit diesen Mystikerinnen der Umbruchphasen des 13. und 14. Jahrhunderts befasst. Sie stoßen weiterhin auf eine positive Resonanz. Bekannt wurden sie auch durch ihre Poesie. Der römischen Kirche war diese Bewegung verhasst, da sie auch deren Macht in Frage stellte. Die Frauen wurden verfolgt. Eine von ihnen, Marguerite Porète hatte ein Buch verfasst: »Der Spiegel der einfachen Seelen«. Sie wurde auf dem Scheiterhaufen ermordet. Ihr Buch wurde verbrannt, konnte aber trotzdem mehrfach in Kopie verbreitet werden. 

Interessant ist andererseits auch, sich mit der die Mystik des Mevlana-Ordens [Konya/TR] zu beschäftigen. Die Mystik ist differenziert zu betrachten. Überlegungen dazu können jetzt nicht einbezogen werden. Dieses mag auf anderen Ebenen diskutiert werden. 

Erbaulich sind manche Psalmen im Gesang oder über den geschriebenen Text. Die mentale Tiefe kann angenehme und unangenehme zumeist aber tiefgehende Gedanken hervorrufen und Gefühle wecken. 

Die schöne alte Sprache der Luther-Bibel wird heute noch geschätzt. Der Begriff der Nächstenliebe ist von Martin Luther in die deutsche Sprache eingeführt worden. Er wurde bald zu einem zentralen Inhalt des Christentums in Deutschland und ist angesichts der in der Gegenwart von Menschen begangenen Gewalttaten sehr bedenkenswert. Ob heutige Sprachregelungen in den diversen Neuübersetzungen aussagekräftiger sind, hat für den nicht theologisch ausgebildeten und in entsprechender Gedankenführung geübten Normalbürger nur einen geringen Stellenwert. Wer hat schon Zeit und Muße für vergleichendes Lesen?

Bezüglich der Akzeptanz von Gottesglauben in unserer Gesellschaft sind aktuelle negative Stereotypen erkennbar. Unwürdig und nicht hinnehmbar sind Formulierungen wie »Das Leben ohne göttlichen Beistand ist schlecht auszuhalten. Kinder missbrauchende Priester, Hass predigende Imame, reaktionäre Popen: Wer im Angesicht solchen Elends sein Heil nicht im Beten sucht ist verloren. ... Wer aber spricht für all diejenigen, die es noch immer für Privatsache halten, ob man das mystische Weltbild diverser alter Hirtenvölker für Privatsache teilt?« [Der Spiegel 42/2016, S. 10]. 

Wenig nachvollziehbar ist, dass es sich in diesem Beitrag um die Diskussion der Kandidatur für den künftigen Bundespräsidenten handelt. Deprimierend ist in diesem Zusammenhang die ignorante Ausblendung der Rolle des Seelsorgers, insbesondere die seelsorgerische Praxis der Pfarrer in lebensbedrohenden Lagen. Das Wirken der Kirchen und anderer Religionsgruppen wird vielfach als sinnvoll und segensreich angesehen und ist anerkannt worden. Dieses liegt aber auf anderen Ebenen. 

Zunächst geht es dabei um das historische Wissen, nämlich dass alle Schriften von Menschen verfasst worden sind, also auch die, die von Anhängern ihrer Glaubensrichtungen, von Religionen, als heilig angesehen werden. Alle Mythen und Legenden, die Reproduktion von geglaubten Begebenheiten, sind durch menschliches Denken entstanden. Es handelt sich immer um Konstrukte menschlicher Gedankenführung. Dieses geschah oftmals anhand der Reproduktion von Ereignissen aus der Dunkelheit der Geschichte heraus. Dem mündlichen Weitererzählen folgte das schriftliche Fixieren. Dem folgten wiederum jahrhundertelang die Transkriptionen (in Klöstern) und das Übertragen in andere Sprachen. 

Im Verlaufe weiterer intellektueller Entwicklungen liegen den Autoren der Schriftstücke Hervorhebungen, unbekannte oder auch benannte Bezüge, Gespräche und Diskurse, sicherlich auch gemeinsames Nachdenken zu Grunde. In allen Fällen handelt es sich zugleich um innergesellschaftliche Interdependenzen, gar um Machtbeziehungen, selbst wenn diese niemals transparent geworden sind. Der gesamte Kontext ist im historischen Sinne funktional einzuordnen. In der Nachwelt hat es dann Phasen von Instrumentalisierungen einzelner Segmente der Glaubenssysteme gegeben. 

Ein Bruch ist im Verhalten der Beziehungen: Kirche(n), Glaubenslehren, Riten, Rituale und Verhaltenskodizes in der Praxis bis zu den als Folge der Revolution von 1789 und den politischen Umbrüchen mit militärischen Gewaltmitteln und seinen vielen Toten in Europa kaum erfolgt. Kirchen und andere Religionsgemeinschaften befanden sich in "Abwehrkämpfen" und z.T. bis heute in "Rückzugsgefechten". Wertevermittlung steht dabei oftmals im Widerspruch zum eigenen Handeln. Vor allem sind sie nicht im Bewusstsein späterer Generationen verankert. Man könnte durchaus den Gedanken ventilieren, dass die Laisierung sowie die Säkularisierung der (west)-europäischen Gesellschaften als Folge von illegitimer Herrschaft und Machtausübung im europäischen Absolutismus angesehen werden kann. In Anlehnung an Max Weber sind Gewalt und Herrschaft verstanden gegenüber Personen und Sachen. 

Man kann und darf die Reformation nicht nur als ein von Theologen, von Männern der Kirchen und Klöster bewirkten Prozess begreifen. Luther war mehr als ein frommer und tiefgläubiger Theologe. Er wendete sich z.B. gegen die Machtfülle und den damit verbundenen Missbrauch der Geld-Häuser, vergleichbar mit der Praxis heutiger Finanzpools und anderer Konzerne: "Für Martin Luther waren es die »Gesellschaften«, die seinen antikapitalistischen Furor entfacht haben: Bei denen sei "alles grund- und bodenlos mit lauter Geiz und Unrecht, dass nichts daran zu finden ist, was mit gutem Gewissen zu behandeln sei"; [Nikolaus Piper in der SZ v. 25.11.2016, Nr. 273, S. 17]. Es ging Luther auch um die Ungerechtigkeiten in seiner damals von ihm wahrgenommenen Welt. Eine andere damit verbundene Frage ist, inwieweit die Frauen der beginnenden Neuzeit als Akteurinnen an der Ausgestaltung der Reformation mitgewirkt haben. 

Der hohe Klerus haderte im deutschsprachigen Raum nach Entzug seiner weltlichen (politisch-administratorischen) Macht durch Enteignung des feudalen Besitzes und damit seiner umfangreichen Pfründe. Es seien als Beispiele Salzburg und Mainz genannt. Als Folge dieser gravierenden Veränderungen, die durch Napoleon bewirkt worden waren, bekamen die Kirchen zur Kompensation die vertragliche Zusage staatlicher Finanzierung der Bischofssitze. Diese Finanzierung ist seit langem Gegenstand einer kontroversen Diskussion darüber, ob unser Staat noch daran gebunden sei und ob es moralisch noch verantwortbar ist gegenüber allen Steuerzahlern. 

In dieses heute mehr oder weniger unbewusste Spannungsfeld stoßen muslimische Migranten. Sie stammen überwiegend aus Gesellschaften der Vormoderne, die sich am Beginn von Umbrüchen, von gravierenden Umwälzungsprozessen befinden. Diese Veränderungen erfolgten in Europa bereits im 19. und 20. Jahrhundert, beginnend im 18. Jahrhundert. Die Wurzeln reichen bis in das 17. und das 16. Jahrhundert zurück. 

Für den Orient ergibt sich eine schwierige und komplizierte Zukunft. Ausdruck dieser Problematik der Umwälzung sind Bürgerkriege und Flüchtlingsbewegungen in einer Anzahl vieler Millionen Weltbürger. Partielle Entwicklungssprünge auf ökonomischer Ebene im Libanon, Saudi-Arabien oder den Staaten am Golf täuschen nur darüber hinweg.

Es sind alle Bereiche menschlichen Daseins betroffen, die über Jahrhunderte in traditionalem Verhalten verblieben sind und wo entsprechende Machtbeziehungen auf allen Ebenen existieren. Die Umbrüche sind schmerzlich und die Rückschritte sind als grausam in den Medien gegenwärtig erkennbar. Im oberflächlichen "Gerede" abendlicher TV-Talkshows bemerkt man davon allerdings wenig. 

Es ist für Angehörige der Moderne kompliziert und schwierig, wenn nicht gar eine Sisyphus-Arbeit, dieses alles mit den damit verbundenen Problemen zu leisten angesichts von Abgrenzung, Ausgrenzungen und Selbstisolierungen von Menschen. Es verbleibt noch eine lange Zeit die Frage, ob wir das alles schaffen werden. Im Folgenden sollen dazu einige Gedanken formuliert werden. 

Intention der Arbeit ist eine Einbeziehung in die Politische Bildung im Allgemeinen, in der diese Problematik einen hohen Stellenwert besitzt sowie die Politikdidaktik im sozialkundlichen Unterricht und den anderen sog. »Wertfächern« unserer Schulen. Eine Leitfrage bleibt: Was ist für das Allgemeinwissen wichtig? Ist es die Bedeutung der Mythen im theologischen Sinne, also für die Auslegung der Schriften und deren Bedeutung für die Gläubigen – oder ist es die Frage nach dem Zustandekommen von Mythen und ihre Funktion, die sie in dieser Zeit sowie der langen Zeit ihrer Reproduktion bis in die Gegenwart hatten und haben? 

Es sollen Stichworte gegeben werden. Was ist z.B. heute und in Zukunft wichtig für die Politische Bildung, die in Schulen betrieben wird? Welche Wechselbeziehung gibt es zwischen der politischen Geschichte und der geistigen Geschichte? Welches sind ihre Verläufe? Inwieweit wurde in unserem großen Kulturraum, der letztlich vom damaligen Persien über die heutigen Regionen Irak, Syrien, Libanon, Palästina/Israel bis Spanien und Portugal reicht, von Sizilien bis Skandinavien im Norden und Polen und Russland im Osten, aus der ursprünglichen »oral history« die geschriebene Geschichte? 

Die politische Geschichte ist abzusetzen von einer jeweils intern in den Glaubensgemeinschaften, den Kirchen betriebenen »Kirchengeschichte«. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gab es eine archäologische Forschung, die sich als biblische Geschichtsforschung verstand. Man suchte allen Ernstes nach den Resten der Arche Noah oben auf dem Berge Ararat sowie nach den Stein-Scherben am Fuße des Berges Sinai, die Moses nach Glaubensauffassung zerschlagen haben soll. Die damit verbundenen Mythen sind zentrale Inhalte der drei monotheistischen Religionen und haben durchaus zu einer Sinngebung beigetragen. 

Diese Forschung hatte eine spezifische Funktion in den Auseinandersetzungen um Religion und ihre Aussagen. Sie ist zu verstehen vor dem Hintergrund der Spaltungen und Neugründungen von kleineren Religionsgemeinschaften angesichts der Umbrüche in den westlichen Gesellschaften, insbesondere den Emanzipationsbewegungen unterprivilegierter Gruppen. 

Ein Problem ist auch, dass es Vorbehalte gibt gegenüber Überlegungen zum Zustandekommen der Mythen. Strenggläubige Kreise, insbesondere in sektenähnlichen Gemeinschaften, sehen es als unzulässig an, wenn nicht gar als Blasphemie. Man kann in diesem Zusammenhang an die allgemeine Erkenntnis denken, dass »man alles kritisieren darf nur nicht sich selbst«, also das, von dem man glaubt, dass es so richtig sei, wie man es sieht. 

Die Gedankenführung dieser in Form eines Essays abgefassten Arbeit ist keinesfalls nach religionswissenschaftlichen Kriterien erfolgt. Sie kann und soll aber einen kritischen Hintergrund geben für religionskundliche Aktivitäten z.B. in den Schulen. Es gibt seit vielen Jahren eine sich fruchtlos und ohne irgendein konsensuales Ergebnis hinziehende Diskussion um die Legitimität des Religionsunterrichts. Dieser ist in fast allen Bundesländern ein ordentliches, d.h. benotetes Unterrichtsfach und müsste entsprechend den Richtlinien konfessionell erteilt werden, was aber zunehmend in den Schulen ignoriert wird. 

Wie lange diese Praxis noch anhält, kann gegenwärtig nicht abgeschätzt werden. Eine bereits mehrfach praktizierte Zwischenlösung sind die seitens der Fachlehrer_innen für Religion in Übereinstimmung mit den Schulleitungen erfolgenden ökumenischen Ansätze. Man beobachtet in diesem Zusammenhang zunehmend die normative Kraft des Faktischen. Die katholische Kirche steht Veränderungen ablehnend gegenüber und beruft sich in Niedersachsen auf das 1965 abgeschlossene Konkordat, ist aber letztlich machtlos gegenüber dieser vernünftigen und praktikablen Lösung. 

Ein Problem war bisher der Unterricht für Schüler_innen, die anderen Glaubensrichtungen angehörten. Für sie wird ein Unterricht im Fach Werte und Normen [WuN]2 angeboten. Auf Seiten vieler Religionslehrer sieht man eine Lösung in der Umwandlung des bisherigen Religionsunterrichts in einen religionskundlichen Unterricht. Dieser könnte dann sinnvoller Weise überkonfessionell und in Zusammenarbeit der Kolleg_innen erfolgen, die das Fach WuN erteilen. 

Ein religionskundlicher Zugang im engeren Sinne ist seitens des Verfasser dazu weder intendiert noch sieht sich dieser weder befugt noch fachlich qualifiziert, da nicht theologisch ausgebildet, in der Lage. Anderseits werden religionssoziologische Aspekte in die Überlegungen einbezogen. Dominierend ist unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Kriterien ein fachdidaktischer Zugang der Sozialwissenschaften.

Eine sinnvolle Ergänzung wäre eine Einbeziehung feministischer Positionen. Dieses würde dem fachdidaktischen Ansatz in Bildungseinrichtungen entsprechen. Zugleich würde es den frauenspezifischen Bereich erhellen und einige Bereiche von Gewaltausübung beleuchten, insbesondere der Diskriminierung von Frauen. Verdienstvoll könnte auch eine Erörterung der historischen Rollenbilder in den Religionen sowie eine In-Bezug-Setzung zur Aktualität der Ereignisse in den meisten EU- Ländern sein. Ein Hinweis auf die französische Philosophin Elisabeth Badinter wird gegeben. Es sollten weitere ergänzende Wahrnehmungen und Bewertungen erfolgen. Ein weiterer theoretischer Schwerpunkt könnte eine generelle und auf diesen gegebenen Kontext abgestellte Darstellung und Reflexion der Gewalt-Thematik sein. Sinnvoll wäre dann die Verbindung bzw. eine theoretische Einordnung in die Theorie der Zivilisation (Norbert Elias). 

Es werden in der Arbeit Fragen aufgeworfen zu den Themen: Islam, Koran, Hadith, Sunna, Religion im Allgemeinen. Der mögliche Bezug zur Gewalt soll herausgearbeitet werden. Dabei sind durchaus kritisierbare Gedanken entfaltet worden. Aus deutscher Perspektive ergibt sich angesichts der Tatsache, dass die meisten Muslime in unserem Land türkische Wurzeln haben, eine enge Verknüpfung mit dem Thema Türkei. In Frankreich entspricht dem ein hoher Bezug zu Nordafrika, zum Maghreb. 

Die Fragestellung muss die Grundsätze der Phänomene von Religiosität einschließen. Frömmigkeit ist in unserer Mittelschichtenorientierung in Bezug zur Mehrheit der Gesellschaft kaum noch vorhanden. Selbst in Bayern, Österreich oder dem Sauerland ist der sog. "Volkskatholizismus" im Rückzug begriffen. Inwieweit Religiosität in Migrant_innengruppen gegeben ist, ist schwer zu ergründen. Der Verfasser geht davon aus, dass dieses nur in relativ geringem Maße der Fall ist. 

Daran anknüpfend müsste einbezogen werden, inwieweit Religiosität in den Herkunftsländern der Migration realiter gegeben ist und inwieweit die dortige religiöse Praxis in einem möglichen ursächlichen Kontext zur Gewalt-Problematik steht. Es ist zu vermuten, dass dort eher traditionell-ritualisierte Praktiken vorliegen. Da diese nicht hinterfragt werden und auch nicht untersucht und erforscht werden können, ist eine Bestimmung des Ausmaßes von wirklicher Religiosität nur schwer möglich. 

Aus Beschreibungen des Verhaltens von Migrant_innen in Deutschland der vergangenen Jahre [Türkei, Iran], ist zu entnehmen, dass sich deren Verhalten dem der mitteleuropäischen Gesellschaften angenähert hat. Das gilt z.B. für die Rolle der Frau im Allgemeinen, bezüglich der Emanzipation der jungen Frauen und Mädchen sowie für die schulische und berufliche Ausbildung und die folgende Berufstätigkeit. Weiterhin gilt es für das Ess- und Trinkverhalten von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsgebieten und Kulturkreisen. 

Aus all dem kann die These abgeleitet werden, dass das Wirken der Salafisten, Hassprediger und anderer demagogisch Agierender, z.B. im Sinne oder Auftrag des IS/Daesh (arabisch: al Daula al-Islamija), andere Hintergründe hat, als z.B. die Rückbeziehung der Religionsausübung in einem theologischen Bezug zum Koran. Es ist der Habitus in durch den Islam geprägten Gesellschaften zu sehen und in die Überlegungen einzubeziehen. Es geht um neue Formen von z.T. subtilem Verhalten fernab einer echten Religiosität. Der Wille, diese Ansätze religionssoziologisch zu erfassen ist kaum in der Wissenschaft beobachtbar. Daran mangelt es in den islamkundlichen Bildungsinstitutionen. 

Die Ausführungen stehen im Zusammenhang mit dem Ansatz der Politischen Bildung im weitesten Sinne. Der Verfasser beschreibt und reflektiert aus seiner Sicht des Sozialwissenschaftlers und Politikdidaktikers die sich seit etwa den siebziger Jahren entwickelnde Problematik, die seit den neunziger Jahren zu kontroversen und spannungsgeladenen Diskussionen sowie erheblichem politischen Streit führt. 

Auf keinen Fall soll der Versuch einer fruchtlosen theologischen Diskussion erfolgen. Ebenso sollen Ansätze von moralisierenden Darstellungen und Wertungen vermieden werden. Ein wesentlicher Ansatz ist die Betrachtung menschlichen Verhaltens, ihrer Wurzeln und Intentionen, aber auch deren Ableitung von Fremdbestimmung. 

Es wird schwierig sein, die begangenen, aber nur z.T. erfassten und dokumentierten Untaten der militant agierenden Gewalt- Täter als Folge verwerflicher und verbrecherisch, menschenverachtend vorgehender und offenbar dezidiert interessierter Gruppen zu sehen. Schwierig ist es auch, die Motive und Anstöße dieser Menschen für ihr Tun außerhalb von Machtanspruch, Machtwille, Machtausübung bis hin zu "Machtgeilheit" einzuschätzen, einzuordnen und abzuleiten. Nach Auffassung des Verfassers werden historische Gedankengebäude in theologischem Kontext vorschnell in eine postulierte Ursächlichkeit als Lösung der drückenden Fragen einbezogen. 

Eine bisher kaum gestellte Frage ist die nach möglichen Ursachen, die im Bereich des Wahns bzw. der Wahnvorstellungen von Psychopathen liegen. Sind diejenigen, die mit psychischen Methoden andere oftmals von ihnen psychisch abhängige junge Menschen manipulieren und Tausende und Abertausende von Menschen ins Unglück und in den Tod schicken, nicht auch selbst Opfer psychischer Manipulationen? Eine Antwort auf diese Frage erschließt sich uns nicht. Dann müsste aber die nächst höhere Stufe und Dimension der Völkerverbrechen untersucht, offengelegt, geächtet und in letzter Konsequenz vor dem Internationalen Gerichtshof juristisch geahndet werden. Es wäre eine langfristige Aufgabe von Psychologen. Leider erfolgt in unserer modernen Zeit in den Medien oftmals vorschnell ein Ansatz technizistischer Überlegungen. Eine Alternative der Zuordnung von Ursachen ist das »Böse« in seinen schlimmsten Ausprägungen.

Ein bildungspolitisches Problem liegt in den Herkunftsländern, das andererseits nur schwer zu kompensieren ist: Es gibt dort keinen mit der Politischen Bildung in Deutschland vergleichbaren Unterricht. Der Unterricht in Geographie und Geschichte ist an staatlichen oder nationalen Interessen orientiert. So müssen z.B. die Schüler_Innen in der Türkei alle 34 siegreich verlaufenen Schlachten des Osmanischen Reiches auswendig lernen.

1 Ich danke mehreren Kolleg_innen für viele kritische Hinweise und Anregungen, insbesondere H.G., H.K., M.K., E.P., M.P., W.S. und B.W. für ihre Anregungen, Literaturhinweise u.v.a.m., sowie Ergänzungen, die auch in den Text eingearbeitet worden sind.
2 In anderen Bundesländern werden andere Bezeichnungen verwendet, wie z.B. Ethik-Unterricht.

2.1 Vorbemerkungen zu religiösem Denken und Handeln 

Nachdem eine pauschale Wahrnehmung des Islam viele Jahre über die Migration der Türkei erfolgte, ergaben sich bald Differenzierungen, die über die Stichworte »Türken, »Kurden« abgedeckt wurden. Bald kamen die Stichworte »Sunniten«, »Schiiten«, »Aleviten«, und »Jeziden« hinzu. Es erfolgte nach dem 2. Irak-Krieg und der darauf folgenden vier Jahre dauernden Besetzung der Bürgerkrieg in Syrien (2013). Zuvor hatte es bereits im Libanon einen dreißig Jahre dauernden Bürgerkrieg (1970 - 1989) gegeben. 

In Frankreich verband sich der Begriff Islam mit der Einwanderung aus dem Maghreb (Algerien und Marokko). Die Migration aus Iran nach Europa erfolgte sowohl zu Zeiten der Schah-Ära, einer Militärdiktatur, sowie aus der darauf folgenden theokratischen Diktatur der sog. »Islamischen Republik Iran« (1979), die sofort mit der Verfolgung Andersdenkender seitens der dortigen islamischen Revolutionäre in Verruf geriet. 

Zu den Stichworten: Glaube, Dimensionen religiöser Überzeugungen, Unglaube, Zweifel, Atheismus und Agnostiker bietet es sich an, einige Gedanken zu formulieren. Glaube kann dabei verstanden werden als Praxis von Religion. Es kann sich dabei "nur" um eine Gedankenführung handeln aus einer Distanz heraus, die eine eigene Involviertheit in Religion oder Religionsausübung ausblendet und vermeidet. 

Ausgehend von einer Anekdote: Vor einiger Zeit verteilte ein Vertreter einer religiösen Gruppe, die er aber nicht benannte, kleinere Texte und einen christlichen Kalender auf unserem heimischen Marktplatz. Verbunden mit einem "Dankeschön" fragte ich ihn, ob seine Gruppe zu den "Wortgläubigen" gehöre. Seine etwas unwirsche Antwort war: „Wir glauben an das Wort Gottes, wie es in der Bibel steht.“ Dem Traktat entnahm ich, dass die Gruppe in der Tradition des Predigers Werner Heukelbach3 steht, der durch Radiosendungen des NDR in den sechziger Jahre bekannt geworden ist. Politisch ist sie vermutlich verbunden mit der Gruppierung »Partei bibeltreuer Christen«. In diesem Kontext ist eine grundlegende Problematik enthalten zur Betrachtung dessen, wie Religion verstanden werden kann. 

Es handelt sich darum, ob z.T. auf Grund von Indoktrination jedwede vermittelte Glaubensausage als historische Wirklichkeit und mit einer nicht in Frage zu stellenden Bindungswirksamkeit zu akzeptieren und umzusetzen ist. In solchen Fällen sind Jugendliche den Manipulationen und Indoktrinationen z.B. der salafistischen Szene ausgeliefert. Wohlgemerkt, es handelt sich nicht um die Befolgung religiöser Regeln und deren traditionelleAnwendung bezüglich Essverhalten, Feiertage oder Gebetsvorschriften. 

Es stellt sich für jeden Menschen zugleich die Frage nach dem eigenen »Selbst«. Ausgehend von dem Wort des Philosophen der Aufklärung René Descartes [1596 - 1650], »am Anfang allen Denkens steht der Zweifel«, kann sich sowohl der eng an seine Religion, sei es christlicher oder muslimischer Glaube, orientierte Mensch im Gottesglauben einordnen, wie auch ein all dem mehr oder weniger fern stehender Mensch, ein Agnostiker. Auch dieser zweifelt. Für ihn ist die Existenz eines höheren Wesens, wie immer es auch bezeichnet werden mag, nicht beweisbar – aber auch nicht widerlegbar. In diesem weiten Sinne kann sich auch der Verfasser verorten. Dies gilt vermutlich für die Mehrheit der Kirchensteuern zahlenden Mitglieder dieser Körperschaften des Öffentlichen Rechts und die "seltenen Kirchgänger". 

Als sich kritisch verstehender Protestant würde er, wie wohl die meisten Menschen, sein Innerstes gegenüber einem anderen Menschen nicht offenlegen. Dieses gilt auch in dem Bewusstsein darüber, dass man es in letzter Konsequenz nicht vermag. Die im Katholizismus übliche und dort ritualisierte Beichte wird abgelehnt. Der Begriff des Atheismus, als ein zumeist aus theistischer Perspektive sowie an die jeweiligen Glaubensrichtungen, Konfessionen etc. gebundenen oder orientierten Kreise, ist als plakativ und unspezifisch, wenn nicht gar als diffamierend intendiert zu verwerfen. 

Um zur aktuellen Realität, zur gesellschaftspolitischen Dimension im Spannungsfeld Religion, individuelle wie kollektive Glaubensorientierung ggf. Manipulation zur Gewalt und verbrecherischer Ausübung zu gelangen, sollen Überlegungen die zur gegenseitigen Toleranz führen, eine Grundlage bilden. 

Nicht einbezogen werden in die Überlegungen soll z.B. das Wirken fragwürdiger krimineller Gewalt ausübender Organisationen, Gemeinschaften und Sekten, die in einem gewissen Bezug zum Christentum stehen und sich zumindest als solche zuordnen.

Ein wichtiger Sachverhalt ist zu klären: Migranten mit indifferentem und undifferenziertem Denkverhalten neigen dazu, uns Deutsche über das Christentum zu definieren. Das ist in historisch-kultureller Hinsicht durchaus zutreffend. Sie können dann aber nicht realisieren, dass in Westeuropa nach dem Renaissance-Denken und der Aufklärung Prozesse kultureller Liberalisierung erfolgt sind und im weitesten Sinne auf mehreren Ebenen stattgefunden haben. In deren Kontext hat das religiöse Denken, bzw. das Denken in über Religionen bestimmte Kategorien, also ein beeinflusstes und weitgehend gelenktes Denken, seine dominante Rolle eingebüßt. Die Wende wird dem Ende des europäischen Mittelalters zugeordnet. Zweifellos hat dieser Prozess in Zeiträumen über viele Generationen hinweg stattgefunden. 

Für Vertreter des Islam ist dadurch schwer einzusehen bzw. kaum nachzuvollziehen, dass die Religionen insgesamt ihren prägenden Einfluss verloren haben und weitgehend ihre Macht eingebüßt haben. Es ist schwer für sie, ihre Rollenerwartungen in den Migrationsmilieus anzupassen und zu reduzieren. Zweifellos war dieses für Angehörige des Klerus im 20. Jahrhundert ebenfalls sehr schmerzlich und für den osteuropäischen katholischen wie orthodoxen Klerus zunächst nicht vorstellbar und wenig akzeptabel. Es ist dabei nicht unerheblich zu beachten, dass die traditionelle Verhaltenspraxis eine ökonomische Grundlage darstellten und z.T. weiterhin bedeuten.

3 Das Missionswerk Werner Heukelbach ist eine überkonfessionelle christliche Missionsgesellschaft evangelikaler Prägung, benannt nach ihrem Gründer, dem Prediger Werner Heukelbach (1898–1968). ... Die Stiftung wurde von Heukelbach, der sich zur freikirchlichen Brüderbewegung zählte, ab 1946/47 in Bergneustadt aufgebaut (nach Wikipedia).

2.2 Einführende Gedanken zu: Religionen, Islam - Koran 

Den Koran habe ich [L.N.] nur ansatzweise im Original kennengelernt, eher sekundär, vor allem durch Vorträge und in Diskussionen. Mein Kollege an der Bismarckschule Hannover,4 Gerhard Voigt (†), war ein guter Kenner von Orient und Islam. Wir haben auch vor Jahren schon Fortbildungsvorträge in Zusammenarbeit mit der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung organisiert, (z.B. mit Prof. Dr. Antes, Uni Hannover), der ein Islamspezialist ist. Der Verfasser verfügt nicht über ein umfangreiches Wissen, zumal Spezialwissen, kann aber andererseits einiges zur Gesamtproblematik im Allgemeinen ausführen. 

Zu Hadith:5 Es gilt heute als sicher, dass mehrere Aussagen erst nach Mohammeds Tod eingefügt worden sind. Es sind Weisheiten und Regeln, die im 7./8. Jahrhundert eine wichtige Bedeutung hatten. Sie werden Mohammeds Äußerungen zugeschrieben. Als Quelle für eine umfassende Definition dessen, was Islam ist, sind sie nur begrenzt verwendbar. Die Islamwissenschaftler haben unterschiedliche Meinungen darüber. 

Zu Sunna: bis zum Tode Shafis wurde die Sunna als Rechtsbrauch bzw. Rechtstradition der lokalen Rechtsschulen verstanden. Danach musste sie jeweils nachweislich auf den Propheten bezogen werden.6 Sie erhielt dadurch den Charakter einer zeitlosen Norm. In der Konsequenz bedeutet es, dass den "frommen" und "wortgläubigen" Muslimen abverlangt wird, dieses von ihnen als göttlichem Recht vergleichbar anzuerkennen und über das heute generell gültige weltliche Recht zu stellen. Dieser Konflikt muss von unserem demokratisch verfassten Staat angenommen und mit rechtsstaatlichen Mitteln ausgetragen, d.h. es muss ggf. mit den Mitteln einer unabhängigen Justiz und der Organe physischer Gewalt ausgefochten werden. 

Alle Texte des und über den Islam sind Ausdruck von Diskussionen, Disputen unter den Gelehrten in ihrer jeweiligen Zeit. Was dabei immer unterschätzt wird: Es handelt sich zugleich wesentlich um Machtkämpfe von Personen und Gruppen über die Definitionshoheit! Ein erhebliches Problem, das die Vertreter der Religionen oftmals außer Acht lassen. 

Der Koran wurde niemals sprachlich überarbeitet. Dadurch wurde verhindert, den Islam einem modernen Verständnis anzupassen. Es gilt nach wie vor das Arabisch des 7. Jahrhunderts. Das bedeutet auch, dass Übersetzungen in andere Sprachen, die mehrfach erfolgt sind, nicht maßgebend sind für seine Auslegung. Eine wichtige Ursache ist darin zu sehen, dass islamische Gesellschaften zumeist wegen wechselnder Fremdherrschaften niemals in der Geschichte über Umbrüche wie eine Aufklärung oder Revolutionen Gelegenheit hatten sich zu modernisieren. Es gibt bis heute kein islamisches Land, das freiheitlich-demokratischen Grundsätzen entspricht. 

Schon in der berühmten Formel von Kant hieß es, Aufklärung sei der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Es drängt sich die Frage auf: Kann man die Urheber, die Erzeuger von Unmündigkeit benennen? Wenn, dann sind sie im Zusammenhang mit der Herausbildung von Religionen zu suchen.4  Sie ist eine der ersten UNESCO-Schulen in Niedersachsen und führt seit den achtziger Jahren offiziell im Namen den Zusatz: UNESCO-Schule am Maschsee.

»Historisch sind Aufklärung und Liberalismus nicht zu trennen, zentrale Theoretiker der Aufklärung waren wichtige Denker des Liberalismus, die aufklärerischen Grundideen der Subjekthaftigkeit und der Individualität sind in den liberalen Ansätzen der Freiheit unmittelbar integriert. Liberalismus als Freiheit von Sicherheit, aber auch Freiheit von Zwang hat dabei stets eine politische und eine ökonomische Dimension. Die politische Dimension zielt auf die Emanzipation des Individuums zum Subjekt – im Zeitalter der Aufklärung des besitzenden, weißen und männlichen Individuums, was die überwältigende Mehrheit der Menschheit von diesem Versprechen ausschloss«. (Salzborn) 

»Theorien entstehen nicht aufgrund der Genialität von Menschen sondern aufgrund von konkreten sozialen und politischen Konflikten, in denen Theorien deshalb formuliert werden, weil sie Kritik an bestehenden Herrschaftsverhältnissen legitimieren wollen«; (nach Salzborn). Dieser Gedanke zur Theoriebildung lässt sich gut übertragen auf die auf Mythen und Legenden aufbauenden heiligen Schriften der Religionen. 

Etwa 500 Jahre nach Mohammeds Tod haben sich die Gelehrten im Islam geeinigt, nicht weiter über die Auslegungen des Islam zu diskutieren, „denn es sei alles gesagt, was zu sagen ist!“ Deshalb gibt es vermutlich keine der Aufklärung vergleichbare Entwicklung für den Islam und die durch ihn geprägten orientalischen Gesellschaften. Für die Erklärungen heutiger Konflikte einschließlich der Gewalttaten ist dies von erheblicher Bedeutung. 

Zum Vergleich: Nach der weitgehend erzwungenen Auswanderung aus Palästina ab dem Jahre 70 n. u. Z. hat das Judentum neben der Thora als Ergänzung ein Regelsystem [Talmud] schriftlich formuliert, das auf den früheren mündlich weitergegebenen Regeln fußte und für gläubige Juden im religiösen wie gesellschaftlichen Sinne als verbindliches Regelsystem gilt. Dies steht aber in einem anderen Kontext. Der Talmud ist ausschließlich für jüdisches Leben in ihren Gemeinschaften gedacht, also für das Überleben in der Diaspora. Er enthält keine Regeln für einen Umgang mit Feinden. Das Judentum ist nicht auf Expansion ausgelegt sondern auf Abgrenzung. Es basiert auf dem Mutterschaftsrecht. 

Christentum und Islam verstehen sich als Bekenntnisreligionen. So definieren sie sich selbst. Deshalb sind sie auch auf Expansion ausgerichtet [Missionierungsgebot]. Eine Folge ist, dass sie in diesem Zusammenhang vieles in ihrer grauenvollen Geschichte legitimieren. Deshalb „Asche auf viele Häupter“! Warum kleinere Abspaltungen der großen Religionsgemeinschaften, die sich als christlich ein- bzw. zuordnen, inzwischen auch die Jehovas Zeugen, die chiliastisch orientiert sind, vor allem die in den USA wirkenden und dort entstandenen Gruppen von Evangelikalen und Sekten sich als nicht aggressiv einordnen, ist anderweitig zu untersuchen. Auch dort ist Aggressivität und Gewaltausübung in der Regel nach innen erkennbar. Es handelt sich um Formen intrinsischer Gewalt, um psychische Gewaltausübung, die durchaus physische Gewalt einschließt und dieses, weil man die Wahrheit zu glauben vorgibt. Koloniale Herrschaft ging immer einher mit diskursiver Gewalt. 

Der Grad der Ausübung von Gewalt, oftmals als Ausdruck von Gruppenzwängen, gegenüber Mitgliedern ist aller Wahrscheinlichkeit nach höher beim Islam bzw. bei den sich als islamisch definierenden Gruppierungen. Dort sind besonders die extremen, militanten, menschenverachtenden Untergruppen gefährlich und bedrohlich. 

Es werden in der Publizistik und Wissenschaft Thesen betreffend einer Gleichsetzung von Islam und Nationalsozialismus diskutiert. Man sollte dazu zunächst eine methodische Vergleichbarkeit der Ideologieentwicklung längerfristig prüfen und die jeweiligen historischen bzw. zeitgeschichtlichen Bezüge einbeziehen, bevor entsprechende Vergleiche angestellt werden oder gar fragwürdige Gleichsetzungen erfolgen. In der Analyse muss sich manches noch ausschärfen. Es ist aber im Ergebnis durchaus davon auszugehen, dass Moslems derzeit aufgrund ihrer leicht ideologisierbaren Religion für totalitäre Entwicklungen anfälliger sind als andere (religiöse) Kulturen. 

Die Sunna gilt als Regel- und Glaubenssystem der Sunniten. Die Abspaltung der Schiiten hatte machtspezifische Ursachen, vergleichbar dynastischen Konflikten. Es war ein Streit um die Anerkennung von Mohammeds Nachfolge. Es ging um das Kalifat.7 Das Kalifat haben die osmanischen Sultane für sich erobert. Atatürk [Kemal Pascha] hat es 1923 als Ausdruck der nach westlichem Vorbild erfolgenden Modernisierung in der Folge der Niederlage des Osmanischen Reiches im I. WK 1919 [Frieden von Sèvres] abgegeben. Die Wahnsinnigen im sog. IS/Daesh haben es als Akt größter Anmaßung wieder eingeführt. Allerdings anerkennt das in der muslimischen Welt gegenwärtig niemand, dieses aus nachvollziehbaren Gründen. Also handelt es sich primär um Machtkämpfe um die religiöse und zugleich weltliche Macht in den von ihnen beherrschten Regionen. 

Schiiten leben in Iran und stellen die Mehrheit im Irak. Kleinere Gruppen werden von den jeweiligen Mehrheitsgruppen benachteiligt und verfolgt, z.B. die Sufis in Iran und Ägypten. Sie sind vor etwa 1000 Jahren als mystische Gruppe entstanden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Mevlana-Orden in Konya/TR. Der Orden steht in historischen Kontakten zu katholischen ebenfalls mystisch orientierten Orden. 

In der Emigration – so in Deutschland – vertreten die Sufis nach eigener Darstellung einen modernen demokratisch und freiheitlich orientierten Islam. Es handelt sich zumeist um sehr qualifizierte Anhänger_innen des Islam in Deutschland und anderen EU-Ländern. Der KARAMAT-Verein gehört dazu. Der Verfasser hat den Kontakt über Wissenschaftler der Leibniz-Universität Hannover bekommen. Der Verein steht allerdings in einem spannungsgeladenen Dissens mit der Vertreterin im interreligiösen Dialog, einer Person, die aus Iran stammt und den Ruf hat, dem dortigen Mullah-Regime zu nahe zu stehen. Es gibt dort gegenwärtig keine Kontakte.

In einer solchen Situation stehen die niedersächsische Landesregierung und auch andere Bundesländer vor dem Problem, einen Vertrag mit muslimischen Verbänden abschließen zu wollen, die sich untereinander uneins sind. Es gibt mindestens sechs oder sieben islamische Organisationen in Deutschland. Hinzu kommen kleinere Gruppen. Die Planung ist vorerst gestoppt worden. Die Diskussion wird fort geführt. Allgemein wird der Sinn eines solchen Vertrages betont. Die DITIP, die größte Vereinigung (türkisch), steht zudem der Erdogan-AKP-Regierung nahe. Zur DITIP gehört auch Milli Görus. Der inter-islamische Dialog, also der islamischen Gruppen untereinander, wäre sehr wünschenswert. Er wird als wichtiger eingeschätzt als der christlich-islamische Dialog. 

„Erdo-Wahn“, wie es medial reißerisch aber rechtlich grenzwertig karikiert wurde, ist ethisch inakzeptabel und für eine freiheitliche Demokratie nicht als angemessen zu bezeichnen. Wenn Meinungsfreiheit in der Satire als die einzige Möglichkeit erscheint, die Behinderung von freiem Journalismus und Ausschaltung der freien Presse anzuprangern, dann möge das auch an den Repräsentanten der Unterdrücker, den Präsidenten Erdogan gerichtet werden. 

Das Vorhaben eines Staatsvertrages wird an sich parteiübergreifend in allen Bundesländern begrüßt und von vielen Experten als sinnvoll und längst überfällig angesehen. Die Probleme sind offenkundig und wegen der äußerst fragwürdigen Verknüpfungen der möglichen Vertragspartner und ihrer Hintergründe gegenwärtig nicht lösbar. 

Sehr problematisch ist die Gruppe der Salafisten, beobachtbar in Niedersachsen und NRW. Der KID-Verein soll lt. Pressemeldungen verboten werden. Es handelt sich um Sunniten, um sehr doktrinäre und oftmals militante Islamisten, die als sog. Hassprediger wirken und junge Leute in verwerflicher Weise manipulieren für den IS/Daesh. Ein zum Islam konvertierter junger Mann wurde im Jemen radikalisiert. Es war der Täter des Anschlages 2009 in den USA. Nach seiner Aussage war es die "Rache für den Kampf der USA gegen Muslime."

Heute steh fest, dass das fünfzehnjährige Mädchen, das im Hauptbahnhof in Hannover einen Polizeibeamten mit Messerstichen verletzt hat, einen per Mobiltelefon gesteuerten Mordauftrag hatte. Das Mädchen wird in den Medien als "hoch gläubig" bezeichnet. Dieses ist grundsätzlich in Frage zu stellen, da sie offensichtlich in hohem Maß manipuliert und indoktriniert worden ist. In anderen Zusammenhängen würde man den Begriff Gehirnwäsche verwenden. Echter »Glaube« bzw. tiefe »Gläubigkeit« wird durch diese Gleichsetzung diskreditiert und in Verdachtnähe gerückt. 

Hierin liegt die große Gefahr für die Menschen in den modernen Staaten. Man entwickelt Ängste und Gefühle der Hilflosigkeit bei den Betroffenen und instrumentalisiert diese in böser Absicht und Weise. In den Medien erscheinen regelmäßig Berichte über entdeckte terroristische Zellen, sog. Schläfer-Zellen des IS/Daesh. 

Sehr problematisch ist die in Saudi-Arabien dominierende und mit dem Herrscherhaus verbundene sunnitische Wahabiten- Sekte, die in aller Welt durch Geldzahlungen einen sehr zweifelhaften Ruf erworben hat. Es wird vermutet, dass die Saudis ein Doppelspiel betreiben. Dies stellt ein erhebliches Problem dar. 

Sicherlich ist das Wirken Mohammeds nicht denkbar ohne die aus dem Raum Palästina eingewanderte jüdische Bevölkerung. Diese Menschen hielten in den neuen Wohn- und Siedlungsgebieten zu einem Teil an ihren jüdischen religiösen Traditionen und Lebensregeln fest. Ein anderer Teil bekannte sich nach dem "Sohn ihres Volkes", Jesus von Nazareth, den sie alsbald als Christus und ihren Herren bezeichneten und seine Glaubensanhänger wurden. Hinzu kamen die früheren Bewohner dieser Gebiete, die den christlichen Glauben angenommen hatten. Die Wissenden, also die Gelehrten beider Konfessionen, wurden dann die Lehrenden der Kreise um Mohammed. Sie gaben ihre Weisheiten, Legenden etc. weiter, die von den Zuhörenden, den Aufnehmenden diskutiert und verarbeitet wurden. Aus all diesen Wurzeln speiste sich die neue Lehre des Mohammed, der dadurch ein Begründer einer neuen Religion wurde. Jesus Christus selbst kann nicht als Begründer einer Religion angesehen werden. Dessen Anhänger begründeten diese. Ohne die jüdischen und christlichen Lehrenden ist also die Entstehung des Koran nicht denkbar. Seine Basis liegt im jüdisch-christlichen Denken des 6. und 7. Jahrhunderts begründet. Insofern ist es erklärlich, dass Moslems eine Glaubenstradition sehen, die von Abraham bis Mohammed reicht. 

Antworten darauf, warum Mohammed und seine Gesprächspartner – und Diskurs-Teilnehmer in heutiger Diktion – welche Ansätze aus der jüdisch-christlichen Mythologie nach damals aktuellen Gesichtspunkten ausgewählt und umformuliert haben, von welchen Intentionen sie ausgegangen sind, welche Ziele sie dabei jeweils verfolgt haben, worin ihre Motivationen lagen, sucht man vergebens. Nicht zu unterschätzen ist dabei, dass Aussagen Mohammeds, unabhängig davon ob ob authentisch oder ihm nur zugeschrieben, erst nach mehr als zwanzig Jahren nach seinem Tode von unterschiedlichen Personen aufgezeichnet und damit schriftlich fixiert worden sind.

Ein davon abgesetztes Problem sind die in späterer Zeit über viele Jahrhunderte hinweg und letztlich bis in die Gegenwart erfolgten Auseinanderentwicklungen, insbesondere nach der in relativ kurzer Zeit erfolgten Expansion des Islam wie auch des Christentums in diverse, sich untereinander bekämpfende Zweige. 

Im Islam waren es die Sunniten, Schiiten, Aleviten und kleinere Abzweigungen. Im Christentum waren es die Kämpfe um die Dominanz Roms gegenüber dem östlichen Christentum. Bekämpft und vernichtet wurde dabei die arianische Glaubensrichtung. Später kamen die Auseinandersetzungen und Verfolgungen der früheren und nachfolgenden reformatorischen Bestrebungen (Waldenser, Albigenser u.a.). 

Historisch betrachtet waren es in erster Linie Kämpfe um Macht und Herrschaft der Eliten, des Adels, innerhalb der europäischen Feudalsysteme. Hinzu kam im Mittelalter der anmaßend dominante Machtanspruch des höheren Klerus in Rom. Letztlich ging es um die Ausweitung und Sicherstellung seiner Pfründe in der ganzen Welt.

Sie ist eine der ersten UNESCO-Schulen in Niedersachsen und führt seit den achtziger Jahren offiziell im Namen den Zusatz: UNESCO-Schule am Maschsee. 
5 Der Begriff Hadith (Erzählung, Bericht, Mitteilung, Überlieferung) bezeichnet im Islam die Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed sowie der Aussprüche und Handlungen Dritter, die er stillschweigend gebilligt hat. Der Begriff wird sowohl für die Gesamtheit dieser Überlieferungen verwendet als auch für die einzelne Überlieferung. Die große Bedeutung der Hadithe im Islam ergibt sich daraus, dass die Handlungsweise (Sunna) des Propheten normativen Charakter besitzt und nach dem Koran die zweite Quelle der islamischen Normenlehre (Fiqh) darstellt. [nach: Wikipedia] 
Haarmann, S. 60. Hierin kann ein Unterschied zum Wanderprediger Jesus von Nazareth gesehen werden, der im Islam als Prophet angesehen wird. Die Worte des Jesus, die im NT später kolportiert worden sind, haben nicht den Charakter und Anspruch, konkrete Handlungsanweisungen mit implizitem Anspruch auf Umsetzung zu sein.
7 Das Kalifat hat eine über das Religiöse hinausgehende Dimension im Sinne eines Herrschaftsanspruchs.
8 vgl. auch die HAZ v. 20.09.2016. Es werde Beispiele für Terroranschläge aufgelistet und kommentiert.

3. Religion und Gewalt 

Es ist ein uralter kontrovers ausgeführter Streit, ob eine Glaubenslehre, sei sie theistisch-religiös oder atheistisch-antireligiös, ursächlich für Gewalt, Kriege, Unterdrückung, Versklavung und all die bösen Taten bis hin zu Genoziden der Menschheit verantwortlich ist, oder ob sie "nur" den geistigen Rahmen, also intellektuell die Legitimationsideologie liefert. 

Beispiele sind im Christentum und im Islam zu finden. Böse Beispiele gibt der Kommunismus in seiner Vielfalt (Lenin/Stalin, Mao, Pol Pot), auch Hinduismus, Buddhismus sowie die anderen asiatischen Religionen. In Europa gab es die besonders perverse Ausprägung im (deutschen) Nationalsozialismus sowie im (europäischen) Faschismus mit den vielen darin enthaltenen Negativideologien. 

Hierin liegen die grundlegenden und deshalb schwer zu lösenden Probleme. Man kann in diesem Zusammenhang nur wenig optimistisch sein bezüglich der kommenden Entwicklung. Unsere Zivilgesellschaft ist erkennbar gefährdet. Rechtsstaat und Demokratie dürfen absolut nicht in Frage gestellt werden durch Vertreter irgendwelcher Ideologien. 

Man kann aus Mohammeds Spätphase antijüdisches Verhalten im heutigen Islam ableiten. In der Folge ist dann auch der Antisemitismus in islamisch geprägten Gesellschaften entstanden. Letzterer ist ein westlicher Begriff, da auch die Menschen im »Morgenland« Semiten sind. Der Begriff »Morgenland« geht übrigens auf Martin Luther zurück. 

Ob man faschistische Tendenzen erkennen kann, wie die Thesen von Abdel-Sabad lauten, ist in Frage zu stellen. Die Ablehnung und gar militante Bekämpfung einer kulturellen und rechtlichen Moderne ist aber andererseits deutlich in Deutschland und auch in Frankreich erkennbar in der großen Mehrheit, also auch bei "unseren" Migranten. Es gibt überkritische Stimmen, die von Islamofaschismus sprechen und darüber publizieren. Hier sind jedoch gewisse Vorbehalte angesagt. 

Im Spiegel [30/2016] wird auf eine Kontroverse zwischen zwei französischen Wissenschaftlern hingewiesen: Gilles Kepel,9 ein Islam-Wissenschaftler, und Oliver Roy, Florenz. Kepel vertritt die These eines religiös motivierten Terrorismus. Er ordnet den Terror – zumindest im Ansatz – ursächlich der Religion, also dem Islam zu. Roy vertritt eine davon abgesetzte Position. Dieser ebenfalls anerkannte Intellektuelle und Islam-Kenner spricht von einer islamisierten Radikalität. Er sieht eher die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung mit all ihren Spannungen als wesentliche Ursache. Letzteres scheint treffender zu sein. 

Cordoba gilt als Symbol für die hohe Entwicklung von Kultur und Wissenschaft sowie die religiöse Toleranz in der islamisch-arabischen Welt. Juden und Christen konnten hier bis zur Rückeroberung (Reconquista, 1492) durch das katholische Spanien leben und wirken, allerdings ohne direkte Machtpartizipation. Diese Phase kennzeichnet historisch eine kulturelle Blüte des Islam. Nach Rückzug nach Alexandria begann bald darauf folgend die osmanische Eroberung Nordafrikas und damit der Stillstand und Niedergang. Die kulturellen Verdienste z.B. bezüglich der Bewahrung der griechischen Philosophie, den wissenschaftlichen Leistungen in den Naturwissenschaften, Astronomie, Mathematik und Medizin der Gelehrten des Islam sind als weltgeschichtliches Erbe zu würdigen. 

Das christliche Mittelalter und die Neuzeit sind in Europa eher durch "Finsternis" gekennzeichnet: Kriege, Intoleranz, Vernichtung, Eroberung fremder Territorien und Zerstörung von deren Kulturen. Die europäische Historiographie fragt in der Regel nicht nach einem möglichen Zusammenhang zur Religion, in diesem Falle also dem Christentum. 

Andererseits: Die als Religionskriege apostrophierten Kriege in Europa (Frankreich, 30-jähriger Krieg) waren im Kern dynastische und territoriale Auseinandersetzungen. Auch die sog. Kreuzzüge waren primär keine Religionskriege. Für sie gelten ebenfalls territoriale und zunehmend ökonomische Interessen. Alles andere sind konstruierte Legenden zur Verschleierung ihrer jeweiligen historisch-politischen Zusammenhänge.

Es handelt sich in der Regel um sinnlose Gewaltausübung. Die Methode ist Gewalt, das Ziel ist Macht. Warum beenden Täter in Gewaltexzessen nicht zu einem Zeitpunkt ihr sinnloses Tun, spätestens dann, wenn die Aussichtslosigkeit objektiv erkennbar ist? Dies ist aber eine Problematik mit erheblichen historischen Dimensionen. Peter Antes hat sich in einem komprimiert verfassten Aufsatz zu Fragen der Gewaltpotenziale in Religionen geäußert.10 

Es macht keinen Sinn, wenn man meint, man müsse den Koran lesen, um die seit einigen Jahrzehnten sichtbar erfolgten individuell wie auch kollektiv geschehenen Untaten (Gewalttaten mit z.T. genozidalem Ausmaß) zu verstehen. Es empfiehlt sich aber grundsätzlich, die von den Religionsgemeinschaften als heilig definierten Schriften zu lesen –, so schwierig deren Verständnis auch sein mag. Der Verfasser selbst sieht es als einen bedauerlichen Mangel an, keine Kenntnis zu haben über den Buddhismus und das Tao, die Weisheit der chinesischen Philosophie. 

Es bleiben Fragen: Wer definiert ein Buch als heilig? Wann ist es ursprünglich so definiert worden? Welche Funktion hat diese Anhebung in den Machtbeziehungen der Gesellschaften, in denen es erfolgt ist sowie für anschließende Epochen? Dass auf der anderen Seite ein heiliges Buch unstrittig einen Wert darstellt und zu Recht die Wertschätzung anderer Menschen erfährt, ist ohne Einschränkung als positiv anzusehen. Es handelt sich jeweils um das kulturelle Erbe der Menschheit. Erzählungen (Abraham, Noah, Moses etc.) werden im Koran übernommen, umformuliert und in der Folge als real zu glaubende Begebenheiten dargestellt. Abweichungen der Darstellung und Interpretation sind dann wieder Quelle für gewaltsame Auseinandersetzungen. 

Engel sind Gegenstand einer Projektion von Vorstellungen geistiger Eliten archaischer Gesellschaften (die weisen Menschen, Schriftgelehrte, Priester etc.) die im Kontakt mit der Spitze der Funktionseliten stehen. In einer Situation, in der sich ein Wissender im Dissens mit dem oder den Herrschenden befindet, der Konflikt aber nicht ausgetragen werden kann, projiziert man diese in die höhere Ebene des Transzendenten. Auch die fiktiven Engel enthalten in der Vorstellungswelt von Menschen gute und böse Eigenschaften und sind hierarchisiert – wie die Menschen auf der Erde selbst. Es handelt sich um ein konstruiertes Spiegelbild der menschlichen Gesellschaft, ein Abbild im Transzendenten. Das Konstrukt dieser Vorstellungswelten scheint bereits lange vor den heute etablierten Religionslehren entstanden zu sein, also einer Zeit, aus der es noch keine Schriftzeugnisse gibt. 

Wesentlich ist die Wechselbeziehung von Gewalt, von psychischer wie physischer Gewaltausübung in den Gewaltspiralen, den Phasen von Eskalation. Hintergrund sind aggressive Ideologien, seien sie als religiöse Lehren vorgegeben oder anderweitig entstanden oder erzeugt, wie Rassismus und Antisemitismus. Die Intention von Gewalt sowie deren Initiierung und Durchsetzung und Ausübung wird oftmals unterschätzt. Es handelt sich generell um eine gravierende Problematik. 

Ein sich perpetuierendes Problem sind religiöse auf Mythen aufbauende intransigente Systeme in den Bereichen ultrakonservativen Denkens und religiöser Fanatismen. Sie sind bekannt und über die Medien ständig präsent. Diese Gruppen verfügen in den USA über Radiostationen und TV-Sender, die auch weltweit empfangen werden können. Dazu gehören sog. evangelikale Gruppen, die sich im weitesten Sinne aus dem Protestantismus ableiten. Außerdem wirken dort sehr konservative jüdische Gruppen. Deren Wirken ist besonders bedenklich und problematisch bezüglich des Spannungsfeldes Israel/Palästina (Siedlerproblematik). Eine besondere Gefahr stellt das Agieren z.B. der islamistischen Gruppen in den modernen Medien (sozial media, Facebook u.a.) dar. Ein wenig publizierter Zusammenhang sind die Finanzmittel, die zugunsten der religiösen Extremisten fließen, sowohl aus den USA wie auch andererseits aus Saudi- Arabien und den Golf-Staaten. 

Zu unterscheiden sind die Dimensionen der Gewaltanwendung und -spirale, der Umfang ihres Ausmaßes, im Zusammenhang mit Religionen im weitesten Sinne – bzw. über Gruppen, die sich selbst über Religionen (vorgeblich) definieren oder sich durch sie legitimiert betrachten. Konfliktpotenziale weiten sich aus. Inwieweit bewusst gesteuert und geschürt wird, ist vielfach unklar. Die Geheimdienste halten sich diesbezüglich bedeckt. Verantwortlichkeiten sind nicht eindeutig abzuleiten. Alles ist umso gefährlicher. Angesichts der physischen Gewalttaten sowie der an "geistige Brandstiftung" erinnernde Praxis wie aggressiver Antisemitismus muslimischer Migranten-Kreise ist wirkungsvolles Handeln im öffentlichen Raum geboten. 

Ein Beispiel aus Deutschland: An der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim wurde lt. Pressemeldungen11 in einem Seminar über die Situation der Palästinenser über einen längeren Zeitraum antisemitisches Gedankengut vertreten. Nach Aufdeckung des Skandals hat es Rücktritte in der Hochschule gegeben.

9 Gilles Kepel: Terror in Frankreich. Der neue Dschihad in Europa, 2016.
10 Fundierte Stellungnahmen von ihm sind u. a. bei Youtube abrufbar.
11 s. u.a. Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) Nr. 228 v. 28.09.2016.

4.1 Religion und Gesellschaft 

Kernpunkt ist die Frage nach der Definition von Religion. Religion, transponiert von den jeweiligen Anhängern und Mitgliedern mündlich sowie durch als heilig betrachtete Schriften, kann nicht abstrahiert werden vom Kontext ihrer Genese und Entstehungsgeschichte. Diese ist immer Ausdruck einer historischen Situation der Menschen in der jeweiligen Gesellschaft in der sie lebten. Religionen sind entstanden in einer Zeit, als es den Begriff und damit die Vorstellung von einem übergeordneten oder wie auch immer bezeichneten System in der Vorstellungswelt der Menschen, dem Transzendenten, noch nicht gab. Es konnte keine Abstrahierung von der jeweiligen Realgesellschaft geben. Es handelt sich also im Ursprung jeweils um integrale normative Gesellschaftssysteme. Die Glaubensvorstellungen waren Jahrtausende lang ein immanenter Bestandteil dieser Gesellschaften und damit Ausdruck des damaligen Menschseins. 

In Zeiten frühester Menschheitsgeschichte gab es zumeist vergegenständlichte Götter- und Geister-Vorstellungen, sehr oft verknüpft und abgeleitet von Naturerscheinungen: Sonne, Mond, Blitz, Donner, Wolken, Regenbogen, Meer, Wald, Luft (Himmel) sowie als schicksalhaft erfahrene Naturgewalten. Man denke auch an Fabelwesen, wie z.B. den Drachen, die Nixe, den Phoenix, den Kentaur oder die mythische Bedeutung von Schlange, Eule, Adler, weißem Hirsch und Rabe. Es handelte sich also um Dinge, die man sich nicht erklären konnte. Niemand verfügte über diesbezügliches Wissen. Daraus entstanden Mythen12, beruhend auf Fiktionen und den davon scheinbaren Ableitungen. 

Zur Vorstellungswelt der Götter gehören auch die symbolhaften Übertragungen z.B. von Frieden und Hass in entsprechende Göttervorstellungen der Antike. Symbole sind dafür die Friedensgöttin sowie die Göttin des Hasses. Symbol für den geglaubt als real existierenden Teufel (Belzebub) ist der abstrakt personifizierte Engel Luzifer. 

In den sich verdichtenden Gesellschaften des heutigen Vorderen Orients, dort wo es also Lebens- bzw. Überlebensmöglichkeiten gab für Familien, Clans (Gentes), Stämme, Völker, dieses zumeist in bis heute tribalisierten Systemen, bildeten sich Herrschaften und damit auch Hierarchien heraus. Das bezog die jeweilige Priesterkaste ein, die in Griechenland und Rom aus Männern und Frauen bestand. 

Es wurden Regelsysteme für diese Gesellschaften erforderlich, in letzter Konsequenz auch zwingend notwendig. Wie sich diese herausbildeten, ist nicht erforschbar, da es keine Schriftzeugnisse darüber gab und gibt. Das Musterbeispiel sind die sog. 10 Gebote, der Dekalog, die in der Zeit ihres Entstehens, also der Herausbildung und Formulierung, ein völlig ausreichendes sehr komprimiertes Regel- und Gesetzessystem waren, von dem man aber nicht weiß wie, wann, in welchen Abständen usw. sie letztlich entstanden sind. Im Judentum sind sie dann durch Schriftrollen schriftlich fixiert worden. 

Die Abtrennung von Religion als integralem Bestandteil archaischer Gesellschaften kann in etwa datiert werden mit der Entstehung des Christentums. Dieses geschah auf der Basis der sich etwa dreihundert Jahre zuvor herausgebildeten Eingott- Vorstellung des Judentums. Der eine Gott der Juden wurde zum universalen Gott erhoben. Zuvor war der vergegenständlichte Gott in der Vorstellungswelt der Juden zu einem abstrakten Gott erhoben, der dann zu dem einen wurde. 

In der Geschichte des Judentums wird dabei eine polytheistische Phase von einer Phase der Monolatrie nach dem babylonischen Exil unterschieden. Dem Monotheismus im strengen Sinn begegnet man im Alten Testament erst relativ spät.13 Der idealtypische monolatrische Jude jener Zeit glaubte also beispielsweise an die syrisch-levantinische Liebesgöttin Astarte, sofern er ihre Existenz nicht bestritt. Sofern er sie jedoch (im Unterschied zu Jahwe) nicht für verehrungswürdig und für "gut" hielt, glaubte er nicht an sie. Glauben heißt hier: Jemanden oder etwas für verehrungswürdig – und für gut halten (nach Maani).

12 Vgl.Aufsatz:Nettelmann,L./Voigt,G.überMythen(2012).
13 „Ich bin der Herr und sonst niemand; außer mir gibt es keinen Gott.“ [Jesaja (45,5)].

4.2 Reflexion über den Begriff des Glaubens 

»Glauben im Sinne von „jemanden für gut halten“ ist gleichbedeutend mit: „jemanden respektieren“ im Sinne von jemanden wertschätzen, ihm Ehrerbietung erweisen. So bedeutete etwa im monolatrischen Judentum des Alten Testaments an Jahwe zu glauben, dass man ihn, im Unterschied zu einer Reihe anderer, eigener und fremder Götter, zu respektieren hatte. Der Respekt den heutige Zeitgenossen dem Islam entgegenbringen ist also auch in diesem „monolatrischen“ Sinn ein Glaube. 

Während der idealtypische monolatrische Jude an die Existenz der Astarte glaubte, ihr zugleich aber den Glauben im Sinne des Respektierens verweigerte (Respekt brachte er einzig Jahwe entgegen), glaubt der weltoffene Zeitgenosse, der „den Islam“ respektiert, nicht an die Existenz Allahs14, weil er möglicherweise an überhaupt keinen Gott glaubt. Auch glaubt er nicht daran, dass Mohammad der Gesandte dieses für ihn nicht existenten Gottes sei. Andererseits glaubt er, im Sinne des Respektierens, sehr wohl an den Islam: Hält er diesen doch für ein "gutes Objekt", dem Wertschätzung – und Ehre gebührt. 

Der aufgeklärte, demokratisch gesinnte, „den Islam“ respektierende Zeitgenosse glaubt bei genauerer Betrachtung nur an das Gute in der Demokratie, der Aufklärung, der Moderne – keineswegs an das Gute glaubt im „Islam“. Den Islam hält er nur dann für gut, wenn der Islam seinerseits seine „eigenen“ Werte als demokratischen, aufgeklärten, modernen Zeitgenossen respektiert. 

Der weltoffene, demokratisch gesinnte Zeitgenosse, der den Islam respektieren will, hat einen Glaubenswunsch: Den Wunsch, an das Gute im Islam glauben zu können. ... Der Glaubenswunsch jener modernen, „den Islam“ respektierenden Zeitgenossen, ihr dringender Wunsch, an das Vorhandensein von Reichtum und Fülle „im Islam“ zu glauben, resultiert aus einem Gefühl des Mangels – anders gesagt, aus einem Unbehagen an der „eigenen“ Kultur. „Unbehagen an der eigenen Kultur“ können wir auch durch „Unbehagen an der Zivilisation“, „der Moderne“ – oder „am Kapitalismus“ ersetzen.

Unbehagen an der Zivilisation, der Moderne oder am Kapitalismus als Motive hinter dem Wunsch, an das Gute im „Islam“ glauben zu können, konfrontiert uns allerdings mit einer weiteren Absurdität: Als Gegenentwurf gegen Zivilisation, Moderne oder Kapitalismus kommt „der Islam“ nicht in Frage. Zum einen sind Gesellschaften mit islamischer Bevölkerungsmehrheit nicht „unzivilisiert“. Zum anderen sind sie weder von der Moderne verschont geblieben – noch vom Kapitalismus. 

Robert Pfaller unterscheidet in Anlehnung an den französischen Psychoanalytiker Octave Manoni zwei Existenzformen des Glaubens: Bekenntnis(glaube) (foi) und Aberglaube (croyance). Im Falle des Bekenntnisglaubens identifiziert sich das Subjekt selbst mit bestimmten (Glaubens)-inhalten, und bezieht aus dieser Identifikation mit seinem Glauben Selbstachtung« (nach Maani). 

Zum Glauben im Islam (Thesen nach Azmayesh im Oktober 2016 in Hannover bei einem Vortrag ): »Es muss konzediert werden, dass der Koran den Anspruch erhebt, geistige Dimensionen zu öffnen, die wir Europäer heute kaum nachvollziehen können. Es soll ein Weg erfolgen vom »Herzen zum Gehirn«, (from heart to mind). Dann entsteht die Gewissheit (conviction). IMAM bedeutet; »quitesnes in heart«. Ein Äquivalent wäre die »Gewissheit im Glauben«. Glaube ist der erste Schritt, IMAM ist dann der zweite. In muslimischer Sicht soll man über »Moses« nachdenken. Im tiefem Nachdenken besteht sein tiefer Wert. Moses war ein Meister und Lehrer. Propheten sind Lehrer des mystischen Weges. Man muss die Methoden lernen, so Azmayesh. Wesentlich ist für ihn, dass man die Methoden in der Schrift erlernt und erkennt. Für ihn bedeutet der Koran eine Reflexion und Neu-Deutung.

14 „Allah“ ist das arabische Wort für Gott, das auch von arabischen Christen verwendet wird.

4.3 Zur Glaubensentwicklung 

In den griechischen und (damit identisch) römischen Göttervorstellungen15 hatte der Universalgott keinen Platz. Er war eine Konkurrenz zur Herrschaftsausübung. Deshalb ergab sich das zunehmende Bestreben der sich nach Jesus Christus bekennenden Menschen, den Zugang zur römischen Zentralmacht zu bekommen. Die (christliche) Religion befand sich nun in Abgrenzung und Gegensatz von der als heidnisch abqualifizierten vor allem griechischen Denkweise, also auch der Philosophie. 

Im 4. Jahrhundert n.u.Z. wurde dann das Christentum faktisch zur Staatsreligion im Römischen Reich und hat seine Unschuld – wohl für alle Zeiten – verloren. Seine wesentliche Funktion war (bis heute in vielen Ländern) die Garantie der jeweiligen Herrschaft und Stabilisierung gesellschaftlicher Machtverhältnisse. 

Die frühere Rolle der griechischen und römischen Priester und Priesterinnen hatten nun die christlichen Priester und die jetzt aufgebaute Priesterhierarchie inne. Jorge Mario Bergoglio SJ, der gegenwärtig in Rom agiert und repräsentiert, ist als der oberste amtierende Bischof (von Rom) definiert und wird von seinen Anhängern als Heiliger Vater tituliert. Dieses erfolgt in der durchaus als für andere Menschen sehr fragwürdig zu bezeichnenden Ideologie eines Stellvertreter Gottes auf Erden. Protestanten würden – wenn überhaupt – die Bezeichnung Stellvertreter Christi zugestehen. Papst Franziskus erfährt eine hohe Wertschätzung in der Welt. 

Daraus resultieren für sich in gewisser Distanz befindliche für Nichtkatholiken kaum nachvollziehbare symbolische Handlungen wie das Handauflegen als Ausdruck für die Weitergabe des Bischofsamtes in Verbindung mit der Ableitung auf Petrus. Völlig ausgeblendet wird die Besetzung der Bischofsämter bzw. des Hohen Klerus mit Angehörigen der jeweils herrschenden Schicht, dem Adel und der wohlhabenden Familien des jeweiligen Landes, insbesondere in Italien. Die Rekrutierung der unteren Priesterschaft erfolgte unter den Jungen ärmerer Schichten. Eine legitime Reproduktion wurde dadurch unterbunden und langfristig verhindert. Besonders deutlich werden die Zusammenhänge bei der Kooptation der Kardinalsämter. Dass bei all dem in der jahrhundertelangen Geschichte der Römischen Kirche Geldsummen oder Dotationen eine Rolle gespielt haben ist nicht strittig. Wesentlich ist dabei, dass ein eindeutiger Bezug zu Macht und Herrschaft im religiösen wie im weltlichen Sinne bestanden hat. Eine andere Frage ist die Einführung des Zölibates im 12. Jahrhundert. Sie hatte in der beginnenden Phase der Abwehrkämpfe der römischen Kirche wesentlich die Funktion von Sublimierung. Ein Grundsatz war immer als – Voraussetzung und Folge – die Loyalität zur Kirche und zur Unterwerfung der Angehörigen u.a. durch das Prinzip des Gehorsams. 

Ein Begriff, der zwischen protestantischer Theologie und katholischem Glaubensverständnis unterschiedlich zugeordnet wird ist: heilig bzw. die heilige Person. Im Protestantismus wird der Begriff sehr sparsam verwendet. In lutherischer und reformierter Lesart nur z. B. betr. der Heiligen Schrift oder der Heiligen christlichen Kirche. Im Katholizismus ist er deutlich stärker verankert. Er ist im Volksglauben eine schöne Tradition geworden. Die Bedeutung dieses Begriffes, der Personen mit besonderen Verdiensten hervorhebt und nur bei "bezeugten Wundern" nach zuvor verliehener Seligsprechung posthum verliehen wird, hat damit in den diversen Konfessionen und Traditionen eine unterschiedliche Konnotation. Es ist nicht zu verhehlen, dass sich viele Protestanten mit der katholischen Diktion schwer tun.

Man kann durchaus aufgrund der vielfältigen historischen Erfahrungen die These vertreten, dass Ideologien von ihren Trägern schon nach wenigen Generationen pervertiert werden. Das kann man an den Gemeinschaftsideologien (-lehren) vom Christentum, Islam bis zum Kommunismus nachweisen wie auch den nationalen und anderen sozialen, freiheitlichen und religiösen Bewegungen. 

Man kann den Islam nicht losgelöst von einer Entwicklung betrachten, die im engen ideologischen wie räumlichen Kontext zur kirchlich-christlichen Situation im Abendland steht. Der Islam ist im heute grob umrissen als Arabien (ursprünglicher arabischer und angrenzender Sprachraum; Aramäer u.a.) bezeichnetem Gebiet entstanden. Es war nicht nur die unmittelbare Nachbarschaft zum oströmischen (christlichen) Imperium [Byzanz]. Es war mehr. Die Geschichte dieses Mohammed (Muhammad) ist recht gut beschrieben. Inwieweit sie von Zeitgenossen und Nachfolgern manipuliert, verfälscht, uminterpretiert oder glorifiziert wurde, bleibt strittig. 

Wesentlich ist: Mohammed war ein Kaufmann, Kriegsherr und Potentat. Und was für die Entstehung, Zusammenstellung, Kolportierung des Korans wichtig ist: Er war zweifellos sehr intelligent. Nach heutiger Einschätzung könnte man ihn auch als großen Intellektuellen bezeichnen. Er verfügte über das Wissen der damaligen Zeit (7. Jahrhundert). Aber woher bezog er es? Auch das gilt als gesichert. Im Raum seines Stammesgebietes (Medina und Umgebung) lebten viele jüdische Emigranten, die einige Jahrhunderte zuvor dorthin gezogen waren. Unter ihnen befanden sich viele Intellektuelle ("Schriftgelehrte"). Sie waren es, die über das Wissen der damaligen Zeit verfügten. Zu ihnen gehörten auch christliche Gelehrte. Diese waren die Nachkommen der eingewanderten Juden aus Palästina nach der Vertreibung, die sich zu Jesus Christus bekannt hatten.Von ihnen allen bezog er die Weisheiten, hörte die Legenden, Geschichten aus den Schriften, die wir als Thora und AT bzw. NT bezeichnen. Er hat vieles neu formuliert, umgeschrieben, umgedeutet und neu gedacht. Insofern ist ein gesellschaftliches Regelsystem für die Menschen der damaligen Zeit entstanden in dem Gebiet, in dem Mohammed lebte und wirkte. Der Koran grenzt sich insofern von der Bibel ab, die im engeren Sinne ein religiöses Werk darstellt. Der Koran enthält darüber hinaus klar definierte gesellschaftliche Regeln. 

Man darf nicht übersehen: In diesen Regionen gab es bis Dato feudalistische und damit ungeregelte Strukturen von Willkürherrschaft mit entsprechender Praxis. Alles war noch sehr fern von geschlossenen Gesellschafts- oder Rechtssystemen. Insofern bedeuteten der Koran und die Hadithen vor nunmehr fast 1400 Jahren einen gesellschaftlichen Modernisierungsschub. Das 7. Jahrhundert n. Chr. war durch die damalige Nachbarregion durch archaische, also "rückwärtsgewandte" byzantinische Denk- und Handlungsweisen gekennzeichnet in einer rigiden autokratischen und feudalistischen Herrschaft. Dieses alles selbstverständlich auf der Basis des damaligen oströmischen Christentums (der späteren Orthodoxie). Das Europa nördlich der Alpen befand sich im finstersten Mittelalter, d.h. ohne jegliches modernes Regelsystem! 

Von Bedeutung für die Einschätzung des Koran ist, dass er in zwei Zeitabschnitten und an zwei Orten (Mekka/Medina) entstanden ist, in einer relativ friedlichen Zeit und andererseits in einer mit kriegerischen Auseinandersetzungen. Die neuere Forschung befasst sich mit der Frage, inwieweit Texte nach dem Tode Mohammeds hinzugefügt wurden. Das ist aber strittig. Es gibt Thesen, die auf sprachwissenschaftlichen Studien beruhen und die an Hand spezifischer Formulierungen, z.B. jemenitischer Dialekte, nachweisen wollen, dass das erfolgte. Es wäre nichts Neues. Für das AT (die Thora) gelten große Zeiträume und unbekannte Autoren; beim NT gab es einen wohl 300 Jahre dauernden Prozess der Diskussion und des Streites darüber, was da nun hineingehöre. Entscheidend ist, was man weggelassen hat und wer letztlich die Oberhoheit über die Definitionsgewalt hatte und wie diese stringent weitergeleitet werden kann. In den Archiven des Vatikan soll noch eine große Menge Verborgenes lagern. Es ist zu hoffen, dass es diesbezüglich erfolgreiche "Hacker" geben wird. 

Es werden immer wieder in den Medien Stellen des Koran zitiert, die in sich widersprüchlich sind oder zumindest als solche interpretiert werden können. Auf der einen Seite wird die friedensstiftende und auf Toleranz zielende Intention Mohammeds betont. Andererseits gelten die auf Gewaltausübung, Krieg und Eroberung angelegten Aussagen. Man kann davon ausgehen, dass ganze Suren in sich widersprüchlich seien. Das wird einerseits verbunden mit den unterschiedlichen Phasen der Entstehung des Koran. Er ist eben nicht "Seite für Seite und Kapitel für Kapitel" in einem aufbauenden Kontext und in sich stringenter Logik geschrieben worden. Dieses obwohl Mohammed als der alleinige Verfasser angesehen wird, was weitgehend als gesichert gilt. 

Missbrauch und Missverständnisse sollen daraus resultieren, dass Mohammed Dialoge geführt hat. Aussagen von Fragestellern, die in den Suren enthalten sind, die er mit eigenen Worten kritisiert, werden aber nicht als solche interpretiert und gedeutet, sondern ihm als originäre Aussagen zugeordnet. Daraus lassen sich mögliche Widersprüche ableiten und erklären. Demagogen benutzen dann missbräuchlich die aggressiven Formulierungen. 

Entsprechendes über die Dimensionen von Deutung und Auslegung der Thora, des AT/NT sowie des Koran können hier nicht erfolgen. Es liegt durchaus nahe, bissig-ironische Gedanken zu erwähnen: Wenn man drei Theologen nach ihrer Meinung betreffend einer Auslegung fragt – so dazu der Volksmund –, dann bekommt man mindestens vier verschiedene Antworten.

Man muss in diesem Zusammenhang beachten, dass sich die heiligen Schriften in sehr langen Zeiträumen aus einer Vielzahl von Mythen, Legenden, Vorstellungsweisen herausgebildet haben, und zusammengestellt worden sind. Im Koran ist es die Basis der Sammlung von Erzählungen, die von unzähligen Generationen von Wissenden der Vorgängerreligionen jeweils neu erzählt, reproduziert und weitergereicht worden sind. 

Angesichts der Komplexität, Inkohärenz und auch partieller Widersprüchlichkeit muss es logischerweise zu einer Palette von Sichtweisen in den unterschiedlichen Gesellschaften und Sprachgruppen führen. Hinzu kommt, dass im europäischen Kulturraum im Laufe der Zeit mehrfach an die jeweils modernen Sprachregelungen angepasste Bibel-Übersetzungen angefertigt wurden. Sehr problematisch soll der auf englischsprachiger Basis angefertigte Übersetzungstext der Bibel der Jehovas Zeugen sein. 

Aber es gibt bei den Körperschaften öffentlichen Rechts, also den etablierten Kirchen, auch Lichtblicke: So wurden in den vergangenen Jahrzehnten seitens einiger Theologinnen Ansätze feministischer Theologie in der evangelischen Kirche entwickelt. In der katholischen Kirche ist die damals bahnbrechende Theologie der Befreiung in Lateinamerika formuliert worden, auch wenn diese auf den erklärten Unwillen der konservativ-doktrinären Fraktionen im Vatikan traf. 

Man sagt, dass die Suren nach der "Zeilenlänge" aneinander gereiht worden seien. Das könnte aber auch eine von "nicht so wohl meinenden" christlichen Kreisen in die Welt gesetzte Legende sein. Andererseits betonen manche Mohammedaner, wie man sie bis vor wenigen Jahren im deutschsprachigen Raum nannte (anderswo immer noch), dass es auf dem Konzil in Nizäa, wo beschlossen wurde, was in das NT hinein genommen werden solle, es einen Windstoß gegeben habe. Beim Einsammeln der Blätter habe man dann nur die genommen, die nicht hinweg geweht worden waren; dieses als "göttlichen Fingerzeig". Man sieht, Legenden wurden schon immer aufgrund bestimmter Intentionen gebildet und hatten oftmals eine unfreundliche, wenn nicht gar destruktive Funktion. 

Einen Islam-Experten der Vereinigung KARAMAT [H.G.] hat der Verfasser gebeten, zur Frage Stellung zu nehmen, ob es für den Islam zutrifft, dass man mehrere Auslegungen für den Koran haben darf. Über die Problematik von Deutung, Interpretation und Auslegung des Koran hat er Folgendes geschrieben: Zu Ihrer Frage: »... wie sagt man so schön, "es kommt darauf an...". Da es bekanntlich im Islam keinen Papst gibt und viele Meinungen darüber herrschen, liegt die Antwort darauf nicht auf der Hand. 

Wenn wir davon ausgehen, dass der Koran ein hermeneutisch geschriebenes Buch ist, so bedeutet dies, dass es mehrere Bedeutungsebenen gibt. Daraus erfolgt die erste Unterscheidung: es gibt Verse, die eindeutig sind, also Verse, die nur zu deuten sind, wenn man über Kontext-Wissen verfügt und sich mit der Zeit Mohammeds beschäftigt hat und Verse, die nur für jemanden zu verstehen sind, der eine lange geistige Schulung durchlaufen hat, um intuitiv den tieferen Sinn zu erfassen, sowie schließlich Verse, die nur dem Offenbarer (Gott) selbst verständlich sind. 

Weiterhin lässt sich unterscheiden, ob jemand von (spezifizierten) Interessen getrieben den Koran auslegt oder ohne persönliche Absichten (lauteren Herzens) an die Sache heran geht. Aus der Perspektive einiger Muslime darf jeder eine Meinung zu den Versen im Koran haben und sie auch vertreten, aber er sollte deutlich machen, dass es seine Meinung ist oder eine persönliche Interpretation. Das bedeutet, es kommt z.B. darauf an, welcher Vers aus welcher konkreten Situation im 7. Jahrhundert inspiriert ist usw, usf. ... . 

Was die Auslegungen anbelangt, so gibt es dann einige Verse, die absolut und ewig zu verstehen sind, da es sich um natürliche oder geistige Prinzipien handelt und Verse, die als dynamisches Element zu verstehen sind. Das bedeutet, dass sie als eine Art Beginn einer Weiterentwicklung aufzufassen sind. Hier sind dann natürlich Auslegungen möglich, die von der Gesinnung eines Menschen abhängen. Die Palette reicht von einer offenen, toleranten Gesellschaft bis zu rückwärtsgewandten Kopien einer Stammesgesellschaft, die keine weitere Entwicklung zulassen will.« 

Ein Einschub zur Illustration: Zu religiösen Vorschriften wie z.B. den sonntäglichen Kirchenbesuch in der deutschen Gesellschaft sei ein Beispiel aus der Hannoverschen Ev. Luth. Landeskirche erwähnt, die in früheren Zeiten als stockkonservativ galt: Meine Großmutter Sophie [gest. 1964] erzählte mir als Kind, dass sie zusammen mit anderen Dorfbewohnern aus Northen, jetzt ein Ortseil von Gehrden, in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg jeden Sonntag über den Benther Berg ca. 5 Km nach Ronnenberg zur Kirche gehen "mussten". Die Frauen hatten ihr Strickzeug dabei und strickten während des Hinwegs und zurück im Gehen z. B. Wollsocken. 

Die Dimension für den Ausdruck "müssen" kann man nur verstehen, wenn man ihn aus dem Plattdeutschen [Niederdeutschen] der heutigen Region Hannover ableitet.16 Das "Wi mött datt und datt daun - wir müssen dieses und jenes tun" hat eine andere Konnotation als im Hochdeutschen. Es klingt bei Weitem nicht so "befehlshaft-preußisch". Es vermittelt zwar auch einen Anspruch auf eine Verbindlichkeit. Diese drückt aber eher eine gewisse Selbstverständlichkeit in den Verhaltensweisen der Dorfbevölkerung aus. Charakteristisch ist, dass staatliche wie auch kirchliche (religiöse) Regelungen und Handlungsanweisungen nicht hinterfragt werden können und dürfen.

Eine subtile Form psychischer Macht wird von Menschen berichtet, die diese in ihrer Kindheit in einer "katholischen Gegend" erfahren haben, z.B. in sich als Diaspora begreifenden Dörfern im östlichen Westphalen oder dem Sauerland. Dort wurden in den fünfziger Jahren Schulkinder morgens noch vor der Schule ohne Frühstück in die Kirche geschickt um dort Gebete zu verrichten. Dieses geschah unreflektiert der Tradition entsprechend. Noch heute leiden sich an diese Torturen erinnernde Frauen und Männer rückblickend daran. Aber wem sollen sie im Nachhinein darüber einen Vorwurf machen? Die Mütter und Großmütter haben ebenfalls darunter gelitten. Generationen von ihnen wurden diesen und anderen ritualisierten Zwängen unterworfen. Inwieweit die katholische Kirche die daraus in der jeweiligen Kindheit entstandenen Aversionen überhaupt zur Kenntnis genommen und verarbeitet hat sowie gegebenenfalls die Absatzbewegungen von der Kirche einschließlich der steigenden Austritte am Ende des 20. Jahrhunderts, ist zu bezweifeln 

Es handelt sich um individuell nicht bewusst wahrgenommene oder gar in der jeweiligen Gegenwart reflektierte verinnerlichte Gruppenzwänge. Es schließt sich die Frage an, warum die Bevölkerung dazu nicht in der Lage ist ein System von Gruppenzwängen zu erkennen und wer die Chancen auf Durchdringung der Problematik verhindert. 

Seit den zwanziger Jahren sind diese ritualisierten religiösen bzw. kirchlichen Praktiken den Erfordernissen der Industriegesellschaft gewichen. Heute ist es die Moderne oder die Post-Moderne, die ihren Tribut fordert. Zweifellos hat die Demokratisierung am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eine wichtige Funktion gehabt. Sie ist im Laufe der Zeit kritik- und kommentarlos verinnerlicht worden. Man kann es mit allgemeinen Formulierungen vergleichen wie: "Es ist nicht üblich", oder "es gehört sich nicht", "man tut oder darf das nicht." Eine besondere Rolle hat dabei die schulische Sozialisation bewirkt, in der die religiöse Erziehung wesentlich beigetragen hat. So gab es bis in die zwanziger Jahre hinein noch die kirchliche Unterweisung am Sonntagnachmittag. Den frommen Protestantismus einiger Regionen, auch in Deutschland (Pietismus), gibt es ebenfalls nicht mehr. 

In diesem Beispiel aus der eigenen Gesellschaftsgeschichte soll verdeutlicht werden, dass ritualisierte Verhaltensweisen nicht nur in islamisch geprägten Gesellschaften, sondern auch in katholischen oder orthodox geprägten und denen der verschiedenen protestantischen Glaubensvarianten vorhanden sind. Es handelt sich also auch darum, strukturelle Zwänge zu verdeutlichen. Es soll aber keinesfalls der Gottesglaube von Anhängern monotheistischer Glaubensrichtungen, von Mitgliedern ihrer Religionen und Konfessionen etc. in Frage gestellt oder gar diskreditiert werden. Dies widerspräche der Überzeugung des Verfassers. 

Betreffend Unterdrückung und Benachteiligung der Frauen sei auf Folgendes hingewiesen: Frauen wurden im Islam als Gläubige gleichgestellt. Sie lebten unter günstigeren Rahmenbedingungen als Frauen der benachbarten Ethnien bzw. der noch überwiegend nomadischen Gesellschaften in ihren tribalen Strukturen und deren vormonotheistischen Glaubensrichtungen.17 Frauenrechtlerinnen kämpfen in Saudi-Arabien seit Jahren gegen ihre Benachteiligung in der Gesellschaft und die Bevormundung durch ihre Männer. Konkret handelt es sich um die Konzepte des Quiwama Wilayah.18 

Ein Problem ergibt sich im Zusammenhang mit der geplanten Einrichtung von islamisch-theologischen Lehrstühlen an deutschen Universitäten. Sie werden sicherlich den Diskurs zwischen den islamischen und den christlichen Religionsgemeinschaften ergänzen können. Viel sinnvoller wäre aber die Förderung der Ausbildung von Religionskunde- Lehrern durch z.B. islamwissenschaftliche Abteilungen an den religionswissenschaftlichen Instituten der Universitäten. Dadurch würde vermieden, dass wissenschaftsfremde Disziplinen im Fächerkanon der Universitäten eingerichtet werden, und der Einfluss der Religionen perpetuiert wird.19 Letztere sind wissens- bzw. wissenschaftssoziologisch durchaus interessant. Ihnen wird aber keine Bedeutung für den Wissenschaftsbetrieb an den deutschen Hochschulen und für die Wissenschaft insgesamt zugemessen; so die allgemeine Einschätzung im Universitätsbetrieb. Die Religionswissenschaft dient wesentlich den innerdisziplinären theologischen Betrachtungen bzw. den Beschäftigungen mit ihren Schriften und den sich in den Traditionen entwickelten Lehrmeinungen sowie deren Aufbau und den entsprechenden Verzweigungen in den entsprechenden Fakultäten und Abteilungen. Sie hat also im Wesentlichen eine Funktion im geistigen bzw. geistlichen Betrieb der Religionsgemeinschaften und ihren Ausbildungsstätten. 

Man muss unterscheiden zwischen Religion als einer geistigen Entität, einem mehr oder weniger geschlossenen System in ihrer inneren Vielfalt einschließlich ihrer historischen und gesellschaftlich-ökonomischen Wurzeln. Weiterhin gibt es die Religionsausübung in vielfältiger Weise in den jeweiligen unterschiedlichen Untergruppen. Zu beobachten ist die regional unterschiedlich ausgeprägte Religiosität, auch in den Facetten von Volksfrömmigkeit in den diversen Ethnien.

In der öffentlichen Diskussion, zumal bei wenig qualifizierten, dafür aber mehr oder weniger prominenten Diskussionsteilnehmern von Talk-Shows wird leider zu oft pauschalisiert. Diese beruht in der Regel auf Unkenntnis oder Ignoranz in der Wahrnehmung.

15 Die Götterwelt, entstanden aus den Vorstellungen der Menschen im Altertum, war ein getreues Abbild der Hierarchien bzw. der Oberschicht der damaligen Gesellschaft.

16 Das Calenberger Platt ist ein zum Ostfälischen gehörendes Idiom. Ich[L.N.] habe es in meiner Familie noch lange in meiner Kindheit vernommen. Es wird (wurde) im Raum Osnabrück, Hannover bis Braunschweig gesprochen. Eine Schriftsprache wurde nie entwickelt, die über einige anekdotische Erzählungen hinausging.

17 18 19vgl.: Noth, Albrecht, In: Haarmann, Maria (Hg.): Der Islam, S. 33.

Vgl.: „Hälfte der Gesellschaft ist gelähmt.“ Ariza al-Yusssef kämpft für Frauenrechte in Saudi-Arabien. HAZ Nr. 229 v. 29.09.2016.
s. Der Spiegel, 39/2016, S. 136. Zur Gefahr, dass Salafisten in deutschen Haftanstalten als Hassprediger tätig werden, ebenda, s. S. 135.

5. Religion und Schuld? 

Es bleibt als nahezu unlösbare Frage, die aber immer wieder Beklemmung auslöst: Haben Christentum und Islam als Glaubensideologie historische Schuld auf sich geladen? Als Glaubenslehre für die eigene Gruppe und Ethnie20 gilt das wohl weniger. Als Legitimationsideologie von Herrschaftsansprüchen und Unterdrückung, Versklavung ganzer Völker bis hin zu Genoziden ist es in erheblichem Maße der Fall. Das katholische Spanien (die allerkatholischste Majestät Isabella von Kastilien und Nachfolger) hat Süd-und Mittelamerika ausplündern und Menschen umbringen lassen. Selbstverständlich alles im Namen Christi. Und die Pfaffen und Mönche kamen zurück mit den Berichten von "bekehrten Heiden und all den Ungläubigen." Mord, Totschlag, Quälereien, sexuelle Gewalt, ausgeübt von Männern in Uniformen oder Kutten, wurden tabuisiert. Dieses Tabu gilt in der Kirchengeschichte weitgehend bis heute. 

So wichtig eine Seelsorge bei Kriegshandlungen sein mag, die Beweislage ist schwierig. Der zweite Aspekt, die Legitimierung der jeweiligen Kriegspartei und deren Handeln im Töten, Rauben und Zerstören, jeweils mit Bezug zu Gott (Allah), bleibt in der Regel ebenfalls ein Tabu. Auch dieses wäre als ein Bestandteil des Themas »Religion und Gewalt« zu diskutieren. 

Lebensräume wurden besetzt und ausgeraubt. Die Bevölkerung wurde durch gezielte Tötungsvorgänge und Krankheiten dezimiert oder vertrieben, wie z.B. die Cherokee aus ihrem von Georg III. garantierten Gebiet, in dem es Siedlern nicht erlaubt war, einzudringen. Nach der Unabhängigkeit der Staaten von England wurde dieses Gebiet gezielt besiedelt und die »Nativs« (damals in Europa »Indianer« genannt) in weit entfernte Gebiete auf Hunger- und Todesmärschen vertrieben. Man hat der indigenen Bevölkerung das Menschsein abgesprochen, dieses alles mit dem Segen der Kirche. Heute gibt es in dem Bundesstaat Indiana sowie in den Blue Rich Mountains Gedenkstätten von zurückgekehrten Angehörigen dieser Stämme. Die Angehörigen der US-amerikanischen Administration, wie auch die damaligen Siedler, waren zweifellos allesamt fleißige Besucher der Gottesdienste. 

Das gleiche Strickmuster gibt es bei der arabisch-muslimischen Expansion in Nordafrika und Richtung Osten nach Asien. Man hat die Menschen zum Islam bekehrt mit der scheinbaren Frage, "ob sie den Kopf auf dem Rumpf behalten wollten" – wenn man denn überhaupt fragte! Wie viele Köpfe als Wirkung der Damaszener-Klingen, den Krummschwertern, in den Sand gerollt sind, wurde nie dokumentiert. Allgemein wurden die Täter später in der Heimat als Helden gefeiert und belohnt. Eroberung, Plünderung, Tötungsvorgänge – dieses alles geschah im Namen Allahs, des Allbarmherzigen, des Allmächtigen.21 Täter sind immer handelnde Menschen – niemals die in Schriftrollen oder durch bedrucktes Papier transponierten Glaubenslehren. Dies ist grundsätzlich zu beachten, wenn von Religion die Rede ist. 

Die Juden wollten in dem Raum, in den sie emigriert waren (östliches, südliches und nördliches Mittelmeer, später dann nach West- Mittel- und Osteuropa), friedlich existieren und als Volk überleben. Bei ihnen handelte geht es sich wesentlich um den Schutz und den Erhalt der eigenen Gruppe, verbunden mit der Garantie zur Fortführung ihrer religiösen und kulturellen Identität. Sie wirkten (als Minderheit) durch ihr Wissen, ihre Kenntnisse und Fertigkeiten in den aufnehmenden Gesellschaften positiv. Der Antisemitismus, ideologisch fußend auf dem Antijudaismus des Christentums, ist das Ergebnis von Neid und Missgunst gegenüber den erfolgreichen Zugewanderten, den Tüchtigen. Der etablierte (christliche) Nachbar trachtete nach dem Besitz des jüdischen! Daraus resultierten Mord, Totschlag, Beraubung und spätere Vertreibung, verbunden mit spezifischen Diskriminierungsmaßnahmen. Und dieses geschah überall in Europa. 

Der Islam hatte die Funktion einer jeweiligen Staatsreligion. In einigen Herrschaftsbereichen, vor allem in der Anfangsphase dieser Religion, wurde (religiöse) Toleranz geübt (Cordoba, Alexandria). Diese Praxis erfolgte damals in höherem Maße als unter vergleichbaren christlichen Herrschern. Dieses ist als historische Tatsache anzuerkennen. Fest steht aber auch, dass die Geschichte der islamischen Staaten damals von einem kontinuierlichen intellektuellen Verfall geprägt war.

Ein positives Beispiel für historische Beziehungen zwischen dem Islam und dem christlichen Europa ist die Situation unter der Herrschaft des Staufers Kaiser Friedrich II. in Süditalien im 14. Jahrhundert. Die bewusste Duldung der muslimischen Wissenschaftler, die damals führend waren in den Bereichen Medizin, Astronomie etc., wurde durch eine eifersüchtige katholische Kirche gegenüber der konkurrierenden Glaubenslehre bekämpft. Die Folge war, dass man die islamischen Gelehrten aus Sizilien heraus drängte und damit auch die arabische Wissenschaft. Deren Schriften in arabischer Sprache wurden in christlichen Klöstern gelagert und später übersetzt und gelesen. Die Urheber und Autoren wurden später verschwiegen. 

In den christlichen Staaten hat sich in Folge der "Domestizierung" der Religion ab 1500 ein beispielloser wissenschaftlich- kultureller Aufstieg vollzogen. So soll z.B. das Avicenna-Studienwerk die heutigen deutschen Moslems auf die positive intellektuelle Tradition des Islam zurückführen, als Wissenschaftler wie Avicenna noch genauso wie später das Europa der Renaissance aus antiken griechischen geistigen Wurzeln schöpften.22 Es kann als eine Tatsache gelten, dass heute die Menschen in den christlichen Staaten toleranter gegenüber anderen Religionen stehen als die in den islamischen. 

Traditionelle Mythen werden reproduziert, sie "leben weiter": »Gott hat uns dieses gelobte Land, wo Milch und Honig fließt, gegeben.« Die US-Amerikaner sprechen von »Gods own country – Gottes eigenem Land«. Im modernen Zeitalter hat man die religiöse Legitimation der Landnahme, also der gewaltsamen Eroberung, nach und nach ersetzt durch die kulturelle. Wie sagte doch Wilhelm Zwo, „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!“ Und so hat man den Genozid – erst seit kurzem wird er offiziell als solcher bezeichnet – an den Hereros gerechtfertigt. Bis heute haben sich Briten, Franzosen, Italiener, Belgier und Holländer, aber auch Russen und Japaner, nicht für ihre historischen Schandtaten entschuldigt. Und immer war die jeweilige Religion legitimierend, motivierend und anstachelnd dabei. Beispiele sind Spanien, Portugal, Südamerika, Afrika, die USA-frontiers, Sklaverei u.v.a.m. 

Diejenigen, die ihre Religion als "besser" oder den anderen "überlegen" ansehen oder gar als "heilig" definieren, haben sich aus Machtinteresse, Habgier und Mordlust in der europäischen und orientalischen Geschichte über die religiösen Vorstellungen und Gefühle, die Riten und Gebräuche der in den Regionen Afrikas, Amerikas, Australiens und Asiens lebenden Menschen hinweggesetzt. Sie haben dadurch die Grundsätze von Menschlichkeit nicht nur ignoriert, sondern systematisch verletzt. Dass außerdem Kulturen vernichtet, Lebenspraktiken der dortigen Menschen nachhaltig zerstört wurden, ist ein weiterer weitgehend ungelöster Komplex. 

Im indisch-pakistanischen (hinduistisch-moslemischen) Konflikt wird der Islam seitens der Hindus abgelehnt als eine den Menschen in ihrem Lande vor etwa vierhundert Jahren mit militärischer Gewalt aufgezwungenen Religion. Der Hinduismus leitet seine Identität aus der Einheit vom in der Region lebenden Volk und seiner Religion ab. 

Ein Kernbereich zur Einschätzung der Rolle von Religionen ist die Frage nach der Legitimierung von Herrschaft, verbunden mit einer Stabilisierung weltlicher Macht. Die Religionen erzeugen und bedingen einen Zwang zur Loyalität gegenüber dem jeweiligen Herrscherhaus, den Dynastien. Im deutschen Sprachraum entwickelte sich dazu der Begriff der Treue, ein Ideologem als Diktum, das bis in das 20. Jahrhundert hinein unsägliche Folgewirkungen hatte. Es gibt viele historische Beispiele für den Missbrauch. Ohne die aktive unterstützende und den Nachdruck bewirkende Rolle der Religionen und ihrer Träger wäre es undenkbar gewesen. 

Die Sure 2 kann als stichhaltiges Argument gelten für die Legitimationsfunktion von monotheistischen Religionen.23 In ihr wird ein Streitgespräch zwischen den sieben wichtigsten Engeln und Gott (Allah) wiedergegeben. Der Streit endet mit der Ablehnung des Widersprechenden. Dieser (Iblis, Diabolus) wird als der Illoyale, der Böse, dargestellt. 

In diesem Beispiel wird deutlich, dass die mythische Konstruktion dieses Konfliktes ein Abbild des realen historischen Machtkampfes zwischen einem weltlichen Herrscher, einem Kaiser, König oder anderem Potentaten, Diktator und seinen wichtigsten Fürsten bzw. Ministern oder hochrangigen Heerführern ist. Die erzwungene Loyalität der Mehrheit schließt die Ausgrenzung des letzten, des nicht loyalen aus. Dadurch wird dessen Entmachtung, Verstoßung oder gar Tötung "göttlich" legitimiert. Nicht umsonst wird die Loyalität, die Treue, durch einen Schwur manifestiert. Dieses erfolgt grundsätzlich durch Mitwirkung eines hohen Vertreters der jeweiligen Religion. 

Ein biblischer Vergleich ist: »Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist«. Dadurch wird die jeweilige Herrschaft und Machtausübung, hier bezogen auf die Eintreibung der Steuern als monetäre Machtquelle, die wiederum der Finanzierung physischer Gewaltmittel dient, legitimiert. 

Diese Problematik war in der feudalen Welt gegeben. Sie wurde in den neokapitalistisch überformten Regionen (Arabien, Iran), nicht geringer. Und es gibt die Wechselbeziehung zu den jeweiligen Fraktionen der Religionen. Die vorgebliche

Bestimmung der Religionen, der Bezug auf die Schriften sowie die und Religionspraxis im engeren Sinne können in diesem Kontext als Alibi-Funktion eingeordnet werden.

20  Der Begriff der Ethnie ist insofern nicht tragend, als sich die Gesellschaften des Vorderen Orients, insbesondere in den im 20. Jahrhundert gebildeten Staaten [Irak, Jordanien, Libanon und Syrien] in einem nicht abgeschlossenen Prozess der Ethnifizierung befinden. Von einem Prozess der nation building zu sprechen ist ebenfalls nicht möglich.

21  In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass es den Begriff barmherzig bzw. Barmherzigkeit weder in der Umgangssprache noch in der gesprochenen oder geschriebenen deutschen Hochsprache gibt. Die Formulierung ist ausschließlich Bestandteil von traditionellen historischen Schreibweisen und der theologischen "Insider-Sprache", die die seltener gewordenen Kirchgänger zu Gehör bekommen. Die Sprachregelungen erfolgen dort nicht in Konnotationen zur Realgesellschaft. Damit haben sie die Funktion sich wiederholender Floskeln – zumindest werden sie oftmals als solche wahrgenommen.

22 Der Alchemist Avicenna ist auch bekannt als Ibn Sina; Avicenna ist übrigens auch eine der zentralen Figuren im Roman und Film „Der Medicus“ von Noah Gordon. 

23 Sure 2, Verse 30ff.

6. Legenden 

Theologen (jüdische, christliche und muslimische) beschäftigen sich mit der Frage, ob Gott ein strafender, gütiger, barmherziger etc. sei – wie immer man diese Attribute heute definieren möge. Es handelt sich allesamt um "Konstruktionen theologischen Denkens" – oder besser: Sie entstammen den Interpretationen und Deutungen von Theologen aus den von ihnen gelesenen Schriften [Bibel und Koran]. Diese sind sicherlich für die betreffende Klientel, die Gläubigen, interessant. Sie haben gewiss eine intellektuelle Bedeutung im interreligiösen Diskurs, zweifellos auch in der ernsthaften Deutung und Auslegung von Bibel und Koran sowie generell in den angeschlossenen theologischen Seminaren. Für einen Agnostiker ist es eher unerheblich. Wichtig wäre die Frage, welche Wirkung all das auf junge Menschen hat! 

Von Theologen wird oftmals formuliert: »Gott ist strafend, gütig, barmherzig«. Es müsste in der allgemeinen Sprache aber heißen: Es gibt die Vorstellung von einem strafenden, gütigen, barmherzigen Gott. Die immanenten Manipulations- bzw. Indoktrinationsmechanismen müssten aufgezeigt und verdeutlicht werden. Hierin liegt die Gefahr für unaufgeklärte Menschen. Manche Theologen sind offensichtlich "gehemmt" bzw. bedingt durch ihren Bezug zum Glauben sowie das Amtsverständnis emotional gehindert, eine distanzierte Sprache zu verwenden, eine Sprachregelung, die einem allgemeinem Duktus entspricht. 

Zum Entstehen des KORAN gibt es die traditionelle Legenden-Konstruktion und damit verbunden zu akzeptierende Glaubensinhalte: Der Erzengel Gabriel hat persönlich dem Propheten Mohammed alles (im Traume) "eingeflüstert" bzw. die Schriften an einem bestimmten Ort übergeben. 

Bei den Jehovas Zeugen, die nicht als Sekte verstanden werden sollte und die sich bis 1931 Bibelforscher genannt haben, ist es ähnlich. Sie haben ihr konstruiertes Glaubensgebäude nach Eingebungen zusammengestellt.24 Ihre Schriften erinnern den kritischen Leser oftmals an "wirres Geschreibsel", das in einem schlechten Englisch in New York produziert und und danach in ein unverständliches Deutsch übersetzt wird. Der Verfasser vermutet, dass dieses eine spezifische Methode ist, die unbedarften Mitglieder dieser Gemeinschaft zu einem von ihnen definierten Wortglauben zu bringen. Es handelt sich also um Formen manipulativer Machtausübung innerhalb der eigenen Gruppe. Es ist nicht auszuschließen, dass dabei erhebliche psychische Gewalt angewendet wird. Ein Zwang besteht auch darin, dass Mitglieder die Broschüren, die sie auf der Straße verteilen, vorher käuflich zu erwerben haben. Es ist eine bekannte Methode bei Sekten, die sich auf diese Weise auf Kosten ihrer Mitglieder bereichern. Auch dieses Verhalten ist eine Form von Gewaltausübung innerhalb einer Religionsgemeinschaft. 

Die Mormonen haben ihr (genauer ihr „Prophet“ Joseph Smith, jr.) Buch Mormon auf goldenen Platten gefunden, so ihre Suggestion. 

Der Prophet Mohammed ist nach Glaubensauffassung der Muslime ebenfalls in den Himmel aufgestiegen. Dieses geschah auf seinem Streitross, das in Jerusalem einen Hufabdruck hinterlassen hat. Es war am gleichen Ort, wo nach christlichem Glauben Jesus in den Himmel gefahren sei. 

Der Vatikan hat übrigens 1951 Maria, die Mutter Gottes (ein katholischer Sprachgebrauch), ebenfalls die Himmelfahrt zuerkannt durch die damals erfolgte Dogmatisierung. Protestanten wissen oftmals nicht, was der 15. August Maria Himmelfahrt für Katholiken bedeutet. In protestantischen Kreisen wird dieser religiöse "Verwaltungsakt" gedeutet als eine gegen Verweltlichung und religiöse Abkehr gerichtete Methode nach den Umbrüchen des Zweiten Weltkrieges unter Pius XII. Dass diese einen Affront gegenüber den beginnenden Ansätzen der Ökumene bedeutete in der damals hoch komplizierten Zeit, ist ein im vorliegenden Zusammenhang nicht zu diskutierendes Phänomen. 

Das entscheidende Problem ist nicht, wie viele besonders hervorragende Menschen nach Glaubensauffassung der jeweiligen Religionsgruppe unserer Erde »in den Himmel gefahren« sind. In einigen Publikationen wurde einmal die Anzahl fünfzig genannt. Das entscheidende Problem ist, inwieweit die jeweilige religiöse Aussage, ihr Glaubensgehalt, von der Mehrheit der Angehörigen der Glaubensgemeinschaft als physischer Vorgang und historisch belegte Tatsache zu verstehen ist und nicht nur als Erscheinung geglaubt zu werden braucht. Und hierin befindet man sich in einer psychosozialen Machtausübung. Und dieses gilt es, sich bewusst zu machen und über die Funktion zu diskutieren. 

Bibel und Koran, wie auch die Schriften asiatischer Religionen und anderer Denkschulen zu lesen, wird immer einen geistigen Wert darstellen und zur kulturellen Identität der Menschheit beitragen. Diese historischen Weisheiten können helfen, fruchtbare Dialoge über dringende Probleme zur Lösung der Katastrophen in der heutigen Epoche der Weltgesellschaft Menschheit beizutragen. Leider sind Missbräuche und Pervertierungen die naheliegenden bedrückenden Phänomene. Konstrukte von Legenden sind allgegenwärtig. Man muss nach der Funktion fragen, nach der Bedeutung in der Zeit des Entstehens sowie den Folgewirkungen. Interessant kann es werden, wenn man einen islamischen Theologen nach der Definition für den Begriff Prophet fragt.

24 Ein offensichtlich höherrangier Vertreter dieser Glaubensrichtung, der sich aber nicht als solcher zu erkennen gab,hat dem Verfasser einmal allen Ernstes auf eine entsprechende Frage geantwortet: Man habe damals in den USA sich die besten Ansätze, Aussagen etc. aus den ihnen zur Verfügung stehenden Religionen herausgesucht und zu einer für ihre Anhänger verbindlichen Lehre gemacht.

7. Herrschaftsansprüche 

Folgende Thesen werden gegenwärtig diskutiert: Der Islam wird von vielen Menschen als eine Ideologie mit globalem Herrschaftsanspruch eingeschätzt, die zur Ausbildung totalitärer Staatsstrukturen neigt. Man denke z.B. an »Islamismus« oder die »Scharia«.25 Auf muslimischer Seite handelt es sich um menschenverachtenden Terrororganisationen die sich unter der Überschrift des Islamismus fassen lassen. 

Wenn Erdogan die Demokratie als Straßenbahn bezeichnet, in die man einsteigen und auch wieder aussteigen kann und zuvor das deutsche Präsidialsystem und Hitler als positives Beispiel einer autoritären Demokratie bezeichnet wird, scheint es sich nicht um die Folge schlechter politischer Beratung zu handeln, sondern um eine gezielte Abschaffung demokratischer Strukturen, wie wir sie in Europa bei der Machtübernahme der italienischen Faschisten und der deutschen Nationalsozialisten schon einmal erlebt haben. Ideologische Basis dürfte dabei die türkische "Staatsreligion" liefern, also kein Nationalsozialismus sondern ein Nationalislamismus, womit beide Bewegungen die Gefahr des Internationalismus zunächst einmal gebannt hätten. 

Das Interesse am Islam wird jedoch angesichts der gegenwärtig sichtbar ausgeprägten und vermutlich auch real erfahrbaren Unsicherheiten zunehmen. Es zeugt auch von Widerstandskräften, gegen die sich immer geschickter einschleichende (Massen-)Dummheit, Aufklärungsträgheit, Konformität und Radikalität der Vereinfachung. Die Situation wird auch nicht leichter durch die Tatsache, dass mit dem Islam bzw. im Namen des Islam viele sehr schlimme Handlungen geschehen wie Selbsttötungsattentate, Genozide (z.B. an den Jeziden), des Weiteren das Wüten der "Kopfabschneiderbande" (wie der IS/Daesh in den arabischen Ländern auch genannt wird) sowie die Bombenattentate. 

Beim IS/Daesh ist die religiöse und ideologische Komponente nicht so stark ausgeprägt wie bei Al-Qaida. Es handelt sich beim Dschihadismus eher um eine Art Gegenkultur. Es geht um ein Protestverhalten, einen Gegenentwurf zur westlichen Gesellschaft. Dafür rekrutiert man junge Leute aus der muslimischen Unterschicht, bevorzugt mit kriminellem Hintergrund. [P.R. Hartmann in: Der Spiegel 42/2016, S.22f] 

Die freie Ausübung einer Religion, die Glaubensfreiheit, ist ein wesentliches Grundrecht, ein international anerkanntes Menschenrecht. Anderseits wäre es eine zentrale Aufgabe der großen Religionsgruppen und ihren Gemeinschaften gemeinsam religiösen Wahn zu bekämpfen, das Böse schlechthin. 

Dieses könnte zumindest mit den ureigenen Mitteln ihrer Religionen geschehen, einer nachhaltigen Ächtung der Täter und Unruhestifter des Diabolus. Beispiele finden sich im arabischen Sprachraum, in Iran oder in Indonesien. 

Dazu gehört die Durchsetzung von Rechtsstaat gegenüber archaischen Pseudo-Rechtsbegriffen. Wenn es nicht gelingt, in Europa genügend vernünftige Lösungen zu finden, werden politischer Extremismus und Demagogie zunehmen. Ein Problem ist auch der Kampf gegen archaische Ehr-Begriffe mit Mitteln des Rechtsstaates und in moderner humaner Weise. 

Neben der Glaubensdimension der Nächstenliebe sind als Umsetzungsziele bei Konflikten als sehr wertvoll und positiv einzuschätzen die Kategorien des Verzeihens, der Vergebung und Versöhnung. Sie gelten als universelle Weisheiten der monotheistisch geprägten Welt und müssen ihren Stellenwert behalten. Ihr Wert muss immer wieder betont werden. Inwieweit Religionen verantwortliches Handeln zugeordnet werden kann, ist sicherlich strittig. Inwieweit dieses seitens ihrer Vertreter und Mitglieder gegenüber anderen Mitgliedern der Gesellschaft erreicht werden kann, ist fraglich. 

Eine weitere zwingend notwendige Kategorie ist die der Toleranz. Sie steht oftmals im Gegensatz zu individuellen oder gruppenspezifischen Interessenlagen. Sie wird in der Geschichte zumeist praktiziert als Duldung anderer Menschen. Dies bedeutet im engen Sinne eine Garantie für das Leben der betreffenden Gruppe mit einem gewissen Grad des Andersseins im Habitus. Vielfach war es kaum mehr als nur ein Versprechen oder unverbindliche temporäre Absichtserklärung der Herrschenden bzw. der über die Macht verfügenden Etablierten in einer Gesellschaft. 

Religionen haben die Menschheit, die Menschen nicht grundsätzlich besser gemacht. Das Reden vom Guten, die Ermahnungen und Drohungen (des Mittelalters) hatten zugleich die Funktion, Macht und Herrschaft zu stabilisieren. Sie machten vorgeblich das Leben erträglicher durch Trost und Heilsversprechungen, durch die propagierte Hoffnung auf die Zukunft: das Jenseits.

25 »Islamismus, Scharia «sind in der aktuellen Diskussion in den Medien vielfältig gegeben; s.auch: Boualem Sansal:»2084«. Roman zur Zukunftsvision eines totalitären Gottesstaates.

8.1 Schule und Konfliktbereiche 

Folgende Überlegungen beruhen auf eigenen Erfahrungen und solchen die von anderen Lehrer_Innen auf Grund von deren mündlichen und schriftlichen Diskursen berichtet werden. Es gibt zunehmend gravierende Probleme für in Schulen Tätige.

Eine Lehrerin berichtete von erheblichen Problemen mit Schülern mit nordafrikanischem Migrationshintergrund, von Aggressionen und bestimmten Verhaltensweisen, die sich vor allem gegen sie als Frau richteten. 

Für Lehrer_innen gilt grundsätzlich, dass es deren erkenntnisleitendes Interesse ist, das Denken und Verhalten der Schüler zu verstehen. Es wird kompliziert, wenn selbst Sek.-II-Schüler ohne jede Nachdenklichkeit betonen, dass die Schriften Mohammeds ewig gültig seien und nicht den modernen Bedingungen angepasst zu werden brauchen. Dies gilt bezüglich der Rolle der Frau und der Bildung. Eine Thematisierung von Gewalt im Zusammenhang mit dem Islam gilt ihnen völlig unkritisch als Rassismus. Dies führt zu irrationalen Verhaltensweisen und Konflikten. Man kann in diesem Zusammenhang die "Erdogan-Türken", die unter den "Deutschtürken" die Mehrheit darstellen, von ihrer politisch-intellektuellen Kultur her als leichte Beute eines inzwischen von einigen Wissenschaftlern und Kommentatoren tendenziell als islamofaschistisch angesehenen Staates sehen. Eingeschlossen ist das staatsrechtliche Phänomen, dass es sich um Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit handelt. 

Ein aktuelles Problem besteht darin, dass Repräsentanten der Türkei bei Besuchen in Deutschland die hier lebenden aus der Türkei stammenden Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit als eigene Landsleute vereinnahmen. Dies geschah beim Besuch des Präsidenten Erdogan. Besonders schwierig wird es, wenn solche Leute auf Massenveranstaltungen ihrem Führer im Chor schwören „für Ihn zu sterben und auf sein Kommando hin zu töten“. Es hat in der Vergangenheit auch massive Proteste (durch Jungtürken und Mili Görus) bei einer Lehrerfortbildung zum Thema Armenocid in Hannover gegeben, wo ein Deutschtürke einem Lehrer gegenüber warnte: „Wenn Sie das (Armenocid) unterrichten, das werden sie schwer bereuen, demnächst sind wir in der Mehrheit.“26 Wer diese Vorgeschichte kennt, wird sich nicht über die Reaktionen des türkischen Staates und der deutschtürkischen Community auf den Beschluss des Bundestages wundern. Provokativ kann durchaus gefragt werden, ob es eigentlich staatsanwaltliche Ermittlungen auch in der Türkei gibt, um die freie Arbeit des Parlamentes zu sichern, unseres höchsten Repräsentanten. Es gab immerhin Morddrohungen und rassistische Beleidigungen, letzteres auch durch Erdogan. Es ist nicht verwunderlich, wenn in der Mehrheitsbevölkerung angesichts z.B. syrischer Zuwanderer (zumeist Sunniten) unser Lebensmodell als attraktiv angesehen wird. Hierzu hat sich der Göttinger Wissenschaftler Bassam Tibi mehrfach geäußert. Tibi gilt als ausgewiesener Experte für den Nahen Osten und den politischen Islam. Seine Thesen sind in der Wissenschaft aber nicht unumstritten. Seine Analysen und exponierten Einschätzungen der aktuellen Situation befinden sich nicht immer im Einklang mit dem Mainstream der politischen Klasse in Deutschland. 

Es bestehen Zweifel, dass große Teile der dritten Generation der Anatolier unsere aufgeklärte Kultur nicht übernimmt. Bei ähnlichem Verhalten der Deutschsyrer könnte tatsächlich die Möglichkeit eines »Kampfes der Kulturen« in Deutschland und EU-Europa drohen. 

Vor einigen Jahren durfte ich [L.N.], in einer 8. Klasse einen Unterricht in Werte und Normen erteilen. Die Schülerinnen und Schüler hatten einen vielfältigen religiösen wie auch einen nicht-religiösen Hintergrund. Zum Rahmenthema Religion sollten sie einen kurzen Aufsatz schreiben darüber, was ihnen Religion bedeute. Eine Schülerin schrieb dazu: Alle Religionen seien wichtig, aber der Islam sei die vollkommenste. Dieses musste nun behutsam benotet werden: Fast alle haben eine gute Note bekommen. Dieser Schülerin schrieb ich als Kommentar unter ihre Arbeit: »Das ist eine interessante Aussage. Mir war bisher nur bekannt, dass sich der Buddhismus als vollkommen bezeichnet.« Das ist zwar fachlich unrichtig, es hat aber einen nachhaltigen Anstoß für sie gegeben mit den anderen Schülerinnen darüber zu sprechen. Ich habe der Schülerin damals auch gesagt, dass das System des Islam in seiner Zeit durchaus von den Anhängern als vollkommen angesehen wurde. Heute würde man den Begriff in der wissenschaftlichen Sicht aber nicht mehr dafür verwenden. 

Das entscheidende Problem liegt darin, dass einige muslimische Schülerinnen und Schüler nachmittags privat organisierten Islam/Koran-Unterricht in einer Moschee-Gemeinde haben. Dieser Unterricht entspricht in keiner Weise den Anforderungen des Unterrichts in unserem Schulsystem. Die Gefahr einer Indoktrination durch Imame etc. ist evident. Das Ziel von Bildung und Erziehung im Öffentlichen Bildungssystem, also von Schulen und Hochschulen, ist immer die Hinführung zu einer Distanzfähigkeit, verbunden mit Toleranz und Empathie gegenüber anderen Menschen. Eine Methode ist das Erlernen von differenziertem Denken. Offenheit und Toleranz gegenüber allen Menschen stehen im Widerspruch zu Indoktrination, Manipulation und vor allem zu Gewaltaufrufen gegenüber anderen Menschen als Vertretern anderer Religionen. 

8.2 Schule und Erziehung 

In unserem Erziehungs- und Bildungssystem ergibt sich die Fragestellung nach dem Umgang mit potenziell gefährdeten Kindern und Jugendlichen. Die Beobachtung muss bereits im frühkindlichen Alter einsetzen, also schon im Kindergarten. Die Mädchen und Jungen lernen dort spielerisch einen friedlichen und toleranten Umgang miteinander. Das schließt die Praxis der Konfliktbewältigung ein. Dazu gehört auch eine Verinnerlichung von Konfliktlösungsstrategien. Wichtig ist dabei, dass Kinder unterschiedlicher ethnischer Herkunft und muttersprachlicher Bezüge Differenziertheit als etwas Natürliches begreifen lernen. Eine vernünftige auf Ausgleich angelegte Städteplanung, verbunden mit einer kommunalen Integrationspolitik wäre begleitend dazu sehr wünschenswert und notwendig, dieses im Sinne einer Erzeugung von gesellschaftlicher Normalität.

Ein Ansatzpunkt, der bisher nur wenig Beachtung gefunden hat, könnte eine umfangreiche Elternarbeit sein. Zweifellos ist dies ein schwieriges und kompliziertes Unterfangen. Erfolgversprechend könnte eine gut geplante und durchgeführte Stadtteilarbeit sein.27 Zu lösende Probleme ergeben sich für die Zukunft aus folgenden Zusammenhängen: 

I. Menschen aus Herkunftsländern, die in hohem Maße traditionell patriarchalisch und zudem in ihrer Herkunftsgesellschaft fundamentalistisch-religiös geprägt worden sind. 

II. Menschen aus östlichen und südöstlichen Herkunftsländern, die gegenüber einem Staat und damit all seinen Institutionen wie Polizei, Verwaltung und dem Bildungs- und Erziehungssystem Vorbehalte haben. Ihre angstbesetzten Wurzeln und Ursachen sind oftmals historisch ableitbar. 

III. Menschen aus Gesellschaften, die eine ausgeprägte autoritäre oder gar diktatorische Vergangenheit haben und dadurch in ihrer eigenen Geschichte entsprechend geprägt wurden. 

IV. Das Verhalten dieser Menschen [in II und III], die in eine Gesellschaft gelangen, die durch eine freie Entfaltung der Persönlichkeit geprägt ist. Regeln, administrative Vorschriften müssen gepflegt und eingehalten werden. Darauf ist seitens unserer Administration verbindlich hinzuweisen. 

Eine fruchtbare Elternarbeit, wie sie dem modernen Bildungssystem entspricht, ist für die betroffenen Personengruppen bisher unbekannt und auch nicht vorstellbar. Daran müssen wir in unseren Bildungseinrichtungen vom Primarbereich über den Sekundarbereich bis in das Hochschulwesen ansetzen. Die Erfahrung dieser Menschen war bisher: Ein Lehrer ordnete an, was zu geschehen und auch was zu unterlassen war. Dieses geschah unter Androhung von Sanktionen, also auch von drakonischen Maßnahmen. Die Bewertung schulischer, zumeist schriftlicher Leistungen, erfolgte in den Herkunftsländern in der Regel nach dem Prinzip einer Reproduktion von erlerntem Wissen bis hin zum sog. Auswendiglernen. Eine mündliche Partizipation im Unterricht fand nur nachrangig Eingang in die Beurteilung. Wesentlich für die Gesamtbeurteilung war auch der Grad von Anpassung an die dortigen gesellschaftlichen Prinzipien und ihre entsprechenden Vorgaben. 

Eine Anekdote: Bei einer Besprechung des vorgesehenen Betriebspraktikums auf dem Elternabend einer 9. Klasse sagte der Lehrer, dass er bezüglich des von jedem Schüler anzufertigenden Praktikumsberichtes Wert darauf lege, dass sich die Schüler_Innen in den unterschiedlichen Betrieben selbstständig Schwerpunkte für die Darstellung des von ihnen Erfahrenden sowie dessen Auswertung auswählen sollten. Beim Besuch des Lehrers würde man dann darüber miteinander sprechen. Eine Mutter, die selbst Lehrerin in der Ukraine gewesen war, entrüstete sich. Sie meinte, das ginge doch nicht und man müsse den Schülern genau sagen, was sie zu schreiben hätten. Als andere Eltern das durch den Lehrer vertretene Prinzip der Eigenständigkeit, die Erziehung zum selbstständigen Denken und Handeln unterstützten und begrüßten, schwieg die genannte Dame, dieses aber mit ersichtlichem Unwillen. 

Einschübe aus der erfahrenen schulischen Praxis sollen verdeutlichen, dass sich immer dann, wenn menschliches Verhalten einbezogen wird, die jeweilige komplexe Hintergrundproblematik in Reflexionen und Lösungsstrategien einbezogen werden müssen. Ein schwieriges Problem ergibt sich immer dann, wenn Angehörige gegnerischer oder verfeindeter ethnischer oder religiöser Gruppen in den Schulen in Kontakt treten. Als Beispiele können genannt werden: Osteuropäische jüdische Immigranten, auch Zuwanderer aus Israel in Berlin, und andererseits antijüdische bzw. antiisraelisch geprägte Araber aus dem Vorderen Orient; nationalistische Türken und Menschen, die sich bewusst als Kurden verstehen und von einem unabhängigen Kurdistan träumen. 

Jüdische Schüler_innen können ebenfalls eine Hintergrundproblematik von Indoktrination vorweisen. So berichtete z.B. eine aus Russland übergesiedelte Schülerin, dass sie in einer jüdischen Privatschule in St. Petersburg in erheblichem Maße einseitig unterrichtet und indoktriniert worden seien. Es handelte sich dabei um ultrakonservative Lehrer, die aus Israel und den USA dorthin entsandt worden waren und an dieser Schule unterrichteten. Finanziert wurden sie durch Spendengelder fundamentalistischer jüdischer Organisationen in den USA. 

Ein gegenwärtiges wie künftiges Problem ergibt sich durch Migranten mit zunehmender muslimischer Identität gegenüber einer von ihnen als christlich angesehenen Mehrheitsbevölkerung. Dieses unabhängig davon, dass die west- und mitteleuropäischen Gesellschaften zunehmend laizistisch geprägt sind und sich dann als Humanisten, Agnostiker oder einfach als nicht religiöse Bürger oder bewusste Atheisten verstehen, was wiederum in den Augen vieler Muslime verwerflich ist. Zu den Agnostikern ist wohl die Mehrheit der Kirchenmitglieder zu zählen, zumal sich die Mehrheit von ihnen kaum einer eigenen Zuordnung bewusst ist und sich eher im Indifferenten befindet. Über diesen Tabu-Bereich soll aber nicht weiter diskutiert werden. 

Es ist eine bleibende Zukunftsaufgabe in unserer Gesellschaft, Menschen zu friedlichem Zusammenleben zu führen. Es ist eine Aufgabe, die vor allem in der Schule und anderen Bildungseinrichtungen zu leisten ist.

26 Zur türkischen Kampagne gegen die historisch sauber gesicherten Fakten zum Thema Armenocid siehe: »Aghet – ein Völkermord« auf YouTube.

27 Als positives Beispiel kann der »Kulturtreff« in Hannover-Limmer genannt werden, verbunden mit dem »Schulzentrum Harenberger Straße«. Dort wird seit vielen Jahren eine erfolgreiche und fruchtbare Arbeit geleistet. Begonnen hatte das Engagement zusammen mit den Angehörigen der ersten »Gastarbeitergeneration« der siebziger Jahre. [www.kulturtreff-kastanienhof.de]

8.3 Adoleszenz 

Man muss angesichts des adoleszenten Verhaltens z.B. nordafrikanischer Jugendlicher diesen konsequente Reaktionen entgegensetzen. Wenn z. B. einer von ihnen gegenüber einer Sozialarbeiterin oder Lehrerin ruft: „Allah uh akbar“ und dieses vielleicht noch mit einer provozierenden Geste verbindet, kann man z. B. folgendermaßen reagieren. Man sagt dann deutlich, dass einen selbst, also »mich persönlich« derartiges lautes Rufen stört. Man macht ihm gleichzeitig klar, dass er diese Aussage durchaus in Zimmerlautstärke zu Hause in der eigenen Wohnung, in einem Gebetsraum oder einer Moschee tun darf. Dieses ist sein gutes Recht, das in unserem Staate durch unsere Verfassung als Ausübung der Religionsfreiheit geschützt und garantiert ist. 

Gegebenenfalls kann man z. B. erwähnen, dass ein Vater in einem Interview im französischen Fernsehen aus Anlass von Ausschreitungen und Zerstörungen durch Jugendliche in einem nördlichen Pariser Vorort mit Tränen in den Augen geäußert hat: „Ich bin nach Frankreich gekommen und habe eine Arbeit und Wohnung erhalten. Ich verstehe meinen (16- jährigen) Sohn nicht. Am liebsten würde ich ihn zu seinem Großvater in den Bergen Algeriens schicken, wo er ein halbes Jahr lang die Ziegen hüten könnte, wie ich es als Kind selbst tun musste.“ 

Außergewöhnliche und nicht mit tradierten oder als "üblich" bzw. "normal" bezeichneten Methoden wirken nicht. Es ist leider festzustellen, dass die Prekarisierung zunimmt, und dass in Frankreich, aber auch in Berlin, Düsseldorf und Duisburg vor allem Migranten aus dem Maghreb von Perspektivlosigkeit, Ausgrenzung seitens der etablierten Bevölkerung wie auch gruppenspezifischer Selbstausgrenzung betroffen sind. 

Das Problem der Parallelgesellschaften in den Banlieus französischer Großstädte und die Prozesse der Desintegration sind seit den neunziger Jahren zu beobachten. 

Als Lehrer, der in einem Gymnasium ohne diese skizzierten erheblichen Probleme tätig war, aber auch neun Jahre in einer Schule eines "schwierigen Stadtteils" mit einem sehr hohen Anteil Schülern mit sehr unterschiedlichem Migrationshintergrund wie auch religiösem Hintergrund abgeordnet war, habe ich entsprechende Einblicke gewonnen. Dazu gehörte dort vor allem das Verhalten türkisch- oder kurdischsprachiger Kinder in den Altersstufen 10 bis 13 Jahre. Ich habe aber sehr viele positive menschliche Eindrücke von ihnen und ihren im dortigen Kulturtreff engagierten Eltern und älteren Geschwistern erfahren. 

Ein kaum zu lösender Konfliktbereich bezieht sich auf den Umgang mit jungen Menschen, die aufgrund erfahrener Indoktrination Toleranz aus der Mehrheitsgesellschaft erfahren möchten. Das gilt z.B. für die von ihnen als religiöse Regeln verstandenen und damit zu befolgenden Bekleidungsvorschriften, das Essverhalten (Speisevorschriften) einschließlich der sog. Fastenregeln. Als besonders bedrohlich für unsere Politische Kultur stellt sich die innerfamiliale Verhaltenspraxis gegenüber Mädchen und jungen Frauen dar, die z.B. mit den Phänomenen von Zwangsverheiratung oder dem Zwang in der eigenen Religionsgemeinschaft zu verbleiben (z.B. Jeziden) und dort zu heiraten. Gewalt gegen Mädchen kann als Ausdruck von religiösem Wahn angesehen werden, der in einem Kontext zur Machtausübung von Männern gegenüber Frauen steht. In solchen Fällen muss es für eine Lehrerin und einen Lehrer möglich sein, eine Gewissensentscheidung neben dem geltenden Recht und den Dienstvorschriften zu treffen. 

Insbesondere Jugendliche, die aus machtstärkeren Gruppen ihrer Herkunftsländer stammen, streben nach sozialem Aufstieg in den mitteleuropäischen Zielländern ihrer Migration in der Regel in die obere Mittelschicht. Auf Grund spezifischer Formen von Distinktion28 ist ihnen dieses sehr erschwert oder gar völlig versperrt. In diese Situation von Frustration, Hoffnungslosigkeit, erfahrener wie gefühlter Diskriminierung, stoßen die Demagogen und Scharlatane extremistischer religiöser Gruppen vor. Sie versprechen Heilserwartungen mit vielfältigen Methoden der Demagogie. Ein Mittel ist die psychische scheinbare Erhöhung dieser Personengruppen durch die Propagierung z.B. des Islam als die bessere, die vollkommenere Religion, gegenüber der Religion der etablierten Gruppe, in der Regel also in Europa des Christentums. 

Oftmals handelt es sich um Jugendproteste oder neuere Jugendkulte. Dies äußert sich dann in verbalem und symbolisch aggressivem Verhalten. Beobachtbar ist es in der jüngeren Neo-Salafistenszene.

28 Distinktion ist ein in der Soziologie verwendeter Begriff, mit dem die mehr oder weniger bewusste Abgrenzung von Angehörigen bestimmter sozialer Gruppierungen (z. B. Religionsgemeinschaften, Klassen oder auch kleinerer Einheiten wie etwa Jugendkulturen) bezeichnet wird [nach Wikipedia].

8.4 Schweinefleisch-Esser

Muslimische Pubertierende möchten manchmal mit dem Begriff "Schweinefleisch-Esser" provozieren. Man kann sie dann darauf hinweisen, dass es in allen Völkern und Kulturen heilige Tiere gibt; in Asien z.B. Rinder, Schweine oder anderes Getier. Auf der anderen Seite haben die Feinde und Gegner dieser Ethnien, Völker oder Stämme, diese dadurch diffamieren wollen, dass sie die von ihnen verehrten Tiere als unrein (im psychischen, also nicht im physischen Sinne) bezeichnet haben. Es ist ein Begriff, der bis heute sehr vielen Missverständnissen unterworfen ist. Alle Tiere haben arteigene Reinigungspraktiken! 

Vermutlich ist auf diese Weise das Schweinefleisch-Tabu im Vorderen Orient entstanden, das für die Juden wie die Nachbarvölker galt. Mohammed hat es beim Verfassen des Korans übernommen und als Regel bestätigt. Im Kern-Kontext hat es wesentlich eine Abgrenzungsfunktion gegenüber den anderen Menschen und deren Anderssein sowie gleichzeitig eine Kontrollfunktion gegenüber der eigenen Gruppe. 

Hinweise des Lehrers für Naturwissenschaften, man sollte sinnvoller Weise bei der Fleischwahl lieber auf die Lebensmittelchemie hören (Prionen, Antibiotika-Gehalt, Pestizide, Schwermetalle) und die religiösen Regeln eher als historisch bedingt einordnen, gelangen in "religiöse Gehirne" bei moslemischen Schülern aber nur sehr schwer. 

In unseren (westlichen) Kulturkreisen war z.B. der Verzehr von Pferdefleisch diskreditiert, weil der Braten dann von alten Arbeitspferden stammte und als minderwertig galt, was dazu führte, dass vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten sich dieses Fleisch leisten konnten. Es ist also distinktiv zu verstehen. Das Pferd hatte in Nordeuropa zudem eine mythische Bedeutung. Auch dieses mag eine Rolle gespielt haben. 

Der Verfasser geht davon aus, dass man längerfristig mit einfachen, klärenden und Verständnis signalisierenden Worten manches erreichen kann, zumal sehr viele sozio-kulturelle Zusammenhänge sehr vielen jungen wie älteren Menschen überhaupt nicht bekannt oder bewusst sind. Man sollte dabei immer erwähnen, dass religiöse Aussagen, Formulierungen und Glaubenslehren sehr tief in die kulturelle Geschichte der Menschheit zurückreichen, in ihren Wurzeln unbekannt sind und in den Ursprüngen kaum oder gar nicht erforschbar sind. 

9.1. Zur Kopftuch-Diskussion 

Im Folgenden geht es um eine Eingrenzung der Problematik. Es gibt Beispiele für Meinungsäußerungen, Zitate und Hinweise. Das alles soll zur weiteren Diskussion anregen. Ein inneres Anliegen des Verfassers ist es, zum gegenseitigen Verständnis, zur Verständigung, zum Ausgleich beizutragen. Ziel ist das friedliche Miteinander von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft sowie religiös oder agnostisch wie atheistisch motivierten Wertvorstellungen zu fördern. Man kann davon ausgehen, dass allgemein die Dimensionen der Problematik verdrängt werden. 

Die Motivation und Entscheidung für das vielfach diskutierte Kopftuch-Tragen kann sein: eine Modeerscheinung, eine überlieferte Tracht, eine unreflektierte und als Selbstverständlichkeit angesehene Übernahme traditioneller Verhaltensweisen, ein Symbol für Geschmack von Frauen und Mädchen bezüglich ihres Outfits, also für Schönheitspräferenzen oder gar Erotik. Es kann sein ein Standessymbol, ein Zugehörigkeitssymbol für eine Gruppe oder Region. Kopfbedeckungen können eine Stammes- oder Standeszugehörigkeit symbolisieren. In diesem Kontext können sie von erheblicher Bedeutung sein. Generell haben Kopfbedeckungen zugleich eine Funktion als Statussymbole. 

Und dann kann es selbstverständlich auch das sein, was ihm gern zuerst zuerkannt oder gar ausschließlich zugeordnet wird: ein religiöses Symbol bzw. ein Symbol für ein religiöses Bekenntnis. In diesem Zusammenhang kann auch die Frage nach dem Erzwingen des Kopftuch-Tragens gestellt werden. Manche kleine Türkin von 11 bis 13 Jahren, so kann man es in den Schulen beobachten, trägt erkennbar ihr neues Kopftuch mit Stolz. 

Es können Gruppenzwänge sein oder Vorschriften, die als Handlungsanweisungen in der Familie durchgesetzt werden, aber dort niemals hinterfragt werden können und dürfen. Gruppenloyalitäten sind generell sehr schwer zu durchbrechen. Wenn es geschieht, dann oftmals nur um den Preis des Verlustes von Sicherheit und eigener Identität. Wenn eine Dame, die vor einigen Jahren in Kopftuch-Diskussionen auftrat, möglicherweise eine Konvertitin, (lt. Pressemitteilungen) auf Befragen zugab, ca. 50 verschiedene Kopftücher in Besitz (und Gebrauch) zu haben, dann gibt auch das zum Nachdenken Anlass und manche Fragen liegen nahe. 

Man kann davon ausgehen, dass die Ausprägung islamischer Religiosität der Migrant_innen überschätzt wird. So wurden Frauen aus den Flüchtlingslagern der Palästinenser im Libanon, die nach Deutschland gekommen sind, auf Grund ihrer sprachlichen Isolation durch Medien, also durch arabischsprachige Radio- und TV-Sendungen, im fundamentalistisch- islamischen Sinne beeinflusst und sind dadurch geprägt worden. Hinzu kam die identitätsstiftende Wirkung des äußeren Habitus, der Bekleidung und des Kopftuches die die Eingrenzung bewirkten und verstärkten. 

Ein interessantes Phänomen ist, dass z.B. Migranten aus Palästina, die Jahrelang in Lagern gelebt haben nach ihrer Flucht und Vertreibung als Folge des arabisch-israelischen Krieges ab 1947 wenig religiös waren. Viele wurden auf Grund des Empfangs arabischsprachiger religiöser Sendungen in den jetzt zu empfangenden Medien zu gläubigen Muslim_innen. Man spricht inzwischen von Kulturmuslimen. Das Kopftuch hat dabei die Funktion identitätsstiftend zu sein.

Ein Problem ist die Diskrepanz zwischen einer Selbstdefinition der entsprechenden Loyalitäten. Gibt sie sich wirklich im eigenen oder im fremdbestimmten Sinne? Und dieses ist im Zweifelsfalle von Außenstehenden nicht zu beurteilen. Es steht ihnen aber auch nicht zu! Es ist zu vermuten, dass es sich in hohem Maße um die Fortführung von Traditionen handelt, die sich nie trennen lassen von Bezügen zu einer Religionszugehörigkeit. Selbst wenn es sich im engeren Sinne um Religionssymbole handelt wie die Kipa oder das Kreuz. 

Von jungen Türkinnen wird kolportiert, dass sie aus Protest- und Emanzipationsverhalten in Istambul [İstanbul] ihr Kopftuch tragen – dieses trotz (bisheriger) staatlicher Verbote durch den Kemalismus, der seit etwa 2000 durch die Übernahme der Regierungsgewalt durch die AKP in der Türkei konterkariert wird und indirekt in Frage gestellt ist. Hierdurch ergeben sich andere Dimensionen. 

Den Mädchen sollten in der Schule unbedingt Konflikte erspart werden, zumindest müssen die anstehenden abgemildert werden. Kopftücher müssen von den Lehrer_innen und Schüler_innen als etwas Normales angesehen werden. Sie müssen gemeinsam lernen, dass es für die betroffenen Mädchen eine Selbstverständlichkeit ist. Eine Methode ist, die jungen Damen unbeachtet zu lassen. Diejenigen, die nur provozieren oder sich präsentieren möchten, erfahren dadurch keine für sie notwendige und von ihnen gewünschte Resonanz. 

9.2 Anmerkungen zur Vollverschleierung 

Bezüglich der sog. Ganzkörperbekleidung müssen gegebenenfalls individuelle Lösungen gefunden werden. Es gilt dabei, diejenigen jungen Mädchen und Frauen zu schützen, bei denen Einflussnahmen Dritter vermutet werden. Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Betroffenen Pressionen durch die eigene Familie und das sog. Umfeld ausgesetzt sind. Gegenwärtig gibt es eine spannungsgeladene und zunehmend emotional geführte Diskussion in Frankreich.29 

Zur Vollverschleierung: Wie ein in Schulen tätiger Lehrer weiß, ist die Altersstufe der Pubertät und der Adoleszenz manchmal recht "kompliziert". Die Schüler_innen neigen oftmals zu provokativem Verhalten, dieses geschieht subtil, verdeckt oder offen. Das eine Mädchen protestiert gegenüber der gläubigen oder gar bigotten Mutter dadurch, dass sie das Kopftuch oder die Burka verweigert. Ein anderes Mädchen protestiert gegenüber dem laizistischen Vater, einem Atatürk- Anhänger dadurch, dass sie das Kopftuch demonstrativ trägt entgegen der Verbote in der Türkei. 

Im Falle eines vollverschleierten Mädchens von 14 bis 16 Jahren sollte man zurückhaltend reagieren und möglichst viel Geduld aufbringen. Es gibt bei Jugendlichen ein irrationales Protest- wie auch ein Verweigerungsverhalten. Oftmals neigen sie zu Überaktivitäten. In diesen Fällen muss in den Schulen pädagogisch verantwortlich gehandelt werden. Lehrer haben gelernt, ihren pädagogischen Verpflichtungen gerecht zu werden. Entsprechendes gilt für Sozialarbeiter wie auch für die Jugend zuständigen Staatsanwälte und Richter. 

Die "jungen Damen" leiden erkennbar durch ihre Umgebung. Dieses hindert sie wiederum, ihr Outfit zu ändern und sich anzupassen, denn dann würden sie ja dem äußeren Druck nachgeben. Man sollte ihnen aber ohne Umschweife klar machen, dass sie allein für sich verantwortlich seien und z.B. nach Abschluss der Schule alle Konsequenzen tragen müssen. Wie sie sich darauf einstellen, ist dann ihre Sache selbst. 

Lehrer befinden sich oftmals in einem juristischen Dilemma. Für die Schulleitungen gilt, dass sie die in der Regel überforderten Schulaufsichtsbehörden und die dort tätigen Verwaltungsjuristen nicht in jedem Falle einschalten sollten. Diese sind erfahrungsgemäß diesbezüglich wenig hilfreich. Angemessen wäre ein Betreuungslehrer oder eine Sozialarbeiterin. Man signalisiert den betroffenen Mädchen, dass jemand da ist, der sich ggf. um sie kümmert. 

Ein Verbot von Burka oder Nikab (Niqab) und damit die angestrebte Verhinderung der Vollverschleierung unterliegt der Gefahr einer weiteren Radikalisierung durch Ausgrenzung. Das System der "Nicht-Verbote" sollte möglichst beibehalten werden. Die Chancen für Toleranz müssen garantiert bleiben. Das bedeutet, sie müssen garantiert werden durch unsere demokratisch verfassten Rechtsstaaten. 

In Niedersachsen gibt es wenige Schülerinnen, die den Nikab tragen. In Pressemeldungen werden sie z.B. der sunnitischen Untergruppe der Hanafiten zugeordnet. Da diese Mädchen noch schulpflichtig sind, wird ihr "Outfit" geduldet, obwohl es schulrechtlichen Prinzipien widerspricht. Man hat ihnen aber deutlich gemacht, dass weiterführende Schulen sie nicht aufnehmen würden. 

Es bleibt festzustellen, dass die Vollverschleierung nicht mit modernen Menschenrechtsdefinitionen kompatibel ist. Die Burka und vergleichbare Kleidungsstücke gelten als Symbol für die Unterdrückung von Frauen in männlich dominierten Gesellschaften. Sie können als Ausdruck für eine extreme Form von psychischer Machtausübung in einer nach wie vor patriarchalisch strukturierten Gesellschaft verstanden werden. Leider sind in verbalen politischen Auseinandersetzungen Tendenzen erkennbar, die nicht an Entspannung, Konsens und Toleranz orientiert sind. Es scheint, dass gewisse rechts-konservative Kreise gegenwärtig ein Interesse daran haben, Spannungen zu vertiefen. Es gilt aber, dass Toleranz sowie Akzeptanz des Anderen als hohes Gut und Wert in der Bildung erhalten bleiben muss. 

Es ist in Deutschland wie auch in Frankreich eine wachsende Besorgnis und zunehmende Angst in der Bevölkerung zu konstatieren. Die Praxis von Extremisten, von einigen muslimischen Mitbürgern, Islam-Angehörigen, betreffend die Ablehnung des modernen Rechtsstaates, ist Besorgnis erregend. Die Hinwendung zu einer wie auch immer (zumeist falsch verstandenen) Scharia wird als bedrohlich empfunden. Nach Pressemeldungen gibt es in allen Bundesländern Überlegungen, künftig die für die Gefangenenseelsorge in Haftanstalten vorgesehenen Imame zuvor zu überprüfen. Sie wurden bisher von den entsprechenden Glaubensgemeinschaften entsandt wie auch die Vertreter der Kirchen. 

In Frankreich gilt seit der Revolution eine strikte Trennung von Staat und Religion, von Kirche und anderen religiösen Vereinigungen, also eine Neutralität gegenüber allen Religionsgruppen. Dies gilt in den öffentlichen Schulen. So findet man dort über machen Eingängen öffentlicher Schulen die Bezeichnung »école laïque« als Ausdruck für eine staatliche Schule. 

Der Begriff »Laizität« beschreibt ein religionsverfassungsrechtliches Modell, in dem das Prinzip einer strengen Trennung zwischen Religion und Staat zugrunde liegt. Ein Staat ist laizistisch, wie z.B. Frankreich, wenn er religionsneutral ist. Das bedeutet zugleich, dass in diesem Staat Menschen unterschiedlicher Glaubenszugehörigkeit und Konfession leben können und ihre Religionsfreiheit garantiert ist. 

Säkularismus bezeichnet eine Weltanschauung, die auf eine Verweltlichung der Gesellschaft zielt und auf darüber hinausgehende – religiöse – Fragen verzichtet. Mit Säkularisierung bezeichnet man den mentalen Prozess einer Trennung zwischen Religion und Staat. Unter Säkularisation versteht man den konkreten Prozess der Ablösung der weltlichen Macht religiöser Institutionen. 

Es erfolgt keine Finanzierung von Gebäuden oder auch dem "Personal" dieser Gruppen und Institutionen. Hier schließt sich für die Franzosen ein Zentralproblem an, nämlich die Finanzierung durch Saudi-Arabien, durch Algerien und Marokko; in Deutschland vergleichbar durch die Türkei. Es erfolgt dadurch eine Einflussnahme seitens fremder Staaten, auf die die »République Française« faktisch keinen Einfluss hat. Dieses wird in Frankreich als äußerst fatal angesehen. Es stellt dort ein gravierendes Problem dar, das diplomatisch-rechtsstaatlich kaum zu lösen ist. Es ist eine seit Jahren zunehmende Praxis zu beobachten. Ein Zentralproblem ist dabei der zunehmende Einfluss der extrem konservativen Wahabiten-Sekte. Andererseits ist Frankreich aus wirtschaftlichen Gründen wiederum hoch interessiert am Export militärischer Güter in diese Regionen.30 Ein nicht lösbarer Interessenskonflikt. 

Ein nicht unerheblicher Hinweis: Frankreich definiert die Nation, also die Zugehörigkeit dazu, über den Begriff der Kultur. In Deutschland wurde bis vor kurzem das Deutschtum über das Ius sanguinis, also die biologische Abstammung abgeleitet. In Frankreich gelang deshalb die Integration der Zuwanderer aus Italien und Spanien (Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts) recht schnell und problemlos. Sie waren alle katholisch. Mit den Migranten aus Nordafrika tut man sich deshalb deutlich schwerer. In Deutschland hat man andererseits die über die Staatsbürgerschaft definierte Zugehörigkeit zur Nation noch nicht "innerlich" akzeptiert. Es gibt also prinzipielle Unterschiede im Selbstverständnis. Andererseits dominiert z.B. bei Türken mit deutscher Staatsangehörigkeit sehr stark ihre türkische (und z.T. kurdische) Identität. 

Zur aktuellen historisch-gesellschaftspolitischen Situation: Man diskutiert und erwägt ernsthaft harte polizeiliche und andere rechtsstaatliche Maßnahmen seitens der französischen Administration. Dieses alles vor dem Hintergrund der terroristischen Gewalttaten der letzten Jahre im gesamten Europa. 

Vermutlich gibt es auf Grund der aufgezeigten Zusammenhänge in Frankreich zunehmend ein Bestreben zur Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft. In jedem Land der Europäischen Union sind die Bürger_innen verpflichtet, die Gesetze einzuhalten. Wenn sie dies bewusst ignorieren oder unterlaufen, kann das ein Grund dafür sein, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Einbürgerung nicht gegeben sind und diese widerrufen werden kann. Dies kann z.B. dann erfolgen, wenn jemand in eine andere Armee eintritt. 

Wünschenswert und sinnvoll ist für die Angehörigen vor allem der jungen Migranten-Generation die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen und nachfolgend eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt. Die x-te Döner-Bude oder noch mehr Gemüseläden oder sog. Spezialitätenstände auf den Wochenmärkten machen wenig Sinn. Sie erhöhen die Chancen auf sozialen Aufstieg und Wohlstand nicht. Der Rache-Kreislauf unter diesen jungen Leuten muss unterbrochen werden, der letztlich bei den Gewalttaten des IS/Daesh enden kann mit all seiner Brutalität und unabsehbaren weiteren Folgen. Es wäre zu hoffen, dass dadurch auch die Macht der Salafisten oder auch der aus dem Ausland (Türkei) gesendeten Imame eingeschränkt werden, die einen fragwürdigen fundamentalistischen Islam predigen. Letztere unterliegen zumeist einer Visumspflicht für die EU.31 Möglichkeiten einer Kontrolle sind also prinzipiell gegeben.

29 vgl.: Deutschland braucht kein Burka-Verbot. In: Der Spiegel 34/2016, S. 6.

30 Auch der SPD-Vorsitzender Gabriel hat als BMWi einen Rüstungs-Deal abgezeichnet. Dieser wurde allerdings schon von der Kanzlerin und der damaligen Koalition eingeleitet.

31  zum Extremismus vgl.: Salafisten finanzieren ihre Propaganda über bundesweite Netzwerke. In: Der Spiegel 34/2016, S. 32-35 

11. Fragen, Meinungen und Kommentare 

Im Folgenden sollen Passagen aus einer aktuellen Diskussion wiedergegeben und kommentiert werden. Es handelt sich z.T. um Beispiele als Grundlage für Diskussionen und Meinungsäußerungen anhand von Kommentaren und Fragen. 

Fast jeder zehnte Einwohner Berlins ist muslimisch, jeder zweite davon ein Deutscher.32 Wie die Stadt damit umgeht, soll in einem Gespräch mit Berlins Bürgermeister Müller und der stellvertretenden Außenamtssprecherin Chebli über den Islam in Deutschland angesprochen werden. Es handelt sich z.T. um Auszüge aus: „Müller und Chebli im Interview, ... als würden Muslime für Aliens gehalten“.33 

Frau Chebli, Herr Müller, in Deutschland wird sehr viel über Muslime und den Islam gesprochen, aber sehr wenig über Religion. Warum? 

Chebli: Wir dürfen die Integrationsdebatte nicht mit der Diskussion über Muslime und Islam oder Religion insgesamt vermengen. Mein Vater ist ein frommer Muslim, spricht kaum Deutsch, kann weder lesen noch schreiben, ist aber integrierter als viele Funktionäre der AfD, die unsere Verfassung in Frage stellen. 

Müller: Wir brauchen in der Tat eine offensivere Diskussion darüber, welchen Stellenwert Religion in unserer Gesellschaft hat. Das gilt für den Islam, aber genauso für Christentum oder das Judentum. Wir sind ein säkularer Staat, aber Religion hat eine wichtige, ja auch eine stabilisierende Funktion. 

Es wird aber doch ständig versucht, Religion zu verdrängen. Hat sich Deutschland nicht längst von einem säkularen in einen laizistischen Staat verwandelt? 

Müller: Nein, das sehe ich nicht so. Die Trennung von Religion und Staat ist richtig, aber wir brauchen die christlichen Kirchen, die jüdischen Organisationen und auch die muslimischen Gemeinden als Partner für Dialog und Verständigung. Wir haben in den vergangenen Jahren vor allem in unseren Beziehungen zu den Muslimen wichtige Meilensteine wie das Integrationsgesetz zurückgelegt. 

Ist das Berliner Neutralitätsgesetz, also das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, nicht Ausdruck einer schleichenden Abkehr vom Säkularismus und einer Hinwendung zum Laizismus? 

Müller: Nein. Das Neutralitätsgesetz hat nichts mit Gleichgültigkeit gegenüber Religion oder der Einschränkung von Religionsfreiheit zu tun. Das Gesetz verhindert ja nicht Religion in unserem Zusammenleben. Es heißt Neutralitätsgesetz, weil es Bereiche wie Schulen, Gerichte und Polizei gibt, in denen der Staat strikte Neutralität wahren muss. 

Chebli: Die Realität ist doch, dass Frauen mit Kopftuch als potentiell unterdrückt gelten, als Frauen, die man aus den Zwängen ihrer Väter oder Ehemänner befreien muss. Meine Mutter und meine fünf Schwestern tragen ein Kopftuch, einige auch gegen den Willen ihrer Männer, und berichten von wachsenden Anfeindungen auf der Straße. Im „Juma“-Projekt, das ich ins Leben gerufen habe („Juma“ steht für das Freitagsgebet, aber auch für „jung, muslimisch, aktiv“), tragen neunzig Prozent der Mädchen ein Kopftuch. Fast alle studieren, sind talentiert und wollen etwas leisten für die Gesellschaft. Es tut mir weh zu sehen, wie viel Potential wir einfach so vergeuden. 

Unter muslimischen Jugendlichen der dritten Generation steigt der Anteil derer, die im Zweifel die Scharia über das Grundgesetz stellen. Wie kommt das?

Chebli: „Warum wird das immer als Widerspruch konstruiert? Alle reden über Scharia, aber kaum jemand weiß, was Scharia bedeutet. Scharia heißt auf Deutsch: Weg zur Quelle, also der Weg zu Gott. Sie regelt zum größten Teil das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen. Es geht um Dinge wie das Gebet, um Fasten, um Almosen. Das stellt mich als Demokratin doch vor kein Problem im Alltag, sondern ist absolut kompatibel, wie es für Christen, Juden und andere auch der Fall ist.“ 

Diese letztere Aussage von Frau Chebli kann als kritisch und durchaus als eine entlarvende Äußerung angesehen werden. Hierin liegt offensichtlich ein gravierendes Problem: Die von Frau Chebli – und nicht nur von ihr allein – behauptete Vergleichbarkeit des Islam mit Christen und Juden ist in dieser Form nicht zutreffend. Die Scharia (im Sinne einer wörtlichen Übersetzung und Übernahme des Begriffes) hat auch die Funktion einer Verschleierung der gesellschaftspolitischen Realität. Sie hat die Aufgabe, dieses als ein „von Gott offenbartem Rechtssystem“ darzustellen, das deshalb immer Vorrang vor dem von Menschen gemachten Gesetz beanspruchen müsse. Daher gebührt dem entsprechend der lt. Glaubensideologie geoffenbarten also vorgeblich gesetzten Recht als klassischem Mythos im Konfliktfall immer der Vorrang, – also auch vor dem GG. Juden und Christen in Deutschland akzeptieren den Vorrang des GG. Bei einigen Muslimen ist das nicht immer erkennbar. Hierin liegt ein Unterschied begründet. Wer z.B. die Religion, besser die Religionsgemeinschaft des Islam verlassen will, also austreten möchte, der kann es gar nicht. Er beleidigt nach islamischem Verständnis Gott und hat dafür den Tod verdient. Und dieses ist nicht mit dem GG vereinbar.34

Es bleiben dabei drängende Fragen offen: Auf wen hören die Muslime und wessen Anweisungen befolgen sie? Sind es die Verbände, die Prediger im Inland? Folgen sie den Predigern aus dem Ausland? Welches Rechtssystem hat Vorrang? 

Zu Cheblis These: „Der Islam kennt keinen Klerus. Als Muslim ist man nur Gott gegenüber zu Rechenschaft verpflichtet“ ist zu sagen: Die Pressesprecherin des Außenministers hält die Kenntnis der deutsche Sprache für ein eher untergeordnetes Integrationsmerkmal. Sie betrachtet die Scharia offensichtlich als eine "tolle Sache". Sie würde sicherlich gern selbst ein Kopftuch tragen, wenn dies in ihrer Funktion nicht so ungünstig für die Karriere wäre. Die Frage bleibt: wenn es im Islam keinen Klerus als Autorität gibt – und man nur Gott Rechenschaft schuldig sei – woher weiß man, was er von seinen Anhängern will? Wer verfügt die Definitionsgewalt dieses religiösen Ideologems? 

Was Scharia in theologischer Lesart religiös bedeutet, ist mit Sicherheit dem IS/Daesh und anderen Banden von Organisierter Kriminalität, von Gewaltkriminalität und Terror völlig gleichgültig. Es geht bei deren kriminellen Zielen um Machterringung und ihre Durchsetzung, dieses ohne Rücksicht auf Menschenrechte, Moral und gültige Rechtsordnungen. 

Viele Deutsche haben sich bisher sehr wenig für diese Zusammenhänge interessiert und verfügen nur über wenige Informationen. Eine Information dazu auf youtube35 sowie diese Meinungsäußerung: »Dieser grumpy old dad ist ein ehemaliger Mathematik- und Physikprofessor, der sich viele Jahre intensiv mit dem politischen Islam beschäftigt hat. Man kann ihn schnell als typischen Vertreter der "anti-islamic hate-preachers" einordnen. Er spricht in sehr einfacher, polemischer Sprache. Aber die Daten, die er zusammengetragen hat, sind durchaus interessant, ebenso wie seine Perspektive. Man kann bei ihm sicherlich vieles kritisch betrachten, mit seinem Standpunkt sollte man sich aber auseinandersetzen. Herr Warner gibt an anderer Stelle selbst zu, dass die Zahlen, mit denen er operiert, ungenau sind. Es scheint aber auch nicht einfach zu sein, an bessere Zahlen zu gelangen«. 

Eine Frage, die oft im Raum steht, wenn es im Islam keinen Klerus als Autorität gibt und man nur Gott unterworfen ist. Hierzu: Der Islam versteht sich als Umma (Gemeinschaft). Das ist eine religiöse Selbstdarstellung, die durchaus theologisch gedeutet werden kann. Das bedeutet außerdem konkret: Jede Gemeinschaft, Gruppe, Clan, Volk etc. verfügt über Hierachisierungen! Dies gilt in der gesamten Menschengesellschaft, also so weit, wie unser Wissen mit Blick in die Vergangenheit der Menschheitsgeschichte zurückreicht. Das bedeutet auch, dass es nicht immer klar erkennbare Hierarchien und Strukturen gibt. Es handelt sich dann oftmals um informelle Vernetzungen, um Beziehungsgeflechte. Die Frage, wer über die Definitionsgewalt, die Entscheidungsbefugnis, die religiös-rechtliche Gewalt, die Macht über die Vollstreckung verfügt, verbleibt im Dunklen. Diese Mechanismen sind nach wie vor gegeben. Sie sind aber oftmals nicht für Außenstehende nachvollziehbar oder gar erkennbar! Und darin liegt möglicherweise etwas Paradoxes: man kann etwas "Gott zuordnen", aber alles Tun und Handeln bis hin zum Verbrechen sind immer und ausschließlich Taten von Menschen. 

Dieses kollidiert bei den von Fanatikern verführten jungen Menschen mit deren als solchem akzeptierten Glaubensverständnis, also ihrer verinnerlichten Ideologie, mit dem demokratisch verfassten Rechtsstaat. Und hierin liegt zugleich eine mögliche Lösung, wenngleich sie für manche Menschen (hier: Zuwanderer) einen inneren Konflikt bedeuten kann. Sie müssten bei der Anmeldung in einer Unterkunft oder einem Wohnort auf unseren Rechtsstaat, und damit unser Grundgesetz und die damit verbundenen allgemein gültigen Menschenrechtsdefinitionen eindeutig und unmissverständlich hingewiesen werden und damit unser gültiges Rechtssystem ohne Vorbehalt anerkennen und durch Unterschrift bestätigen. 

Man diskutiert in Deutschland heute auch, dass dieses von jedem kurz- oder langfristig aufgenommenen Menschen [Flüchtling, Asylbewerber] bei Ankunft schriftlich als Anerkenntnis verlangt werden sollte. Sie müssen darüber informiert werden, dass sie ihre Religion frei ausüben können. Grenzen entstehen durch allgemeine Rechte, individuelle Belange sowie die Interessen der übrigen Mehrheitsgesellschaft. Alle Migranten müssen wissen, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben, die der Religion über Jahrhunderte ihren Platz zugewiesen hat. Wenn jemand Prioritäten setzen möchte wie in seiner Heimat, dem Herkunftsland, dann muss er selbst damit fertig werden. Diese Menschen können nur verbindlich über unser Regelsystem informiert werden. Die Betroffenen müssen den Konflikt ertragen. Selbstverständlich kann und soll es Hilfestellungen über angemessene Diskurse geben. Bei all dem ist neben den Verwaltungen der Bildungsauftrag der Schule gefordert.

32  Um Schwierigkeiten gegenwärtiger populistischer und demagogischer Definition dessen, was ein Deutscher sei, aus dem Wege zu gehen, könnte es besser sein, man spräche von deutschen Staatsbürgern. Fragwürdige Begriffe, die in den Medien präsent sind wie Bio-Deutscher o.ä., sollten unbedingt vermieden werden. 

33  [FAZ;digitaleZeitungF.A.Z.PLUSv.03.08.2016;http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gespraech-ueber-unsere-gesellschaft- und-den-islam-14368816.html]

34 Emigrant_innen aus Iran berichten, dass es deshalb schwierig sei, weil es keine offizielle Organisationsstruktur gäbe. Sie betrachteten sich deshalb als nicht mehr als zugehörig zum Islam. Da es keine rechtliche Abgabenpflicht vergleichbar unserer Kirchensteuer gibt, ist das damit vollzogen. 

35 https://www. youtube.com/watch?v=t_Qpy0mXg8Y

12. Zur Freiheit der Religionsausübung 

Den universellen Menschenrechten werden Begriffe wie Religionsfreiheit und Glaubensfreiheit zugeordnet. Dieses ist unabdingbarer Konsens in der modernen Gesellschaft. Es kann aber zugleich nur bedeuten, dass zur Freiheit des Glaubens das individuelle Recht, also der persönliche Glaube, frei von Indoktrination und Fremdbestimmung gehört. Das Gruppenrecht auf Religionsfreiheit, also der Ausübung dieser Sparte von Freiheit, muss dort seine Grenzen haben, wo die Grundrechte anderer berührt oder eingeschränkt werden. 

Dazu können die Begleiterscheinungen von Massenveranstaltungen für Unbeteiligte gehören. Strittig ist z.B. die Größe einer in Planung befindlichen Moschee. Diese ist immer zugleich ein Symbol zur Demonstration von Macht. Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Ruf eines Muezzin, ggf. "in voller Lautstärke" über Lautsprecher auf Arabisch, nämlich dass "Allah der Größte" sei, von vielen Menschen als fremd, irritierend und verunsichernd empfunden werden kann. Es möchte nicht von diesen ertragen werden und sei deshalb unerwünscht. Man muss in unserer modernen Gesellschaft zwangsläufig Kompromisse im Konsens finden! 

Diese Einschätzung ist in einem Land, in dem religiöse Rituale im Laufe von Jahrhunderten abgebaut wurden und als gesellschaftliche Verhaltensweisen eingeschränkt und andererseits nach und nach dem Prinzip wirtschaftlicher Erfordernisse untergeordnet wurden, inzwischen Ausdruck unserer Wohlstandsgesellschaft geworden. Und an eben dieser möchten Menschen, die als Zuwanderer, Asylbewerber oder Flüchtlinge in unser Land kommen, auch partizipieren. Dieses gilt unabhängig davon, inwieweit ihrerseits nachvollziehbare Fluchtgründe vorliegen. 

Zur Praxis gehören z.B. Gebetsvorschriften, gar -zwänge zu diversen Tageszeiten, Gebetsrituale in Schulen, religiöse Bekundungen bei Vereidigungen, bei individueller Eidesformel im Gerichtssaal oder Parlament, auch, dass diese über individuelle wie gruppenspezifische Ausübung ohne Beeinträchtigung Dritter zu erfolgen haben. Es ist sicherlich schwer für Migranten mit religiösem Hintergrund dieses nachvollziehen und akzeptieren zu können. Gläubige müssen dann immer ihre inneren Barrieren überwinden. Sie mögen dem Gebot des Betens folgen, aber nur in Einklang mit den Erfordernissen der Institutionen, in denen sie arbeiten und leben. 

Es ist auch für die Kirchen seit vielen Jahrzehnten schmerzlich zu erfahren, dass all das, was im Mittelalter einem nicht hinterfragten bzw. in Frage gestellten Ritual entsprach, im Laufe der Neuzeit und vor allem durch die Industrialisierung – heute zunehmend die Freizeitgesellschaft – abgebaut wurde. Den Bedingungen der Industriegesellschaft folgten die der Moderne und der Post-Moderne. Von einem Menschen, der am Wohlstand unserer Leistungs- und Wohlstandsgesellschaft seinen Anteil haben möchte, muss erwartet werden können, auch auf ihn "Vertrautes" oder auf eine anderweitige, ritualisierte Praxis, einschließlich des Fastens (z.B. im Ramadan) zu verzichten bzw. diese einzuschränken. 

Im konkreten Falle kann und darf es nicht zugelassen werden, dass Kinder hungernd und vor allem dürstend im Unterricht einer Schule sitzen. Die Konsequenzen der dadurch erfolgenden Stigmatisierung, auch die durch sie selbst bzw. ihre Eltern zu verantwortende Ausgrenzung, sind mit modernen Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens nicht vereinbar. 

Das Ausleben der Freiheit der Religionsausübung muss Grenzen haben in den Erfordernissen der demokratisch legitimierten Gesellschaft. Wenn Menschen sich dann in einem Konflikt befinden, müssen sie die Konsequenzen tragen. Dass dies eine Form von Ghettoisierung bedeuten und nach sich ziehen kann, ist bereits in einigen Städten [Berlin, Duisburg] feststellbar. Dann ist andererseits eine mehr oder weniger weit gehende Duldung seitens der etablierten Mitglieder unserer Gesellschaft ebenfalls eine Selbstverständlichkeit.36 Die Diskussionen darüber in Deutschland müssen fortgesetzt werden, auch wenn manche inzwischen konkretisierten Pläne und Vorschriften sich als kontraproduktiv und populistisch herausstellen können und am Ende als gefährlich erweisen. Die doppelte Staatsbürgerschaft, die 1999 eingeführt wurde, sollte nicht in Frage gestellt werden. 

Eine "gute" theologische Sichtweise scheint nicht zu existieren. Wer fest in dem Glaubenssystem verankert ist, nimmt die eigenen Überzeugungen nicht als problematisch wahr. Abweichende Überzeugungen von Ungläubigen werden als Fehlentwicklungen angesehen, die sich langfristig als ad absurdum erweisen werden. »Unsere Sichtweise wird sich durchsetzen« scheint eine sehr verbreitete Überzeugung unter manchen Muslimen zu sein. Es besteht ein Bewusstsein dafür, dass es ungünstig ist, dies öffentlich zu äußern. Die Strategien zur Umsetzung unterscheiden sich, der Zeithorizont unterscheidet sich, die ideologische Basis ist die gleiche. Autoritäre oder mafiöse Strukturen bzw. Machtinteressen als Triebfeder des Extremismus zu sehen, sind irreführend. 

Die Pervertierungsprozesse im etablierten Christentum sind ein anderes Paradigma. Es gibt sie ebenfalls im Islam. Sie sind aber nur ein Teil der Erklärung. Es gibt in der christlichen Religion, die in Teilen des Katholizismus noch evident sind, die Androhung der Hölle bei Verfehlungen. Bilddarstellungen des Mittelalters kennt jeder an Kunst interessierte Mensch.

Ein Beispiel: Christentum und Islam kennen beide den Suizid als Todsünde. "Es droht die Hölle", wenn man sich umbringt. Die Selbstmordraten in Spanien, Italien oder Frankreich liegen in durchschnittlicher Höhe (~3/100000 pro Jahr). Im nahen Osten liegen die Quoten im Schnitt unter 0.3/100000 pro Jahr. Das ist weltweit ein einzigartiges Phänomen (eine Größenordnung!) und ein Indiz dafür, dass die Konditionierung des Individuums auf das Wertesystem im fundamentalistischen Islam wesentlich besser gelingt als in anderen Gesellschaften«.

Die Apologeten des Islam [Salafisten u.a.] weichen generell kritischen Fragestellungen aus. Man muss aber davon ausgehen, dass sie durchaus wissen, was sie tun. Sie konstruieren ihre Legenden und belegen es mit dem gläubigen und friedlichen Miteinander, mit einem Islam, der friedlich und tolerant sei. Das ist dieser seiner Ideologie nach. Die Praxis war bis vor etwa 500 Jahren ansatzweise gegeben, zumindest in höherem Maße als das politische Christentum. 

Ideologien gelten in der Regel "nur" für die eigene Gruppe! Für Fremde gilt: Feind. Als legitim wird dann dessen Abwehr und ggf. dessen Vernichtung angesehen. Das geschieht zwangsläufig mit Gewalt oder durch Krieg. Es erfolgt generell eine Legitimierung der eigenen Untaten. Dies geschieht oftmals dadurch, dass man sie als Heldentaten deklariert. Der Getötete ist dann für die Überlebenden ein Held oder Märtyrer. Man kann es historisch ableiten. 

Allgemein ist zu konstatieren, dass das Bild vom Islam auch in der bundesdeutschen Gesellschaft immer kritischer, skeptischer, nüchterner wird.

36 Es liegen bezüglich des Ghettos oder gar der Ghettoisierung missverständliche Interpretationen vor. Das Ghetto diente der jüdischen Bevölkerung als Schutz. Dieses galt vor allem am Abend des Sabbat, einem hohen Feier- und Ruhetag. Vor dem Ghetto wurde auf der Straße oftmals eine Kette angebracht, die den Zugang erschwerte. Dieses kann man z.B. sehr gut in Eisenstadt im Burgenland beobachten. Der abgeleitete Begriff Ghettoisierung hat eine davon ausgehende mehrfache Konnotation.

13. Glaubenssysteme und Glaubensbeziehungen 

Es ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass Islam nicht allein oder gar ausschließlich über den Koran definiert werden kann – wie auch das Christentum nicht allein über das AT und NT! Bisher haben sich wohl die meisten Bundesbürger recht wenig für das alles interessiert und verfügten logischerweise auch nur über begrenzt gesicherte Informationen. Wer von Religion spricht, über die Schriften und mündliche Überlieferungen eines Gedankensystems, darf folgendes als unabdingbar nicht außer Acht lassen: Religion ist immer eine Interdependenz zwischen schriftlich vermittelten Gedankengebäuden, mündlich tradierten Verhaltensweisen und den jeweils menschlich Handelnden. 

Christlich-Orthodoxes Denken ist nicht ohne Bezug zu Byzanz/Konstantinopel, Athen und Moskau oder Belgrad möglich. Der Katholizismus ist es nicht ohne Bezug zu Rom, Santiago de C., Bayern/Österreich, die Rheinschiene und Süd-Amerika. Der Protestantismus ist nicht ohne Preußen, Schweden, England und die vielen evangelischen Abspaltungen definierbar, also mehr als über Luther, Schwarzerdt, Calvin, Zwingli oder Müntzer und Hus. 

Alles andere sind Verdrängung, Ignoranz oder gar Heuchelei. Thesen, Fragen, Meinungen, Antworten können und sollen immer als Basis für weitere Diskussionen dienen. Auf keinen Fall darf es zu einer Praxis führen, die unserem Wertesystem, dem Selbstverständnis in unserer Gesellschaft, der FDGO, widerspricht. Empathie gegenüber allen Mitbürger_innen muss gewährleistet bleiben. Eine Eskalation von Abwehrmechanismen, die sich in einigen EU-Staaten präsentieren, muss vermieden werden. 

Als wichtiger Grundsatz muss gelten: Es darf keine direkte Zuordnung von gesellschaftlichen Verhaltensweisen, gar Gewalttaten, geben zum Islam bzw. zur Ableitung von dessen Glaubensinhalten. Diese dürfen nicht über Interpretation des Koran transponierten Glaubenslehren und religiösen Verhaltenskodizes, also allgemein zu dem, was mit dem Islam als Regelsystem konnotiert wird, abgeleitet werden. Es kann keine Zuordnung geben für Menschen, die sich als gläubig oder als dem Islam zugehörig empfinden, wenn es um Fragen der Praxis der sich offiziell als islamisch gebenden Staaten und Gesellschaften handelt. Das gilt schon gar nicht bezüglich möglicher Erklärungen über Fehlverhalten, Kriminalität, Gewalttaten, Terror, und asymmetrische Kriege. 

Viele Palästinenser befinden sich – ebenfalls wie auch Menschen in Israel – seit zwei oder drei Generationen in einer traumatisch-tragischen Konfliktsituation. Menschen aus dem Irak und aus Syrien befinden sich in einer erheblich komplizierten gegenwärtigen Situation. Die Wurzeln reichen z.T. zurück in die Zeit nach dem Ende des Osmanischen Reiches. 

In der Regel sind immer kollektive Gruppenzwänge gegeben, oftmals verbunden mit individuellem Gruppendruck sowie dem Problem des sich Widersetzens der Betroffenen; dieses alles innerhalb einer Gruppe. Ebenso gibt es ein kollektives wie individuelles Verhalten, das nach "außen" gerichtet ist. Diese politisch wie sozio-kulturelle Gemengelage vollständig aufzuschlüsseln scheint unmöglich zu sein. 

Inwieweit Prinzipien wie Toleranz und Freiheitsräume in hoch emotional belegten Situationen garantiert und aufrecht erhalten werden können, ist kaum einzuschätzen. Eine nachhaltige Entspannung wäre wünschenswert. Ein grundsätzliches und für manche Menschen sehr tiefgehendes Problem ist der eigene Zugang zum Glauben, zum Geglaubten, dem Verinnerlichten der Glaubensaussagen. 

Es gibt Spannungen bzw. einen prinzipiellen Widerspruch oder Dissens: Das geschieht, wenn der Glaubensinhalt, der ihm zugrunde liegende Mythos, die transponierte Legende als historische Realität verstanden wird und in diesem Sinne geglaubt, wie z.B. der Schöpfungsmythos ["Adam und Eva"] oder der Himmelfahrtsmythos. Auch die Legende von der Arche Noah ist ein ex post konstruierter klassischer Mythos.

Es drängt sich die Frage auf: Kann man als Theologe oder Gläubiger guten Gewissens verdrängen, dass es sich um konstruierte und reproduzierte Glaubenswelten handelt? 

Konkret formuliert: Das Problem liegt im Glaubenspostulat als eine im physisch-biologischen Sinne erfolgte Gegebenheit wie z.B. der Auferstehungsmythos. Auch die Figur des Moses als existente Person kann im historischen Sinne nicht mehr als gegeben angesehen werden. Gleichwohl ist der damit verbundene Mythos von eminenter Bedeutungsmächtigkeit für die Juden als Volk und Glaubensgemeinschaft; ebenso für die beiden anderen daraus entstandenen monotheistischen Religionen. Wird eine solche Glaubensaussage im symbolischen Sinne verstanden, dann hätte sie auch für den Agnostiker eine Berechtigung und zugleich eine wichtige Funktion zur Erklärung des Zusammenhalts in Religionsgemeinschaften und zur Verfestigung, Zementierung ihrer Lehren sowie deren Bedeutung für die Fortexistenz von Menschen in ihren jeweiligen Überlebenseinheiten. 

Es kann die These vertreten werden, dass in dieser fundamentalen Diskrepanz die Schwierigkeit, gar die Unmöglichkeit, der Muslime der heutigen Zeit begründet ist. Sie haben in ihren Herkunftsgesellschaften keinerlei Zugang zu modernem Denken, fußend auf den Prinzipien der Aufklärung gefunden. Sie tun sich schwer, ihre traditionellen Denk- und Handlungsweisen zu hinterfragen, sie im modernen Sinne anzupassen, zu reformieren. Nicht zu übersehen oder zu verdrängen ist: Der Erhalt von Regelsystemen geschieht durch ein Geflecht von Machtbeziehungen. Dieses kann nicht ohne innere Konflikte, Spannungen und Gewaltausbrüche ablaufen. Die Methoden beruhen auf struktureller wie psychischer Machtausübung. Taten jedweder Art sind niemals ursächlich dem Islam – über Aussagen, Deutungen und Interpretationen also dem Koran – zuzuordnen. Sie stehen allemal im Kontext sowie einer Wechselbeziehung zum Islam in der jeweiligen Gesellschaft. Dieses gilt für jedwede Religion im engeren Sinne. 

Wenn sich das Judentum in einem Zeitraum von Viertausend und mehr Jahren herausgebildet hat, das Christentum beginnend in einem Zeitraum vor etwa Zweitausend Jahren daraus entwickelt hat und der Islam dann im siebenten Jahrhundert u.Z. auf der Grundlage der damals für Mohammed und die mit ihm verbundenen Gelehrten bekannten Religionen (einschließlich der Vorgängerreligionen des damaligen Orients (z.B. Persien), – dann dokumentieren diese Systeme vor allem die Entwicklungsphasen der damaligen Gesellschaften. Geographisch sind es die Regionen des östlichen Mittelmeeres bis hin zum Grenzbereich nach Indien und dem Himalaja-Gebirge, also Regionen, soweit sie für uns historisch überschaubare Zeiträume darstellen. 

Wenn das Verhalten von Menschen, die in diese Glaubensräume hineingeboren worden sind, sich nicht ursächlich auf Glaubensaussagen und Vorschriften zurückführen lassen, so kann deren eigenes Ich auch nicht losgelöst von allem betrachtet werden oder gar in einer totalen Isolation gesehen werden. Das Problem ist letztlich nicht lösbar. Aus allem kann und muss aber eine Ethik zu verantwortlichem Handeln entstehen. 

14.1 Radikalisierung 

Erklärungsmuster gegenüber einer Radikalisierung oder Manipulierungen, gar von Gehirnwäschen der jungen Leute, die sich dem IS/Daesh angeschlossen haben und schlimmste Gewalttaten verübt haben, findet man im Koran sicherlich nicht. Die kleinen Türkinnen an der damaligen Orientierungsstufe [OS; 6. Klasse] haben dem Verfasser gesagt, dass sie wohl im Koran gelesen haben, aber nichts verstanden hätten. "Deutsche Türken" oder "türkische Deutsche", (sie definieren sich unterschiedlich), die weder richtig Deutsch noch Türkisch als Hochsprache beherrschen, verstehen das Arabisch des 7. Jahrhunderts gar nicht. Das moderne Arabisch hat sich z.B. in Marokko oder Algerien als Umgangssprache und im Dialekt erheblich vom Hocharabisch der Zeiten Mohammeds weiterentwickelt, sodass es von der Bevölkerung in Nordafrika kaum noch verstanden wird. 

Auf diesem Boden agieren aber die Hassprediger und andere "Rattenfänger". Die Jugendlichen empfinden sich oft als Looser.37 Für die aus dem Maghreb stammenden jungen Leute in Frankreich, z.T. die zweite oder dritte Generation, ist das bekannt und beschrieben worden. Ein Mädchen mit Kopftuch, ein Junge mit arabischem Namen, hat dort bei Bewerbungen in etablierten Firmen kaum Chancen. In diesem Kontext kommen Neid- und Hassgefühle auf. Hinzu kommt die Unreife der Adoleszenten. Unsere Medien sind voll von Stellungnahmen, Analysen und Kommentaren. Bei Nordafrikanern kommt das Gefühl der Ohnmacht aus Kolonialzeiten (franz./span./ital./brit.) als traumatisch hinzu. Es ist als Hypothek im historischen Gedächtnis der Menschen in Nordafrika gespeichert und wird dort reproduziert. 

In Syrien und dem Irak ist eher der sunnitisch-schiitische und alewitische Spannungsbereich Basis für die Gewaltexplosionen. Die Familie des Diktators Assad kommt aus einer alawitischen Gruppe. Hinzu kommen sprachliche, ethnische und regionale komplizierte Gemenge-Lagen. Eine Erklärung im aggressiven und gewalttätigen Verhalten der manipulierten und indoktrinierten jungen Leute, sie mögen sich als IS-Kämpfer bezeichnen, liegt in einer Etablierten/Außenseiter-Beziehung. Angehörige von Migrantengruppen empfinden sich als Außenseiter mit geringen oder gar sinkenden Chancen. Es erfolgen Mechanismen eigener Ausgrenzung und korrespondierend damit auch die Abgrenzungen durch etablierte Gruppen.

37 In den USA spricht man von underdogs; seit den sechziger Jahren wird das Phänomen der sog Eckensteher in New York beschrieben. 

14.2 Vergleiche 

Es können Vergleiche erfolgen mit fundamentalistischen oder ausgeprägt religiös bestimmten Systemen wie z.B. mit denen in Nordafrika und andererseits mit doktrinären christlichen in der europäischen Geschichte. Beispiele dazu können nur skizziert werden. 

In Algerien ist der politisch-islamische bzw. der islamistische Einfluss sehr hoch gewesen. Man hat z.B. nach 1962 Weinberge gerodet, die hochwertige Weine für den Verkauf in Frankreich produzierten und dadurch auf enorme Einnahmen verzichtet. Die islamisch-politischen Parteien der heutigen Zeit in diesen Ländern sind nur begrenzt vergleichbar mit christdemokratischen Parteien in Deutschland oder Italien (der ehemaligen DC). 

Der Niedergang des Iran nach dem Sturz des Schah-Regimes 1979 ist durchaus im Zusammenhang mit der religiösen Herrschaft des schiitischen Islam zu sehen. Religiöse Banden, zumeist junge Männer, die schiitischen Religionswächter, terrorisieren seit dieser Zeit Menschen, die für sich das universelle Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Anspruch nehmen. Eine Folge davon ist die Emigration hoch qualifizierter und motivierter Frauen und Männer. Es ist davon auszugehen, dass der sunnitische Islam in Iran und im Irak sowie die schiitischen Hisbollah-Milizen erheblich zur Verhinderung von gesellschaftlichem Fortschritt ursächlich verantwortlich sind und in Teilbereichen erreichte positive Entwicklungen zunichte gemacht haben. 

Eine sehr problematische Machtausübung in einem islamisch dominierten Herrschaftsbereich findet in Iran statt. Sie wird ausgeübt durch die traditionell geprägte und streng-konservative Mullah-Herrschaft. Die Mullahs der mittleren und unteren Ebene binden kleinere und mittlere Gruppen der ortsansässigen bzw. regionalen Bevölkerung an sich. Sie bilden entsprechende Figurationen (nach Elias) an sich, die sich dadurch in unabänderlichen Abhängigkeitsverhältnissen befinden. 

Die Mullahs leben von den Zuwendungen der von ihnen abhängigen Bewohner. Die Abhängigkeitsverhältnisse perpetuieren sich seit vielen Generationen. Dieses geschieht im Vorfeld eines staatlichen Reglements und damit außerhalb gesetzlicher Einflussnahmen des Staates, der aber seinerseits keineswegs den Prinzipien eines Rechtsstaates entspricht. Den modernen demokratisch verfassten Rechtsstaat gibt es gegenwärtig in diesem Sinne nicht. 

Die zu Recht kritisierte und damals in der Bevölkerung überwiegend abgelehnte Diktatur des Schah-Regimes, eines Polizeistaates mit einer brutal agierenden Geheimpolizei, befand sich auf dem Wege zu einem modernen Staat mit einer funktionierenden Verwaltung und einem System, das Ordnungssicherheit in Ansätzen bot. 

Durch die islamische Revolution wurde der Prozess abgebrochen. Es folgte ein Rückschritt in traditionell islamisch- schiitisch geprägte Verhaltensweisen. Die Folge ist eine in weiten Bereichen erfolgte Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Wer sich dem entziehen möchte, läuft Gefahr in dieser islamischen Diktatur durch die staatlichen Organe der Polizei und der Justiz, vor allem der religiösen Justiz mit ihren Schlägertruppen, verfolgt zu werden. Dies ist verbunden mit gesellschaftlicher Ausgrenzung sowie erheblicher wirtschaftlicher Benachteiligung bis hin zum Abgrund völliger Chancenlosigkeit im gesellschaftlichen Leben. 

In städtischen Agglomerationen bilden sich individuelle wie gruppenspezifische Widerstandsformen heraus, die aber dem Mainstream islamischer Herrschaft und Machtausübung nicht entfliehen können und ihm gegenwärtig auch kaum etwas entgegen zu setzen vermögen. 

Man kann dies durchaus vergleichen mit der Rolle des Katholizismus in Paraguay im 18. Jahrhundert während der dortigen Jesuitenherrschaft. Nur freiheitliche Gesellschaften prosperieren nach Überwindung autoritärer wie diktatorischer Strukturen ihrer Staaten. Religiös dominierte und totalitäre Systeme hindern den sozialen Fortschritt und die ökonomische Entwicklung. 

Man muss im Einzelfall prüfen, inwieweit spezifische Interessenlagen in der Wechselbeziehung zwischen der jeweiligen Machtebene und der Entscheidungsebene dieser Länder bestehen. Modelle westeuropäischer parlamentarisch-demokratisch verfasster Systeme (Staaten) sind nicht übertragbar, da sich die Länder Nordafrikas und des Vorderen Orients in Prozessen nicht abgeschlossener Ethnifizierung befinden. Insofern gewinnt das Argument betreffend den Einfluss des politischen Islam ein hohes Gewicht. 

Die islamischen Kräfte, z.B. in Ägypten, operieren seit ihrer Gründung nach dem Ersten Weltkrieg in den zwanziger Jahren im Verborgenen. Sie wirken im Hintergrund. Es handelt sich um eine Praxis, die aus einem langen Widerstandskampf gegen die Osmanen und später die Briten sowie die europäischen Kolonialmächte Frankreich und Spanien (Algerien, Marokko) resultierte.

Aufgrund ihrer z.T. archaischen oder traditionalistischen Denkmuster ihrer Mehrheitsgesellschaften sind sie betreffend heutiger Modernisierungsprozesse einschließlich der Globalisierung dazu nicht in der Lage. Die Folge ist, dass Innovationen und Investitionen in nur geringem Maße erfolgen. In Marokko gibt es einige positive Anzeichen. Dort gibt es eine autokratische Monarchie, die durch alte Eliten gestützt wird. Das Königshaus (Alawiden) arbeitet mit mehr oder weniger "gemäßigten" islamischen Parteien zusammen: der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) und der Partei für Authentizität und Modernität (PAM). Es gelang dadurch, den Einfluss extremer Islamisten zurückzudrängen. Dies geschah mit polizeistaatlichen Methoden, zumal nach einem Attentatsversuch auf den König. Es soll dort eine Umwandlung einer konstitutionellen in eine parlamentarische Monarchie erfolgen. 

Es gibt in Marokko gegenwärtig Bestrebungen, den Islam-Unterricht zu reformieren. Die bisher gültigen Lehrbücher sind vor mehr als zwanzig Jahren unter dem Einfluss wahabitischer Religionslehrer in einem dogmatischen und fundamentalistischen Sinne verfasst worden. Sie entsprechen nicht mehr den Vorstellungen des Königs. Mohammeds VI. vertritt einen toleranten und gegen alle Formen des Islamismus gerichteten Islam. 

Die Türkei hat seit Atatürk und seiner Modernisierungspolitik, die den Islam einschränkte, zumindest dessen Symbole, positive wirtschaftliche Entwicklungen zu verzeichnen. 

Die Türkei befindet sich gegenwärtig in einer Phase der Rückgriffe auf großtürkische Ambitionen, die an wahnhafte historische Traumvisionen erinnern. Diese alles erfolgt in islamischem Bezug, also in enger Orientierung und Anbindung an die konservativen Fraktionen im sunnitischen Islam und dessen religiöse bzw. theologische Eliten. Die rechtskonservative AKP steht dabei im Bündnis mit der sunnitisch-nationalistischen MHP. Beide schüren den Hass und rufen Ängste und Unsicherheit in den ethnischen, sprachlichen und religiösen Minderheiten des Landes hervor. 

Neben der Frage nach politischer Verantwortung dieses formal parlamentarisch und rechtsstaatlich verfassten Landes, das der westliche Zivilisation durch NATO-Mitgliedschaft und den seit 1972 angestrebten Beitritt zur EG/EU verbunden ist, stellt sich die Frage nach dem Wirken und möglichen Verantwortungsbewusstsein der islamischen Eliten. Entsprechende gilt für die Trägern die Vertreter des Islam, die Theologen als Ausleger des Koran in allen Ländern des Orients. 

Es besteht gegenwärtig eher der Eindruck, dass die Legitimationsfunktion für staatliche Macht, Herrschaft und Gewaltausübung sich in unsäglichem Maße offenbart und dass eine Mitschuld physisch erfahrener Gewalt sowie psychisch intendierter Gewalt sich perpetuiert. All dieses widerspricht dem Kern der religiösen Ideologie des Islam, dem Gedankengebäude des Koran an sich. 

Die Staaten der arabischen Halbinsel, die von der Ölförderung finanziell abhängig sind, geben sehr viel Geld für privaten Luxus aus, für Prestige-Bauten, einen aufgeblähten Polizei-Apparat sowie das Militär. 

Dieses ist in gewisser Weise vergleichbar mit der historischen Situation in Spanien. Dort wurde das in Südamerika expropriierte Gold und Silber in hohem Maße konsumptiv eingesetzt, wovon England durch den Export von hochwertigen Waren profitierte. Die Industrialisierung Englands wurde in entscheidender Weise durch aus Spanien zugeflossenes Kapital gefördert. Das spanische Kapital hatte die Funktion von Investivkapital für Großbritannien. Der britische Historiker Eric Hobsbawm hat darüber geforscht. 

Von Historikern wird dabei kaum diskutiert, inwieweit die erzkonservative und rückwärtsgewandte katholische Kirche in Spanien in Verbindung mit dem dortigen Kleinadel dieses ursächlich oder partiell mit bewirkt hat. Die Patrones haben ihrerseits in Südamerika Fuß gefasst und an der Ausbeutung der spanischen Kolonien profitiert, sowie nach den Unabhängigkeitskriegen der neu gebildeten Staaten. Als die Quellen von Gold und Silber für Spanien versiegten, begann der ökonomische Niedergang Spaniens und auch Portugals. Auch für das 19. Jahrhundert ist die Rolle der katholischen Kirche nicht thematisiert worden. 

Konkrete Bezüge zwischen Verhinderung von Modernisierungen und wirtschaftlichem Fortschritt durch religiöse oder allgemeine Glaubenssysteme sind nur begrenzt zu erforschen und zu erklären. Entsprechende Thesen können aber aus den gegebenen Zusammenhängen abgeleitet werden. Man kann davon ausgehen, dass generell seitens der Kirchen kein Interesse an diesen Forschungsansätzen besteht. 

Entsprechendes gilt für kommunistische Glaubenssysteme im 2o. Jahrhundert. Sie haben nach wenigen Jahren der Machterringung durch Überrüstung, also extensive Ausweitung und Privilegierung des Militärapparates, den eigenen Niedergang und Zusammenbruch hervorgerufen: die Sowjetunion von Lenin über Stalin bis Breschnew; China unter der Mao-Herrschaft. Die wesentliche Ursache lag dort u.a. in einer unqualifizierten Funktionärsschicht, die bis zuletzt formal die kommunistischen Lehren vertrat und letztlich verantwortungslos handelte. Dies geschah in allen Ländern des damaligen Ostblocks, so auch in der DDR. Ein Eingeständnis von Schuld und Versagen ist dort – abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Günter Schabowski –, niemals erfolgt. 

Es ist durchaus umstritten, diese Zusammenhänge zu erforschen. Die politischen Eliten haben erkennbar kein Interesse daran. Vermutlich gibt es in der sozio-ökonomischen Geschichtsforschung Tabu-Bereiche. Es bleibt festzuhalten, ursächlich verantwortlich Handelnde sind generell die Vertreter der Glaubenslehren. 

Es gibt ein weltpolitisches Dilemma: Zum einen ist es eine internationale Rechtslage auf Grund der Anerkennung der Konventionen durch alle Mitgliedsstaaten der UNO. Dieses auf der Grundlage von Humanität bzw. den Menschenrechtskonventionen. Zum anderen zeigt die Realität, dass diese gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern nicht durchgesetzt wird. Es gibt kein erkennbares globales Interesse, Fluchtursachen zu bekämpfen. Im Gegenteil. Man kann davon ausgehen, dass Krisen und Konflikte weltpolitisch bzw. weltökonomisch herbeigeführt werden. Dies erfolgt sowohl wissentlich als auch z.T. gezielt durch die Eliten der etablierten Staaten. Unterentwicklung sowie als Bürgerkriege apostrophierte tödliche Gewaltauseinandersetzungen biblischen Ausmaßes im Nordosten Afrikas kennzeichnet die heutige Situation. 

In diesem Spannungsfeld stehen in unserem Binnensystem Kräfte, die Abwehrkräfte mobilisieren [AfD (D), FN (F), FPÖ (A), Fides (H), PiS (PL) und andere. Sie überdecken den Bereich des Neopopulismus bis über den Rand des Neokonservatismus hinaus. Auf der anderen Seite agieren Kräfte des religiösen und politischen Fanatismus, die das Spannungsdilemma zunächst hervorrufen und dann in extremer Weise verstärken und es in verbrecherischer Weise für ihre Partialinteressen nutzen. Sie machen dadurch mögliche Lösungsansätze von Humanität zunichte. Sie benutzen dazu Glaubenslehren, aus denen sie ihre wirren Machtansprüche herleiten. Es geht nicht um »Religion und Gewalt« im engen Sinne. Religionen bilden eine jahrtausendealte Menschheitsgeschichte ab. Ihnen ist Gewalt immanent. Wenn, dann geht es um das Handeln von Menschen im Kontext dieser Weltreligionen. 

Im vorhandenen Text handelt es sich z.T. um kolportierte Meinungsäußerungen, die ohne spezifische Belege angeführt worden sind. Die genannte These vom Islamofaschismus muss insofern relativiert und in Frage gestellt werden. Man sollte sich Zurückhaltung auferlegen bei der vorschnellen Beurteilung der Mitglieder und Wähler der AfD. Eine unreflektierte negative Pauschalisierung und generelle Zuordnung zum extremen "rechten Rand" ist nicht angemessen und sollte vermieden werden. 

Es handelt sich oftmals um Bürger_innen, die sich in Situationen von Sorge und Ängsten befinden, woraus Misstrauen gegenüber den etablierten Parteien und gewählten Regierungen wie den Parlamenten resultiert. Unspezifisch richtet sich der Unmut allgemein gegenüber dem Staat bzw. dem Establishment; z. T. in Verbindung mit diffusen Verbindungen zum "Überstaat" der EU. Kennzeichnend ist vielfach eine Unkenntnis der politisch-ökonomischen globalen Bedingungen wie auch die sozio-strukturellen Zusammenhänge. 

Beeinflussungen und Manipulationen erfolgen durch Demagogen und unverantwortlich oder gar kriminell agierenden populistischen Kräfte. Man ist ihnen aufgesessen. Dieser Sachverhalt wird oftmals verdrängt. 

Die erfolgenden verbalen Attacken seitens der AfD und Pegida zeigen auch die Hilflosigkeit, Verunsicherung, vielfache Perspektivlosigkeit die Bewohner strukturschwacher Regionen in Deutschland und dem Europa der EU. In einem zunehmend areligiösen Land ist das ein Ventil politischer Verbalradikalität. 

15. Fazit 

Ein Fazit kann knapp formuliert werden: 

  1. Gesellschaftliche Verhaltensweisen, die in religiösen Kontexten stehen, können nicht ursächlich den beschriebenen Gewalttaten zugeordnet werden. 

  2. Religiöse oder nichtreligiöse weltliche Glaubenslehren sind in ihrem Kern und Ursprung keine bestimmenden Größen für individuell oder durch Gruppen ausgeübte Gewalttaten. Eine fromme Glaubensausübung ist wertvoll und ehrenhaft, sie trägt aber nicht zur Lösung der brennenden Fragen unserer Zeit bei. 

  3. Der Ursprung dieser Taten allgemeinen Unrechts liegt in dem Bestreben von Menschen Macht auszuüben und Herrschaft auszuweiten. Ziel ist jeweils, Macht über andere Menschen, Gruppen, Ethnien zu erringen und dieselbe in den eroberten Räumen zu behaupten. 

  4. Verwerfliches Tun kann irrationale und krankhaft-psychische Ursachen habe. Es kann wahnhaft sein oder von Wahnvorstellungen begleitet oder abgeleitet sein. 

  5. Aktuelle Erscheinungen im Bekleidungsverhalten und anderem Habitus von Menschen, zumeist gilt dies für Frauen, können in definierten Fällen im Zusammenhang mit einer Religionsausübung stehen. Es ist oftmals wahrscheinlich, dass weitere individuelle wie gruppenspezifische Bedingungen vorliegen. 

  6. Eine Abhilfe kann langfristig nur dadurch erfolgen, dass wortgläubiges Denken im aufgeklärten Sinne durch symbolspezifisches Denken ersetzt wird mit dem sich daraus ergebenden veränderten Handeln.

In diesem Zusammenhang ist das Bildungssystem gefordert. Es muss in Zusammenarbeit mit modern ausgebildeten Theologen und den in Westeuropa ansässigen Religionsgemeinschaften erfolgen. Nur so kann der Teufelskreislauf von Indoktrination und Manipulation unterbrochen werden. Vielleicht kann dadurch auch das Hineinziehen junger Menschen in verbrecherische Gewalttaten, dem Morden Unschuldiger Einhalt geboten werden. 

Wir müssen andererseits akzeptieren, dass nicht alle Ursachen mit rationalen Ansätzen erklärbar sind. Die Probleme sind vor allem nicht mit Praktiken lösbar, wie sie in einer aufgeklärten mitteleuropäischen Gesellschaft entsprechen. Dazu zwei Beispiele aus anderen aktuellen Bezügen: 

A. Palästinensische Jugendliche, die auf israelische Sicherungskräfte sowie unbeteiligte zivile Menschen Steine werfen, verstehen dieses als Bestandteil eines Kampfes für Freiheit und Unabhängigkeit. Die gegenseitige Welt versteht es als Ausdruck von irrationaler Gewaltausübung und Terror. 

B. Ultraorthodoxe jüdische Jugendliche, die in Jerusalem am Sabbat auf andere Menschen, Israeli oder Touristen, Steine werfen, verstehen dieses als Verteidigung religiöser Rechte, gar als göttliches Gebot, zur Verteidigung dieses Ruhetages. Die Menschen der Gegenseite empfinden es als kriminelle Gewaltausübung und vorsätzliche Körperverletzung 

Betreffend der Religion muss an drei Ebenen unterscheiden: 

I. Der Koran wurde in der arabischen Sprache des siebten Jahrhunderts verfasst und enthält Sprachelemente u.a. des Aramäischen und des Sanskrit. 

II. Das religiöse System, hat sich bis ins 13. Jahrhundert herausgebildet und danach keine inhaltliche Veränderung mehr erfahren. Der Koran hat auch keine Anpassung an spätere oder modernere Sprachentwicklungen des Arabischen erfahren. 

III. Die Praxis der sich auf den Islam beziehenden Gesellschaften, die sich in autoritären oder diktatorisch organisierten Staatsgebilden befinden. Gegenwärtig ordnet man diese Staaten in neo-autoritäre oder illiberale Demokratien ein. Beispiele sind Syrien, Ägypten, Tunesien und die Türkei. 

Ein substanzielles Problem ist, dass Menschen, die das moderne Hocharabisch beherrschen, die Feinheiten der damaligen diskursiven Diktion und mystischen Tiefen des in altarabisch geschriebenen Koran kaum noch verstehen, aber aus ihrem aktuellen Sprachverständnis heraus Übersetzungen anfertigen. Die Übertragung in moderne Sprachen ist schwierig und strittig. Sie erschwert die Interpretation, Deutung und Auslegung der Schriften Mohammeds enorm. 

Diese Problematik ist im deutschen Sprachraum bekannt. Ein Vergleich wäre die Entwicklung vom Althochdeutschen über das Mittelhochdeutsche in oberdeutsche und niederdeutsche Idiome, die dann letztlich über die Kanzleisprache des Mittelalters in das Hochdeutsch der Neuzeit mündete vor allem dank der Rolle Martin Luthers. 

16.1 Schlussfolgerungen 

Mit dem Verhältnis des Islam zu den Gesellschaften Mittel- und Westeuropas verbinden sich gravierende, andererseits aber nur wenig diskutierte Probleme. 

Erste Problematik: Das sozialpolitische Problem der sog. Integration von Migranten. Da es bisher in Deutschland kein Migrationsgesetz gibt, ist der Begriff rechtlich nicht definierbar. Wissenschaftlich ist er ebenfalls nicht eindeutig einzuordnen. Die Begriffe Migration oder Migranten sind sehr unspezifisch. Unabhängig davon, dass ein solches Gesetz zwar vielfach gefordert wird und angemahnt ist, wird es in rechtskonservativen Parteien und traditionalistischen Gruppierungen systematisch verhindert. Vernünftige und sinnvolle Ansätze werden ignoriert. 

Der Begriff Integration ist zudem unspezifisch. Man muss differenzieren in Enkulturation und Akkulturation. Unter Enkulturation versteht man ein vollständiges Hineinwachsen der Migrant_innen in eine Gesellschaft unter Übernahme der vorhandenen Wertordnung und Verhaltenspraxis. Unter Akkulturation versteht man die Akzeptanz der gegebenen Ordnung, die Befolgung der Regeln unter gleichzeitiger Beibehaltung einer eigenen kulturellen Praxis im privaten Rahmen oder dem der Gruppe. 

Man kann Flüchtlinge und Asylbewerber nicht ohne Vorbehalt unter diesen Begriff einordnen. Flüchtlinge unterliegen den Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. Für Asylbewerber gilt das Grundgesetz [Art. 16 Abs. 2 Satz 2; seit der Ergänzung 1993: Art. 16a Abs. 1 GG; eine weitere Veränderung wurde 2015 vorgenommen]. Insofern gibt es eine Rechtslage, wenngleich sie in konkreten Fällen unterschiedlich gehandhabt wird. Es spricht nichts dagegen, beide Gruppen unter den Sammelbegriff Flüchtlinge zusammenzufassen, da die Ursachen für die Beweggründe zur Flucht ähnlich oder deckungsgleich sind. 

In einigen Kreisen werden sinnvolle und praktikable Regelungen, die alle Flüchtlinge betreffen, von interessierten Gruppen bekämpft. Menschen, die sich für die Betroffenen einsetzen, werden angefeindet und z.T. aggressiv bedroht [Pegida, AfD sowie durch weitere Gruppen, die in in der Anonymität agieren]. Berichte über Gewaltakte sind seit Jahren alltäglich in den Medien wahrnehmbar.

Migranten haben keinen rechtlichen Anspruch auf dauerhaften Verbleib in dem Land der EU, das nach der Flüchtlingskonvention oder dem entsprechenden nationalen Asyslrecht ihnen Aufenthalt und Schutz und Sicherheit gewährt. Das geltende Recht garantiert einen temporär befristeten Aufenthalt. Die Intentionen der Flüchtlinge nach einem humanitär geduldeten Familiennachzug kann nur nach dem jeweiligen nationalen Recht erfolgen. 

Für eine längerfristige Lösung im Sinne einer dauerhaften Einwanderung und Integration in die Länder der EU gibt es bisher euroapaweit keine Konzeption geschweige denn einen Konsens über grundsätzliche Fragen der Zuwanderung oder auch politische Zieldefinitionen. 

Für die Betroffenen bedeutet es im jeweiligen Land lediglich das Zugeständnis temporärer Sicherheit ohne verbindliche Zukunftsperspektiven. Diese könnte es für Teile von ihnen im Sinne einer Einwanderung geben, die sich an die gegenwärtig geduldete Zuwanderung anschließt. 

Der gesamte komplexe Hintergrund der – sprachlich abgemildert – als Fluchtursache der Herkunftsländer bezeichnet wird, bleibt dabei ungelöst und für überschaubare Zeiträume illusionär. Die Gesamtproblematik dort, die sich in physischer Vertreibungspraxis gegenüber den jeweils "anderen" Bevölkerungsgruppen zeigt, in individuellen wie gruppenspezifischen Gewalteskalationen bis hin zu regional genozidalem Ausmaß, bleibt bestehen. Die Problematik droht gegenwärtig sich zu verschärfen. 

Am Rande ergibt sich daraus, dass auf Grund sinkender Einwohnerzahlen eine längerfristige Zuwanderung in fast allen Ländern der Europäischen Union erfolgen wird. Hinzu kommt ein Fachkräftemangel in vielen Bereichen. Dies alles ist bisher durch unsere Administration ungesteuert. In keinem EU-Land gibt es dafür eine klare Konzeption, keinerlei erklärten Willen dazu. Mehrheitsfähige Ansätze sind in unseren Gesellschaften in einem größeren Konsens nicht erkennbar. 

Gedanken wie Nächstenliebe im unterschiedlichem Denken und Handeln sind in den europäischen Ländern, die sich auf das Christentum beziehenden, zu Leerformeln verkommen, wenn sie es dem Inhalt und der Praxis nach jemals waren. 

Der polnisch-deutsche Historiker Dariusz Adamczyk entgegnete einmal in einer Diskussion auf die Frage einer Teilnehmerin, warum man im katholisch-christlich geprägten Polen keine Flüchtlinge aufnehmen wolle: "So katholisch sind die Polen nicht. Kaum einer liest dort das Alte oder Neue Testament." 

Ansätze einer Steuerung seitens entwickelter Staaten Migranten zu fördern und zu qualifizieren und dadurch Voraussetzungen zu schaffen für eine sinnvolle Integration sind seitens der EU niemals ernsthaft erwogen worden. Der Mainstream der politischen Auseinandersetzungen der 28 Mitgliedsstaaten der EU ist auf dieser Ebene eher restriktiv am jeweiligen postulierten nationalen Interesse orientiert. Für die klassischen Einwanderungsländer gilt dieses in noch höherem Maße. Insofern gibt es wenig realistischen Chancen, die religiös legitimierten Gewaltspiralen in den Krisenländern und Kriegsregionen auszuhebeln. 

Es ist strittig, ob aktive Teilnehmer – in all deren Facetten – , im Falle der Niederlage einer der Bürgerkriegsparteien als Asylbewerber anerkannt werden können. So makaber es ist: Je mehr Flüchtlinge als Opfer anerkannt und aufgenommen werden, desto mehr werden erzeugt. Ein Jahrtausende alter Tabu-Bereich für den es keine Lösungen gibt. Bassam Tibi gibt Hinweise auf das Tabu »Migration, Sicherheit, Islamismus«. Für die "neuen Deutschen", die eine Identitätsalternative suchen, wird dies oft der Scharia-Kopftuch-Islam sein. [Bassam Tibi am 23. 10.2016]. 

Über die begriffliche Abgrenzung von und Definition von Einwanderung, Zuwanderung und Integration ist vielfach publiziert worden. Ein Teil des Komplexes, der mit der Thematik »Gewalt und Religion« verbunden ist, kann nicht vertieft werden. 

Es ist andererseits fraglich, wie Tibi in seiner tendenziell zynische Argumentation Lösungsansätze aufzeigt bezüglich der Hintergründe, der Machtauseinandersetzungen der Fluchtursachen. 

Einige indirekte Versuche in Deutschland erinnern bereits an die Praktiken der klassischen Einwanderungsländer wie: USA, Kanada, Australien und NZL. Man möchte dort jeweils spezifisch qualifizierte Zuwanderer anwerben und nach den jeweils dort gültigen Regeln integrieren. Diese Zuwanderer sind ihrerseits hoch motiviert und leistungsbereit. Dadurch, dass man in diesen Ländern seit vielen Jahren auf einen z.T. intensiv praktizierten brain drain setzt, wertet man andererseits den ursprünglichen Aus- wie Einwanderungsgedanken ab. 

Negative Seiten für die vom Abfluss ihrer Fachkräfte betroffenen Ländern werden in der Regel von den Eliten dieser genannten zur westlichen Hemisphäre gehörenden Länder ignoriert. Im Gegenteil, man kann dort das eigene Bildungs- und Ausbildungssystem sträflich vernachlässigen wie z.B. in den USA, wo im Wesentlichen hoch spezialisierte Einrichtungen gefördert werden. Ziel ist dort offensichtlich eine Maximierung des ökonomischen out put durch Import von human capital. Es gilt das Primat ökonomischen Denkens im neokapitalistischen Sinne. 

Weltpolitisch gesehen handelt es sich um moderne Formen von Ausbeutung von Menschen, von Aussaugen von Ressourcen und der Expropriation ärmerer Länder. Insgesamt handelt es sich um Formen unwürdiger Inhumanität, die dem Grundgedanken der Vereinten Nationen widersprechen. Dieses alles verschärft die Gesamtproblematik in den meisten

Ländern Asiens, Osteuropas und seit eingen Jahrzehnten auch Nordafrikas sowie des Vorderen Orients. Die Länder Afrikas gehören dabei schon zu den vergessenen des 20ten und 21ten Jahhunderts. Sie werden z.T. als failed states eingeordnet und dadurch faktisch abgeschrieben. 

Die Ausbeutung der ärmsten Länder ist nach wie vor skrupellos. Auch Konzerne in der EU beteiligen sich an der Ausbeutung der Ressourcen in Afrika. Dieses erfolgt – wissentlich – zu Lasten der gesamten Bevölkerung. Nur eine kleine korrupte Elite des jeweiligen Landes kann teilhaben und die Militärausgaben und den eigenen Luxus finanzieren. 

Frankreich bezieht aus Niger, dem ärmsten Land Afrikas Uran, China Öl und Kohle. Weiterhin mehren Gold und Zinn den Reichtum der Industrieländer und die Taschen der wenigen korrupten Politiker dort. Der Bezug zur Thematik Gewalt und Religion ist deshalb sehr problematisch. Es gibt in den Regionen der südlichen Sahara Kämpfe zwischen verschiedenen Stämmen oder Ethnien innerhalb der dortigen fragilen Staaten, die zugleich Auseinandersetzungen sind zwischen den großen monotheistischen Religionen. Die wiederum versuchen, die Reste der ursprünglichen afrikanischen Naturreligionen zu verdrängen durch Überlagerung. Wesentlich geht es in den westafrikanischen Ländern um Macht und Einfluss. So ist auch der Kampf zwischen Katholizismus und Islam dort zu werten. Er wird u.a. auf symbolischer Ebene geführt. Beispiel davon ist konkurrierend die Größe einer Kirche und einer Moschee. 

Hieran knüpft sich die zweite Problematik an: Diese wird nicht als solche thematisiert, nämlich die soziale und ökonomische Entwicklung in den betreffenden Regionen der Welt. 

Mit dem "Einwanderungssog" einiger Länder vergleichbar ist auch der "Rückwanderungsdruck" von Menschen aus Lateinamerika in die Herkunftsländer ihrer Vorfahren (Italien, Spanien, Portugal), selbst wenn sich diese Länder gegenwärtig in ökonomischen Krisensituationen befinden. 

Vorhaben zur Verbesserung der Situation der Menschen z.B. in Jordanien (1,3 Mio Flüchtlinge), in Afghanistan (Wiederaufbau) oder dem Irak sowie den bereits vorgenommenen Planungen für die Nachkriegszeit in Syrien, die allesamt mit erheblichen Summen in Milliardenhöhe aus der EU finanziert werden müssen, sind in gewisser Weise vordergründig. Sie sind zunächst eine gegenwärtige, möglicherweise aber nur eine ungesicherte vorübergehende Hilfe. Die Gefahr besteht, dass sie sich als dysfunktional erweist weil sie – zumindest bisher – in ihrer Substsanz noch konzeptionslos ist. 

In den über mögliche Finanzmittel verfügenden Ländern [EU, USA, Kanada, China, Japan, Australien, NZL] sind die Maßnahmen, die Methoden und vor allem die konkreten Ziele umstritten. Ein Konsens, der an den Prinzipien der UNO, wie Development und Education orientiert ist, ist gegenwärtig kaum erkennbar. 

Eine nur noch pervers zu bezeichnende Rolle haben die Öl-Staaten der Saudis und die Scheichtümer am Golf, z.T. auch der Iran inne. Es ist mehr als eine Vermutung, dass die dortigen Eliten, die über die politische wie militärische Macht Verfügenden, wie auch die Inhaber ökonomischer Machtquellen, keineswegs an kurz- oder langfristigen Lösungen der Problematik interessiert sind. 

Dies alles ist verknüpft mit der dritten Problematik, der »Rolle des Islam«. Sie ist regional dem Vorderen Orient bis hin zum Iran und zu Afghanistan und Pakistan sowie Teilen Indonesiens und Nordafrikas zuzuordnen. Dies kann im gegebenen Zusammenhang nur skizziert werden. 

Die Rolle des Islam in seiner Vielfalt, seinen Verzweigungen, ist betreffend einer notwendigen Modernisierung auf ökonomischer Ebene wie auch der Gesamtheit der betreffenden Gesellschaften keineswegs hilfreich. Die erkennbare Praxis ist hemmend und letztlich kontraproduktiv. Ein klassisches negatives Beispiel stellt Algerien in der Phase nach Ende des Unabhängigkeitskrieges von Frankreich dar. Spätere gewaltsame Auseinandersetzungen mit militant-islamistischen Gruppen in Nordafrika kamen hinzu. 

Man kann die These vertreten, dass der Islam, genauer: die ihn definierenden und in der Gesellschaft tragenden wie ihn repräsentierenden Eliten, die gleiche Rolle in ihrer Geschichte innehatten und weiterhin haben, wie vergleichbar die religiösen (kirchlichen) Institutionen Europas mit ihrer jeweiligen geistigen und politischen Geschichte seit dem Mittelalter innehatten mit ihrer fatalen Praxis und den Folgen. Die Stufen des Klerus und seiner Hierarchie stabilisierten die jeweiligen feudalen europäischen Machteliten und trugen zu deren Reproduktion bei. Sie hatten über viele Jahrhunderte hinweg eine Funktion inne zur Zementierung dieser feudalen Herrschaft bis hin zu den späteren autokratischen Adelsherrschaftsformen sowie den absoluten Monarchien. 

Sie verhinderten bis in die jüngste Zeit hinein Ansätze zu Demokratisierung, Liberalisierung und hemmten die sozialen Bewegungen, auch über das Ende des "langen" 19. Jahrhunderts hinaus, das dem Ende des I. Weltkrieg historisch zugeordnet wird. Sie bekämpften, blockierten und diskreditierten weitgehend die sozialen Bewegungen und hinderten soziale Aufstiegschancen. Einige erfreuliche Ausnahmen im Katholizismus wie im europäischen Protestantismus, zumeist ausgehend von den niederen Ebenen, seien dabei zu konzedieren. In diesem Zusammenhang ist wesentlich die Unterdrückung der Frauen in Europa und Amerika, eine eklatante Benachteiligung von Frauen und Mädchen, bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein.

Die Ursache dafür ist nicht in religiösen Glaubenslehren zu finden, nicht im Christentum oder dem Islam, nicht im Koran, der Thora oder der Bibel. Wenn, dann kann man Formen von religiösem Wahn anführen. Man spricht allerdings besser von religiös motivierten Irrationalismen und den damit verbundenen Vorstellungen. Dieses ist aber ein weiteres Problem. Gegenwärtig sind zu benennen: Formen von Manipulationen und Indoktrinationen von Menschen, Methoden zum Missbrauch von Lehren, Perversionen von Werten. 

Es schließt sich die aktuelle Problematik junger muslimischer Migrantinnen im modernen Europa an. Sie befinden sich oftmals im Zwiespalt von Pressionen, Ungewissheiten, Traditionen, verbunden mit patriarchalischer Gewalt der Männergesellschaft und deren Herrschaft in den Herkunftsgesellschaften. Für einige ergibt sich eine unreflektierte wie kontraproduktive Flucht ins Symbolische. Sie zeigen diese Symbole nach außen: Kopftuch, Burka und Nikab. Es ist gekoppelt mit traditionalem Verhalten, das oftmals eine Regression in an sich für die Frauengeneration z.B. der Türkei überholte Formen und Praktiken darstellt. Kompliziert wird die Situation, wenn eine Verknüpfung mit spezifischem Trotzverhalten heranwachsender Mädchen erfolgt. In jüngster Zeit kommt ein Umschlag in hoch aggressives Verhalten bei muslimischen Mädchen und jungen Frauen hinzu. 

16.2 Abschlussbemerkungen (allgemein) 

Zur Beurteilung der Gesamtproblematik muss man die Ebene von Religionsfreiheit verlassen. Um diese handelt es sich im Wesentlichen im gegebenen Zusammenhang nicht. Wir müssen uns unqualifizierte und z.T. aggressive Äußerungen in den Medien, der (politischen) Öffentlichkeit, in Leserbriefen der Zeitungen, in den sog. »Sozialen Medien«, die an äußeren Erscheinungen orientiert sind, beschäftigen und sie nachdrücklich zurückweisen. Die von vielen Bürger_innen praktizierte Willkommenskultur ist wertvoll und schön – oftmals aber kaum mehr als "gut gemeint". 

Leider ist eine große Skepsis angesagt bezüglich der Frage, ob die Vertreter, Repräsentanten, die den "Ton angebenden", die über die Definitionsgewalt Verfügenden, in den muslimischen Gemeinschaften in Europa zum Besseren beitragen können oder wollen. 

Es scheint, dass sie weitgehend unwillig, unfähig, überfordert oder den Zwängen ihrer Traditionen verhaftet sind. Die Mehrheit der Menschen befindet sich zudem oftmals in wirtschaftlich nicht gesicherten Lebenssituationen und ist im Denken rückwärtsgewandt. Langzeitdenken und Nachhaltigkeit als unabdingbare Kategorien der Moderne im Sinne von sozialen und ökonomischen Fortschritten einer Gesellschaft sind ihnen fremd. Dies ist ihnen wahrscheinlich wenig bewusst und wird von den Eliten ignoriert. 

Die Mehrheit der Menschen hat keine real erfahrbaren Perspektiven. Viele leben in oftmals selbst gewählten abgegrenzten Nischen ihres sozialen Daseins und vermögen dadurch in individualistischer Abgenzung, Abgeschiedenheit temporär "nur" in aller Bescheidenheit zu überleben. Leider sind Verelendungsprozesse in vielen muslimisch geprägten Gesellschaften erkennbar. Die Prekarisierung von Großregionen nimmt zu. 

Das Verhalten der genannten Individuen wie Gruppen ist damit dysfunktional und kontraproduktiv. Aus diesen Zusammenhängen heraus entstehen Gewaltbereitschaft, Irrationalitäten und führen in Europa zu empfundener wie vorhandener Terrorgefahr. Hoffnungslosigkeit in muslimischen Milieus schlägt um in Sehnsüchte von Verheißungen. 

Durch Rückgriffe auf uralte Mythen konstruieren Demagogen eine Pseudolegitimation ihrer Gewalttaten zur Ausübung von Tötungsvorgängen und auch zur verbrecherischen Zerstörung historischer Kulturgüter. Die Machthabenden der reichen Öl- Länder wie auch des IS/Daesh nehmen seit langem die weitere Verelendung der Menschen dort bewusst in Kauf um die Abhängigkeit ihrer Opfer, die Täter zugleich sind, zu perpetuieren. 

Zu den Glaubenslehren (zumindest) der monotheistischen Religionen gehören Kategorien wie Hass und Rache sowie andererseits Liebe und Versöhnung. Gefühle von Hass erzeugen Rache und bewirken aggressive Reaktionen. Sie verhindern und vertiefen bestehende Konflikte. Liebe dagegen kann Konsens erzeugen. 

Friedliche, gläubige Menschen, die in ihren Religionen glücklich leben, sind zu schützen. Sie haben dann aber selbst die Verantwortung zu tragen für alle Konsequenzen, wenn sie in einer abgekapselten Welt leben und mit Konflikten konfrontiert werden, die sie selbst nicht deuten und lösen können. 

Zu all dem kommen katastrophale Bedingungen hinzu, die aus Veränderungen des weltwirtschaftlichen Geschehens aus Klimaveränderungen (Desertifikation bisher semi-arider Regionen), Nahrungsmittelverknappung und steigende Wasserversorgungsproblematik resultieren, verbunden mit Verschmutzungen von Luft, Böden und Gewässern. 

Verstärkt wird dieses durch im höchsten Maße verwerfliches Handeln von über Finanzmittel verfügende Länder wie Saudi- Arabien, die Golf-Staaten, China und seit langem die USA, aber auch die EU-Länder. Sie sichern sich langfristig Ressourcen in ärmeren Regionen durch z.T. unseriöse und inhuman angelegte langfristige Pacht- und Nutzungsverträge, die wesentlich dazu dienen, die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln (Reis, Mais, Weizen) sowie von hochwertigen Rohstoffen zu sichern. Oftmals geschieht es mit Methoden von Bestechung und Korruption. Es entwickelt sich durch die zunehmende Eroberung z.B. der Märkte Afrikas von den Küstenregionen ins Inland ein weltweit ausbreitendes "Krebsgeschwür" der Weltgesellschaft in diesen ärmeren Ländern, die lange Zeit als Dritte bzw. Vierte Welt bezeichnet wurden. In Kenia und anderen afrikanischen Ländern sind Teile der ansässigen Landbevölkerung mit militärischen Gewaltmittel vertrieben und dadurch ihrer Lebensgrundlage beraubt worden.

Die perfide Methode der Machtausübung von Islamisten ist es, den Anspruch zu erheben, im Namen Gottes zu handeln und zwar unter der Vorgabe, seinen Willen anzuwenden und umzusetzen. Sie postulieren die Überzeugung, Gottes Willen zu kennen und dass durch sie selbst, also diejenigen die unsägliche Gewalt ausüben, Gott seinen Willen durchsetzt. Es handelt sich in diesem Falle um eine der schlimmsten Formen des Missbrauchs von Glauben. 

Die Mehrheit der Steuern zahlenden Bürger_innen in Deutschland, unabhängig davon ob sie »praktizieren« oder zu den seltenen Kirchgängern zählen, werden von Muslimen unter die Überschrift »Christen« eingeordnet. Eine Differenzierung ist für sie kaum möglich. 

Die Auswahl der Schriften war niemals eine Frage von Überzeugungen, die sich argumentativ durchgesetzt haben. Es handelt sich in solchen Fällen um Mehrheitsentscheidungen, die auf Machtbasis beruhen. Vermutlich sind die genannten Entscheidungen auch unter Einschluss von Gewalt zustande gekommen. 

»Theorien entstehen nicht aufgrund der Genialität von Menschen, sondern aufgrund von konkreten sozialen und politischen Konflikten, in denen Theorien deshalb formuliert werden, weil sie Kritik an bestehenden Herrschaftsverhältnissen legitimieren wollen«; (nach Salzborn). Dieser Gedanke zur Theoriebildung lässt sich gut übertragen auf die auf Mythen und Legenden aufbauenden heiligen Schriften der Religionen. 

Der Machtanspruch der »römischen« Christen richtete sich eine lange Zeit gegen die »Arianer«, deren Auffassung als »Antitrinitarier« bis heute vielen Christen nahe ist. Das Glaubensprinzip der »Trinität« hat in der römisch dominierten wie auch den reformatorischen Bewegungen der christlichen Kirchen eine hohe Bedeutung. In heutiger Sicht widerspricht es dem Prinzip individueller Glaubensfreiheit. Der Verfasser ist der Überzeugung, dass dieses zum Distanzaufbau vieler Menschen gegenüber den transponierten Aussagen der Kirchen beiträgt. Dogmatisches und doktrinäres Denken impliziert strukturelle Gewalt, das Erzwingen von zu Glaubendem und der damit verbundenen Verhaltenspraxis mit psychischen Methoden. 

Diese skizzierten Ansätze gegenüber der Mehrheit von Muslimen ihren archaischen Denkstrukturen zu vermitteln, erscheint fast unmöglich. Es verbietet sich andererseits auch, weil es in den Augen dieser Menschen als anmaßend seitens der westlichen Kultur angesehen wird und intolerant gegenüber ihnen als Migranten aus einer anderen Kultur empfunden wird. Zu diesem Komplex gehören auch, dass Kategorien wie »Verantwortung«, »Gemeinwohl« sowie Verhaltensnormen, die über Staaten durchgesetzt werden, unbekannt oder tabu sind. 

Dass ein Teil der jungen Muslima aufgrund unserer modernen Sozialisationsbedingungen diesen Weg innerer Emanzipation längst beschritten hat, ist beachtlich und erfreulich. 

Ein System, das ein kompaktes Schrifttum als »heilig« und »Gottes Wort« ansieht, kann sich aus ihm immanenten Gründen nicht aus sich heraus fortentwickeln. Dieses ist unmöglich und es gibt in der Geschichte kein Beispiel dafür. Es verbietet in der Regel sich durch die gesetzten Glaubensdoktrinen und Lehrmeinungen. 

Abweichler, die in der christlichen wie muslimischen Geschichte aus dem jeweils gültigen Glaubenssystem der Gemeinschaft auszubrechen versuchten, wurden ausgegrenzt, ausgestoßen, geächtet, diffamiert, verfolgt oder letztlich gewaltsam umgebracht. Grausame kriegerische Gewaltauseinandersetzungen im jeweiligen Geltungsbereich der monotheistischen Religionen mit vielen Opfern zeugen davon. Ein charakteristisches Beispiel ist »Kerbela«, als sunnitisch- schiitischer blutiger Gewaltakt oder die »Bartholomäusnacht« sowie die Verfolgung der Katharer im katholisch- royalistischen Frankreich als Symbol für die Verfolgung Andersdenkender. Im christlichen Abendland wurden sog. Ketzer (Häretiker) grausam zu Tode gebracht. Weiterhin kann genannt werden das Wüten der spanischen Inquisition sowie später die Unterstützung der Franco-Diktatur im spanischen Katholizismus. Zu erwähnen ist die Rolle der katholischen Kirche in der Slowakei und Kroatien sowie die der orthodoxen Kirche in Serbien im 20. Jahrhundert. 

In einigen islamisch geprägten Ländern droht Apostaten38 und Homosexuellen die Todesstrafe, Ehebrecher(inne)n gar die Steinigung. Dass in Iran, offiziellen Angaben der Behörden zufolge, Jahr für Jahr zehntausende Mädchen zwischen zehn und fünfzehn, mitunter auch unter zehn Jahren verheiratet werden, ist ebenfalls als Ausdruck von Inhumanität und Gewaltsamkeit einzuordnen. 

Das Prinzip des Machterhalts der jeweiligen Gruppe hat bis in die Gegenwart Vorrang. Physische Gewaltausübung und struktureller Zwang waren und die Folge und bilden weiterhin die Rahmenbedingungen. Auch dies ist als Hintergrund zur Erklärung von Spannungen und Gewalttaten in muslimisch dominierten Regionen einzubeziehen.

Beispiele für entsprechende Mythen sind »Abraham«, »Kain/Abel« sowie der »Moses-Mythos«. Relevant sind auch die Mythen, die verbunden sind mit dem »Tod Jesu« bzw. »Kreuzigung Christi« oder »Opfertod Jesu als Erlöser«, also die zentralen christlichen Glaubensinhalte und andererseits die Umformulierung und Neubeschreibung durch Mohammed im Koran. Es ist davon auszugehen, dass er nur auf diese Weise seine "neue" Religion abgrenzen konnte von den christlichen aus dem ehemaligen Römischen Reich mit seinen Nachbarregionen. 

Beispiele aus neuerer Zeit sind Abgrenzungsmechanismen neu entstandener Religionsgruppen, Sekten, Psycho-Kulte und pseudoreligiöse Psycho-Unternehmen wie die Scientology-Church. Die Methoden dieser Gruppen bestehen in der Konstruktion recht skuriler Glaubensformen. Verbote, Andersgläubige zu kontaktieren, sind Ausdruck dafür und die Sanktionen gleichen Psychoterror. Ausnahmen bestehen in der z.T. aggressiven und rechtlich grenzwertigen Rekrutierung neuer Mitglieder. 

Seit Einführung der kapitalistischen Produktionsweise weiß man historisch, dass die Bemühung um eine Transformation eines Feudalsystems in ein sozialistisches verheerende Folgen haben musste, weil es, mit Elias gesprochen, nicht nur um die Soziogenese einer Gesellschaft geht, sondern auch um die Psychogenese: Jede Emanzipationshoffnung musste utopisch bleiben, wenn sie glaubte, ein Mensch, der nicht zum Subjekt und Individuum emanzipiert ist, könne einen weitreichenderen sozioökonomischen Fortschritt aktiv mitgestalten.
Die Proklamation, dass eine Emanzipation der Gesellschaft nicht ohne die Emanzipation des/der Einzelnen möglich sei, hat aber tatsächlich einen harten ökonomischen Kern: Ohne das Verständnis des Menschen, Individuum und Subjekt zu sein, ist eine ökonomische Emanzipation zu einer auf Gleichheit und Rationalität fußenden Wirtschaftsform schlichtweg unmöglich, weil sie ihrerseits ein Maß an rationaler (Selbst-) Kritikfähigkeit voraussetzt, die nur dann herstellbar ist, wenn der historische Emanzipationsprozess zum politischen Subjekt stattgefunden hat (nach Salzborn). 

In zwei der wichtigsten (untereinander durchaus unterschiedlichen) islamisch geprägten Gesellschaften, im Königreich Saudi-Arabien und in der Islamischen Republik Iran, werden Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bis ins kleinste Detail von der sunnitisch-wahhabitischen bzw. von der schiitischen Richtung des Islam bestimmt und gestaltet. Die gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Situation beider Länder hat daher "sehr viel mit dem Islam zu tun", so dass hier der – bei Kritik an problematischen Aspekten islamisch geprägter Gesellschaften häufig verwendete – Einwand »Das hat ja mit dem Islam nichts zu tun«, nicht in Anschlag gebracht werden kann. Wofür immer die schiitische Islamische Republik Iran oder das sunnitisch-wahhabitische Königreich Saudi-Arabien stehen mögen – antikapitalistisch sind sie nicht. Sie praktizieren, im Gegenteil, einen ungleich brutaleren Kapitalismus als jenen der entwickelten kapitalistischen Gesellschaften des Westens. In den letzten Jahrzehnten scheint sich aber die Position des Subjekts im Kapitalismus und mit ihr der Charakter seines Unbehagens an demselben verändert zu haben. Die industrielle Revolution hatte die Subjekte aus ihrer Abhängigkeit von feudalen Strukturen befreit. Seither stehen sie (zumindest de iure) in keinem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis mehr – sind aber dem Zwang unterworfen, ihre Arbeitskraft verkaufen zu müssen. Gelingt ihnen das nicht, werden sie auf das Existenzminimum reduziert und sozial deklassiert. Ihre „persönliche Unabhängigkeit“ ist also, mit Marx zu sprechen, »auf sachliche Abhängigkeit gegründet« (nach Maani).

38 Apostasie ist der Abfall vom Glauben, ein Apostat ein Abtrünniger, ein vom Glauben Abgefallener.

16.3 Abschlussbemerkungen zur Gegenwart (gesellschaftspolitisch) 

Hierin liegen die Probleme islamisch geprägter Gesellschaften des Orients in Bezug auf die Transformation in die Moderne, die seit dem Ende des II. Weltkrieges erfolgt. Temporäre Fortschritte im ökonomischen, also kapitalistischen Sinne wie in Iran, Saudi-Arabien oder auch teilweise staatssozialistischen wie in Syrien oder dem Irak, wo die jeweilige Fraktion der Baath -Partei einen Laisierungskurs praktizierte. Iran und Saudi-Arabien sind Länder, die außen- wie innenpolitisch in erheblichem Maße Gewalt ausüben. 

Die Länder Nordafrikas haben keine wesentlichen gravierenden gesellschaftlichen Änderungen erfahren. Gravierend sind in den genannten Ländern die Disparitäten zwischen z.T. hoch entwickelten Zentren und der ländlich strukturierten Peripherie. Auf dem Land verblieb die Bevölkerung in ihrer traditionellen Lebensweise. 

Sicherlich haben die Modernisierungsschübe in den westlichen Gesellschaften seit den achtziger Jahren, hier vor allem im IT-Bereich und in der digitalen Vernetzung, zu einer Spannungserhöhung und als Konsequenz zur mentalen Verunsicherung der muslimisch-orientalischen Gesellschaften beigetragen. Irrationale Ausbrüche sind seitdem die Folge. 

»Genau deshalb bin ich ja auch pessimistisch, dass wir in den nächsten Jahrzehnten irgendetwas anderes im weltpolitischen Maßstab erleben werden als Abwehrkämpfe gegen diejenigen Bewegungen, die das Individuum verachten und das Subjekt hassen, ganz gleich, ob es dabei um radikale Islamisten sowie in Europa militante Neonazis oder rassistische Wutbürger geht. Der emanzipative Kern in der bürgerlichen Gesellschaft eingelagert ist die Emanzipation zum Individuum und Subjekt. Sie ist verstanden als ein Selbstbild des Menschen, das sich als eigenständiges, jenseits von den Zwängen einer göttlichen oder natürlichen Verklärung von Abhängigkeiten versteht, als Wesen, das aus diesem Selbstbild den politischen Anspruch aktiv ableitet, nicht mehr Objekt, sondern Subjekt von Politik zu sein. Dass die bürgerliche Gesellschaft dieses Versprechen nie ganz einlösen kann, weil sie Menschen zugleich in dieser Hoffnung wieder in ihren ökonomischen Zwängen zurichtet und auch die Emanzipation vom Glauben es im Weltmaßstab oft nicht einmal bis zum Deismus gebracht hat, ist fraglos die empirische Kehrseite dieser normativen Hoffnung. Es bleibt die Hoffnung, dass dieses Versprechen und damit die Option, dass die Welt irgendwann einmal doch ein Ort von Freiheit und Gleichheit sein könnten«. (nach Salzborn).

Man erkennt an diesem Beispiel die Nicht-Emanzipation orientalischer Gesellschaften, gesehen aus moderner europäischer Sicht. Diese Ursachen korrelieren mit Gefühlen von Herabsetzung und Machtarmut, wie sie für große Kreise der Migranten kennzeichnend sind. 

17. Wertschätzung 

Es handelt sich nicht darum, den Wert der Glaubensaussagen einer jeweiligen Glaubensrichtung und -gemeinschaft und deren Inhalte generell in Frage zu stellen oder die Bedeutung dessen für die daran Glaubenden, die Gläubigen, wie immer sie es für sich empfinden und verarbeitet haben, zu schmälern oder herabzuwürdigen. Wesentlich ist allein die Funktion im jeweiligen historisch-gesellschaftlichen Zusammenhang. Die Lehren in ihrer Zeit und die Frage von Neudefinitionen in den historischen Machtauseinandersetzungen, die Kämpfe um Herrschaft und Besitz. Die Gewalt ist dabei gegen Personen und Sachen gerichtet. Ein Muslim, der den Koran als unabänderlich und ewig gültig betrachtet, benutzt ihn gleichzeitig als psychische und intellektuelle Waffe. 

Völlig unabhängig davon sind Kategorien wie »Barmherzigkeit« oder »Liebe Gottes« einzuordnen. Dass die genannten Beispiele und aufgezeigten Zusammenhänge für gläubige Juden, Christen und Muslime nicht leicht zu verkraften und nur schwer nachvollziehbar sind, ist dem Verfasser bewusst. Es ist auch für ihn gegenwärtig, dass aus den genannten Glaubensinhalten die den lebensbedrohlich Kranken Trost spendenden Geistlichen daraus ihre seelsorgerische Kraft schöpfen. 

Die Fragen nach der »Gott-Vater«-Vorstellung in Bezug auf Jesus sowie der jahrhundertelange Disput »Zeugung/Schaffung« sind heute außerhalb jeglicher gesellschaftlichen Relevanz. Zur Zeit der Entstehung der Mythen und der jahrhundertelangen Auseinandersetzungen darüber hatte es aber eine zentrale Bedeutung. 

Es gibt Vertreter der Theologie und der Philosophie, die ihre Systeme als abstrakt und in sich abgehobene und abgeschlossene geistige Entitäten ansehen. Der Verfasser geht von einem generellen Zusammenhang zu den »Menschenwissenschaften« aus, von einer Interdependenz menschlichen Handelns und Denkens. Er steht der von Norbert Elias (1897 - 1990), dem Philosophen und Begründer der Zivilisationstheorie in der Soziologie nahe. 

Eine generelle Wertschätzung der Bedeutung und Wirkung von »Gebet«, »Meditation«, »In-sich-gehen«, »Andacht«, »Messe« und »Gottesdienst« etc., widerspricht dem nicht. Im Gegenteil, sie stellen in allen Menschengesellschaften einen kollektiven wie individuellen Wert dar. Zum konfliktreichen Problem kann etwas werden, wenn es sich um erzwungene Rituale handelt, insbesondere dann, wenn sie eine soziale Kontrollfunktion haben. Dann schließt sich der Kreis zur strukturellen Gewalt. 

Ein gravierendes Problem stellen kollektive wie institutionelle Verdrängungsmechanismen dar. Unbedarfte junge Muslime werden dadurch Opfer von Manipulationen und Indoktrination. Man kann den Koran nicht als einzig gültig ansehen und die bösen Taten, die im Laufe der Geschichte in seinem Namen oder in Verbindung damit geschehen sind, negieren, ignorieren und verdrängen. Dies ist als heutiges aktuelles Problem verwerflich. Man muss aber die darin enthaltenen Mythen, die Konstrukte von Legenden ob ihrer Funktionalität in der Vergangenheit und Gegenwart in Frage stellen dürfen, um sie notfalls »kaputtdenken« zu können. Man darf sie »zerdenken«. Der Islam hat aus der Sicht einer heutigen Wissenschaft diesbezüglich einen erheblichen Nachholbedarf. Nicht der »Koran« ist das Problem, sondern der »Islam«. Dieses zu verstehen und zu erläutern ist Aufgabe einer modernen wissenschaftlichen Herangehensweise an die Gesamtproblematik. Es ist die Aufgabe von Sozialwissenschaftlern und Theologen. 

Man muss unterscheiden zwischen Religionen als geistigem Ganzen, der Religionsausübung, der Religiosität, dem "einfachen" Volksglauben einschließlich seiner historischen und sozio-ökonomischen Wurzeln, also der Religion als System. Auch etablierte Theologen verbinden diese in öffentlichen Diskussionen nicht immer glücklich miteinander. Es werden oftmals die Ebenen unseriös miteinander verknüpft. 

Ziel der Überlegungen ist es grundsätzlich, zwischen folgenden Ansätzen zu trennen: 
A) Die heiligen Schriften als solche;
B) das Verhältnis von Glaube und Schrift;
C) das Wirken der Vertreter der Glaubensgemeinschaften in der Gesellschaft;
D) die Konkurrenz von Glaubensgemeinschaften und ihren Untergruppen als Ursache für Spannungen und ihre Eskalation; 
E) die Funktion von Schrift und Glaube im Kontext von Macht und Herrschaft:
F) die Rolle der Repräsentanten der Glaubensgemeinschaften im Kontext zur Ausübung von Macht und Herrschaft;
G) die Involvierung von Vertretern der Religionen bei der Ausübung von Gewalt.

Die in öffentlichen Diskussionen unterstellten kausalen Zusammenhänge oder unterschwellig lancierte ursächliche Bezüge zwischen den heiligen Schriften und aktueller Gewaltausübung muss immer wieder hinterfragt werden. Real existierende Hintergrunde und beweisbare Ursachen müssen jeweils neu untersucht, aufgedeckt und richtiggestellt werden. Ein postulierter Generalverdacht muss von den Religionen genommen werden. 

Man darf niemals etwas zerstören. Es wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das gesamte kulturelle Erbe der Menschheit muss erhalten bleiben. Legenden müssen aber »zerdacht« werden können. Das durch Fanatiker Verschüttete muss hervorgeholt werden. Lehren und Theorien müssen neu gedacht werden dürfen. Zugleich ist es notwendig, sie dabei immer wieder zu hinterfragen. 

Unabdingbar ist eine Abwehr aller Formen von Generalverdacht gegenüber einer jeglichen Religion, gegen die Ablehnung eines Buches wie den Koran. Ursachen für höchst problematisches und verwerfliches Handeln von Menschen sind auch in einer möglicherweise weltweit fortschreitenden »Berlusconisierung«, »Putinisierung«, »Orbanisierung« und »Erdoganisierung« der Medien zu suchen und zu finden. FN, PiS und AfD/Pegida sowie der Wahlkampf in den USA sind inzwischen Ausdruck und Synonym für eine mit Beklemmung empfundene Praxis. 

Die zunehmende Konzentration der meinungsbildenden Medien bis hin zu Monopolstellungen in den Händen weniger Personen oder Kapitalgesellschaften in Australien, Italien, Russland, den USA und Ungarn, um nur diese Beispiele zu nennen, ist für die geistige Freiheit in der Welt bedrohlich. »Charlie Hebdo« ist ein schreckliches Beispiel für eine physische Untat. Unbedarfte junge Muslime wurden und werden durch die genannten Methoden Opfer von Manipulation und Indoktrination. Aus Opfern wurden Täter. 

Man kann aus orthodoxer (rechtgläubiger), katholischer (allumfassender) armenischer, koptischer oder evangelikaler Anschauung "die Nase rümpfen" gegenüber kritischen Protestanten, zumal letztere in den Augen der anderen Fraktionen der Christenheit manchmal als "halbe Atheisten" apostrophiert werden. 

Abschließend sei gesagt, dass ein grundlegendes Problem bei Vertretern der Religionen ihr vielfach rückwärtsgewandtes Utopie-Denken ist. Das gilt für viele Regionen der Erde. 

In Luthers Botschaft gilt der Einzelne. Dieses für das 16. Jahrhundert Neue, basierend auf dem 15. Jahrhundert (Hus), geht später über in das, was in der Aufklärung als die die Verantwortung des Menschen bezeichnet wurde. Luthers Botschaft gilt als Novum im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit dem Einzelnen. Später ist daraus durch die Aufklärung die Verantwortung der Menschen für die Gesamtheit geworden. 

Sicherlich sind die Wurzeln dieser geistig-moralischen Entwicklung im Jüdisch-christlichen zu finden, vermutlich sind sie auch im Koran in der einen oder anderen Sure zu finden. Das wäre dann die Aufgabe moderner und weltoffener Theologen, dieses zu ergründen, um dann den Bogen bis in die heutige Zeit zu schlagen. Es wäre eine Basis für Verständigung, Versöhnung und allgemein für das friedliche Zusammenleben der Menschen aus diversen Kulturen und Gesellschaften. 

Die Vertreter der jeweiligen Theologie müssen es nicht akzeptieren, sollten aber zur Kenntnis nehmen, dass in der Wissenschaft die Theologie manchmal als »Mythenpflege-Disziplin« apostrophiert wird, wenn sie nicht gar vollständig ignoriert wird. Dies geschieht nicht im offenen Diskurs, wohl aber in Pausengesprächen der Agora. 

Dass dieses überhaupt gedacht und argumentativ verwendet wird, scheint Vertretern der islamischen Gedankenwelt noch fernab ihrer Vorstellungen. Dieses wiederum erschwert jeglichen Dialog, wie den seit einigen Jahren von Seiten der christlichen Kirchen angeregten »Interreligiösen Dialog«, der vor allem auf die großen Gruppen des Islam gerichtet ist. Für Diskussionen und gemeinsames Nachdenken steht der Verfasser jederzeit zur Verfügung. 

Im Kernbereich bedeutet es, dass Religionen integrative Bestandteile gesellschaftlicher Entwicklungen sind. Dazu gehört die Herausbildung, also die Schaffung mythischer Vorstellungen, die Produktion und Reproduktion in ihren Glaubenswelten. Es ist also generell zwingend erforderlich, im historisch-religiösen wie dem damit verbundenen historisch-politischen (dynastischen) Sinne die jeweiligen Fragen nach Macht und Herrschaft zu stellen. 

18. Credo 

Der Unterricht im Fach Religion sollte freiwillig sein und das Ziel verfolgen, zur Distanzfähigkeit zu erziehen. Er muss dazu beitragen und helfen, Scheinheiligkeiten vorzubeugen sowie immun zu machen gegenüber Scharlatanen, Demagogen, Verführern (wie z.B. Salafisten). Nur wenn es gelingt dieses zu erreichen, bleiben Bildung und Unterricht in der Schule glaubhaft. 

Zweifellos gibt es Wahrnehmungen und negative Erfahrungen wie Provokationen durch Pubertierende, die sich in der Phase der Adoleszenz befinden sowie Aggressivität gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern. 

Eine Realität ist in unserer Gesellschaft leider immer wieder zu beobachten: Die Mediokrität und Substanzlosigkeit der öffentlichen Diskurse, verbunden mit Anpassung, Verdrängung, Flucht in Phantasien und Scheinwelten.

Ein konkret anzustrebendes Ziel muss sein, langfristige Verständigungsprozesse herbeizuführen wie z.B. zwischen Palästinensern und Juden bzw. Israeli. Hierzu ein positives zukunftsweisendes Signal, das Mut macht. In Hannover wurden Auszeichnungen an zwei Brückenbauer vergeben: Michael Fürst von der Jüdischen Gemeinde und Yazid Shammout von der Palästinensischen Gemeinde sind geehrt worden. Sie haben am 16.11.2016 den Niedersächsischen Integrationspreis verliehen bekommen für ihren langjährigen Verständigungseinsatz zwischen Kulturen, Völkern und Religionen. 

Der Religionsunterricht muss eine gesellschaftspolitische Aufgabe haben. Seitens frommer Lehrer_innen zu erzählen "wie schön Religion" sei, ist dysfunktional. Leider gibt es diese Fachlehrer_innen in den Schulkollegien und anderen Bildungseinrichtungen immer noch. Es sind Damen und Herren, die sich kritischen Ansätzen verschließen und eine veränderte realpolitische Situation nicht wahrnehmen. Viele junge Menschen fühlen sich dadurch abgeschreckt. Ein vernunftorientierter Religionsunterricht muss das Ziel sein. Sinnvoll und unabdingbar wäre ein Religionskundeunterricht, der konfessionsübergreifend zu erteilen wäre. 

Betroffen sind katholische, evangelische, neuapostolische, anglikanische, sunnitische, schiitische, alevitische Gemeinschaften. Kompliziert wird zweifellos die Einbeziehung von Angehörigen der vielen Kleingruppen, den Sekten und Evangelikalen in ihren Verzweigungen. 

Das, was die evangelische und mit Verzögerung die katholische Kirche in Deutschland, jetzt auch die jüdischen Gemeinden betreffen mit Mitgliederschwund und Bedeutungsverlusten, wird sicherlich nach und nach und in der Tendenz zunehmend in den Gemeinschaften ebenfalls erfolgen, bei den muslimischen Vereinigungen sicherlich mit zeitlichen Verzögerungen wegen dem Nachzug im Zusammenhang mit der Migration. 

Diese Körperschaften des Öffentlichen Rechts haben diese Prozesse eine lange Zeit ignoriert und abgelehnt. Sie wurden eine lange Zeit negativ besetzt eingeschätzt, ignoriert oder abwertend kommentiert. Dieser Prozess korreliert mit einer Ent- Ghettoisierung, und gleichzeitiger Integration in die Gesellschaft der Etablierten. Familialer und gesellschaftlicher Gruppendruck sowie soziale Kontrolle werden abnehmen parallel zur zunehmenden sozialen Anonymität in Agglomerationen. 

Es gibt nach wie vor Menschen, die aus Vernunftgründen Werte für ein positives Wirken von Religionen für unsere Gesellschaft, in diesem unseren Lande, sehen und die für Gespräche offen sind und Verständigungsbereitschaft zeigen. Wir müssen unseren gemeinsamen europäischen und vorderasiatischen Kulturraum erhalten. Wir sollten in diesem Zusammenhang mit Freude die schönen Formulierungen Martin Luthers benutzen, der von Morgenland und Abendland sprach, Begriffe die in die deutsche Hochsprache Eingang gefunden haben. 

Jahrtausendealte lang andauernde Gewaltspiralen müssen deshalb unterbrochen werden. Eskalationen "zum Wohle" US- amerikanischer, europäischer, russischer, chinesischer und inzwischen auch nordkoreanischer Rüstungsproduktion müssen gestoppt und langfristig zurückgefahren werden. Die fortlaufende Spirale von »Gewalt und Religion«, die sich gegenwärtig entlädt, muss geschlossen werden. 

Voraussetzung ist, dass der psychosoziale Krieg, auf dem der Boden des Post-faktischen (post-truth) wächst, also der inszenierten z.T. unterschwellig lancierten Lügen, Halb- oder Unwahrheiten, den Legenden-Konstrukten oder unseriösen Unterstellungen der Boden entzogen wird. 

Die gesamte Bildungspolitik ist gefordert, die Erzeuger und die Vermittler von Bildung und Wissen. Beginnen muss man bei den Produzenten der Bildungsinhalte und ihren medialen Transponenten. 

Ziel muss sein ein Komplex von »Religion in Gesellschaft« mit abnehmender Gewalt und dieses auf allen Ebenen. In diesem Zusammenhang sind die Bildungsziele der Schule gefordert, insbesondere der Unterricht in den sog. Wertfächern: Religion, Werte und Normen (Ethik), Politische Bildung (Sozialkunde) und Deutsch. 

Zu erzählen wie barmherzig Religion sein kann bringt in der Regel wenig. Im Gegenteil, viele Menschen verschließen sich im normalen Alltag, wenn sie fromme Worte hören. Er hört einfach weg, wenn es von der Kanzel gepredigt wird oder vergisst es nach dem Verlassen des Gotteshauses, eines Gebetsraumes. 

Kaum ein Mensch kann etwas mit dem Begriff Barmherzigkeit anfangen. "Barmherzig" war ein Begriff gegenüber Despoten, "gottgewollten" Herrschern aus der finstersten jeweils von der durch Religionen gestützten Machtapparate in der Geschichte. Wer sollte denn mildtätig, gnädig sein beim Erbarmen? Der feudale Potentat, der illegitime Gewaltherrscher, der Monarch von Gottes Gnaden, der Gutsherr gegenüber dem Leibeigenen im 19. Jahrhundert, der autokratische Fabrikbesitzer oder Konzernboss des 20. oder der aggressive Jungunternehmer des 21. Jahrhunderts. Dieses geschah gegenüber Menschen, die barmten (lt. Duden: jammern, klagen). 

Die Ausrufung des »Jahres der Barmherzigkeit« in der katholischen Kirche hat kaum eine reale Bedeutung und Bindungswirksamkeit. Die seltenen Kirchgänger, Nicht-Bibel-Leser, die Nicht Koran-Leser oder besser: die Nicht-Versteher der heiligen Schriften, können mit all dem nichts anfangen.

Ein wichtiges Plädoyer betreffend den Religionsunterricht sollte nicht unerwähnt bleiben: Mit einem "guten Lehrer" kann auch über "andere Dinge" gesprochen werden als über die schönen Legenden, die nachzuvollziehenden und zu verinnerlichten Weisheiten der Schriften, also all das fromme Geschehen, das da produziert worden ist. 

Problematisch sind andererseits Religionsunterweisungen in Hinterzimmern, in Gebets- oder Gemeindehäusern. Notwendig ist ein Religionsunterricht in den Schulen, der dem öffentlichen Diskurs verantwortlich ist. Sinnvoller ist allerdings ein weit übergreifender Religionskunde-Unterricht – aber das bleibt wohl in den meisten Ländern Zukunftsmusik. 

Es soll noch einmal abschließend verdeutlicht werden: Es ist dem Verfasser wichtig und ein persönliches Anliegen die Bedeutung von Religion für viele Menschen zu achten und hervorzuheben. Dieses soll eindeutig betont werden. 

Sein Fokus liegt ausschließlich auf gesellschaftspolitischer und ökonomischer Ebene aus der Sicht der Historischen Soziologie und der Machttheorie. Methode und Ziel ist die machtspezifische Ableitung der Funktion von Religionen und ihren Trägern. 

Die zweifellos zu schätzende und zu begrüßende geistige bzw. geistliche Ebene muss getrennt werden von den Gesellschaften in ihren Figurationen. 

Kermani Ring-Parabel ## 

17. Literatur 

Ahrendt, Hannah: Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken 1 (11). Religion und Politik, S. 305 - 326. 

Antes, Peter: Das Gewaltpotenzial der Religionen; (unveröffentlichtes Manuskript):
Azmayesh, Seyed, Mustafa: Neue Forschungen zum Koran – Wie und warum es zu zwei gegensätzlichen Islam Versionen gekommen ist. 1. Auflag 2016, Selbstverlag in Hannover [Karamat e.V.]; Übersetzung aus dem Englischen.

Benzine, Rachid: Islam und Moderne. Die neuen Denker. Aus den Französischen, Berlin 2012. 

Fachtagung "Politische Gewalt" am 12. und 13. September 2016 in Hannover der Bundeszentrale für Politische Bildung. 

Haarmann, Maria (Hg.): Der Islam. Ein historisches Lesebuch. München 1995. [Beck'sche Reihe 4006]. 

Maani, Sama, 2016: Tolerieren, Respektieren, Glauben. Warum wir glauben – und es nicht wissen. Freie Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie. 

Nettelmann, Lothar / Voigt, Gerhard: Mythen. Die schwierige Suche nach der Wahrheit Gedanken und Beispiele aus der Gegenwart, Hannover 2013. 

Neumann, Peter, R.: Der Terror ist unter uns. Ullstein Berlin 2016.
Said, Behnam T.: Islamischer Staat. IS-Miliz, al Qaida und die deutschen Brigaden. Bonn 2015. 

Salzborn, Samuel, 2016: Universalismus, Partikularismus, und der Kampf der Ideen. Ein schriftliches Gespräch. Freie Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie. 

Seidensticker: Islamismus. Geschichte, Vordenker, Organisationen. Bonn 2016. 

Thümler, Björn (Hg.): Wofür braucht Niedersachsen einen Vertrag mit muslimischen Verbänden? Geest-Verlag Vechta 2016. 

Tibi, Bassam: Europa ohne Identitä? Stuttgart 2016. 

Tibi, Bassam: Migration – Humanitäre Politik ist keine Einwanderungspolitik. in: [http://cicero.de/berliner- republik/Migration-humanitaere-politik-ist-keine-einwanderungspolitik] 

Treuheit, Werner: Interkulturelles Lernen im politischen Unterricht als Akkulturationshilfe. In: Voigt 1993, S. 23 - 26. 

Voigt, Gerhard: Interkulturelles Lernen. Hannover 1993. 

Wallerstein, Immanuel: Das moderne Weltsystem. Frankfurt a.M. 1986 [aus dem Amerikanischen] 

Wallerstein, Immanuel: Die Sozialwissenschaft „kaputtdenken“. Die Grenzen der Paradigmen des 19. Jahrhunderts. Weinheim 199539 

Weber, Max: Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus [1904/05] 

Der Koran. Das heilige Buch des Islam. Nach der Übertragung von Ludwig Ullmann; neu bearbeitet von L. W. Winter. Goldmann Verlag, 9. Auflage, 1959.

Der Islam, 2015. GEO EPOCHE Nr. 73. 

"Burkini in Nizza ist der Gipfel der Unhöflichkeit" Interview mit der französischen Philosophin Elisabeth Badinter. In: Die Welt, 05.09.2016, S. 8. 

Muslimische Frauen in Deutschland. In: Stern Nr. 3 v. 18.08.2016, S. 42 - 55. 

39 Wallerstein nannte sein Buch Unthinking Social Science und bildete somit einen Neologismus. Der Herausgeber bot dem Autor dafür „zerdenken“ oder eben „kaputtdenken“ an, das den Beifall des Autors fand. [nach Wikipedia]

© Lothar Nettelmann für karamat.eu

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