Können Rationalität und Spiritualität zusammen gehen?

Karamat.eu - Bei der Veranstaltung "Mystik im Islam" am 15. Oktober in Frankfurt-Niederursel gaben Prof. Abdullah Takīm von der Goethe Universität Frankfurt und der freie Forscher Dr. Seyed M. Azmayesh Einblicke in die koranischen Lehren.

Karamat.eu - Die Zeitschriften evolve und INFO 3 hatten zusammen mit Karamat e.V. zu einem Informations- und Dialogtag zur Mystik im Islam an den Hof in Niederursel geladen. 

Beide Zeitschriften, wie auch der Verein arbeiten seit Jahren daran Brücken zwischen Kulturen zu bauen und bemühen sich um eine Vermittlung zwischen wissenschaftlicher Rationalität und gesicherten spirituellen Erkenntnissen. Die beiden Referenten gelten als erfahrene Experten in Koranwissenschaft, Mystik (tassawuf) und Islam.

Im Wesentlichen zeigten Prof. Takīm und Dr. Azmayesh auf, wie der Kern des Korans ein Methodenbuch, um das Herz öffnen zu lernen, ist. Die Anwendung dieser Methoden führt zu einer erweiterten Intuitionsfähigkeit. Im Zusammenspiel zwischen vertiefter Wahrnehmungen und der Fähigkeit der Intelligenz Erkenntnisse und Wahrnehmungen in einen sinnvollen Zusammenhang zu stellen, wird ein Individuum in die Lage versetzt ganzheitlichere Lösungsansätze für die Entwicklung gesellschaftsrelevanter Fragen beizutragen. Die im Koran als hobb bezeichnete Kraft der Liebe, wurde mit der in einem Samenkorn innewohnende Wachstumskraft beschrieben. Indem ein Individuum lernt sein Herz zu öffnen, entsteht eine Verbindung mit der immateriellen Sphäre (ghäib) des Schöpferischen. Gleichzeitig ermöglicht die entstandene Verbindung einen dauerhaft fliessenden Energiestrom (hobb), der die analytischen Tätigkeiten der Funktionen des Vorderhirns (lobb) befruchtet. So entsteht ein Zusammenklang, der den Menschen reifen lässt und soziale Werte wie Toleranz, Altruismus und Solidarität fördert.

Dr. Azmayesh unterschied zwischen Sufi-Literatur, die als Äußerung persönlicher Erfahrungen der Autoren zu betrachten seien und Literatur, die als Anleitung zur Anwendung gewisser Methoden zur Herzöffnung zu begreifen sei. Er hob hervor, dass die eigene Übungspraxis und nicht die Zugehörigkeit zu einer - wie auch immer gearteten Gruppe unter einem bestimmten Etikett - relevant sei, da durch Übung eigene Erfahrungen zu erlangen sind, die dem Übenden einen Zustand innerer Gewissheit über die immaterielle Welt ermöglichen und volle Mündigkeit und Verantwortung in der materiellen Welt vermitteln.

Weiterhin führte er zwei polare Unterweisungsmethoden ein. Azmayesh sprach von der koranischen Unterweisungsmethode, die sich auch bei dem großen Mystiker Dschelalledin Rumi findet. Im großen und ganzen besteht die Methode darin, mehrere Geschichten ineinander zu verweben und durch Beispiele die Leser oder Zuhörer zum Nachdenken anzuregen. Azmayesh nannte diese koranische Strukturmethode auch Rabelaisianische nach dem französischen Humanisten, Arzt und Schriftsteller François Rabelais aus dem 16. Jahrhundert. In Gegensatz dazu setzte er die rational-logische Unterweisungsmethode, die mit klaren Unterteilungen und Ordnungen arbeitet. Er nannte sie Cartesianische Methode, benannt nach Rene Descartes, dem französischen Philosoph aus dem 17. Jahrhundert. Die erste Methode greift Ereignisse und Umgebungsmerkmale aus dem unmittelbaren Erfahrungsumfeld der Menschen auf, so wie Mohammed seine Unterweisungen den überwiegend ungebildeten Nomaden in der Wüste mit Aspekten aus ihrem täglichen Erfahrungsumfeld angeboten hat.

Laut Prof. Takīm und Dr. Azmayesh ergänzen sich logische Rationalität und ernsthafte Spiritualität und müssen nicht künstlich voneinander geschieden werden zu Gunsten nur einer Realität.

Im Anschluss an eine Dialogrunde mit den Zuhörerinnen und Zuhörern, präsentierte das Heart Ensemble aus London schwingungsreiche Sufi Musik mit persischen Texten der großen Lehrer der Mystik, wie Rumi, Saadi und anderen. In Kürze wird es diese musikalischen Eindrücke auch auf dieser Webseite zu hören geben.


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