Der französisch-iranische Religionswissenschaftler Dr. Seyed M. Azmayesh betrachtet ein substanzielles und gründliches Studium des Korans als Gegengift gegen islamistische Radikalität. In seinem Buch "Neue Forschungen zum Koran - Wie und warum es zu zwei gegensätzlichen Islam Versionen gekommen ist" bietet er Erkenntnisse zu Koran und Islam an, die auf der Grundlage neuer Funde und wissenschaftlicher Untersuchungen einige Dogmen in Bezug auf die Entstehung des Korans und das Leben des Propheten Mohammeds in Frage stellen.
Was viele Menschen im Westen immer wieder irritiert oder empört, sind Gewalt propagierende Auslassungen mancher muslimischer Geistlichen oder fundamentalistischer Buchstabenprediger, die in scharfem Kontrast stehen zu den Geboten der Gleichheit, der Barmherzigkeit und Glaubensfreiheit der Koranprinzipien. So zeigt Azmayesh in seinen Forschungen nachvollziehbar auf, wie schon zu Lebzeiten Mohammeds mächtige Gegner seiner Lehren, sich zwar formell mit einer kurzen Formel zum Islam bekannten, jedoch von Innen opponierten und nach seinem Tod die Macht an sich rissen, um ihre tradierten Vorstellungen von Gesellschaft fortzuführen.
Es sind also zwei Islam Versionen noch zu Lebzeiten Mohammeds entstanden. Eine Version ist mit westlichen und humanistischen Werten wie Gleichheit, Glaubensfreiheit und Bildung voll vereinbar. Diese Version wird koranischer Islam (Islam-ol Madani)genannt, während die zweite Islam Version eine Fortsetzung von Bräuchen kriegerischer Stämme unter dem Namen Islam (Islam-ol Badawi) ist. Diese zweite Version gründet auf Überlegenheitsansprüchen gegenüber anderen Glaubensrichtungen, Männer Vorrang gewährend vor Frauen und Zwang und Erpressung als Mittel andere Menschen gefügig zu machen.
Die Vertreter dieser zweiten Version haben sich mit den Jahren eine eigene Legitimation verschafft, indem den Machthabern wohl gesonnene Theologen überlieferte Aussagen dem Religionsgründer Mohammed in den Mund legte und Mohammed zu einem großen Helden und Wundertäter stilisierte. Die Protagonisten dieser zweiten Version, wie die Oberhäupter der Omajaden-Dynastie, der Abbasiden-Dynastie und spätere Herrschern haben ihren Schwerpunkt auf die Entfaltung eines Islams mit aggressiven Zügen gelegt (Islam-ol Badawi). Laut den Erkenntnissen von Dr. Azmayesh enthält jedoch der koranische Islam (Islam-ol Madani) den Keim für eine Gesellschaft, die auf humanistischen Prinzipien der Gleichberechtigung, der individuellen Menschenrechte und des menschlichen Miteinananders aufgebaut ist. Diese Prinzipien können im Koran selbst nachvollzogen werden.
In der Veranstaltung am 1. Juni 2016 an der ESG in Gießen werden diese Thesen vertieft und zur Debatte gestellt.
Helmut N. Gabel
Es laden ein die Evangelische Studentengemeinde Gießen, die Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung e.V. und Karamat e.V.
Islam in Zukunft - mit oder ohne westliche Werte?
Forschungen, Thesen, Dialog mit den Gästen
Dr. Seyed M. Azmayesh, Forscher, Religionswissenschaftler, Autor, Sufi-Meister, Paris
Einleitung: Prof. Dr. Wolfgang Achtner, Universität Gießen
Moderation und Einführung ins Thema: Helmut N. Gabel, Karamat e.V., Hannover
Mittwoch, 1. Juni 2016, 19:00 Uhr
ESG, Henselstr. 7, Gießen www.esg-giessen.de