Die unterschiedlichen Gesichter islamistischer Radikalisierung

Karamat.eu - Unser Mitglied Christina Kunze ist Sozialarbeiterin. Sie hat sich im Europäischen Parlament umgehört, welche Gedanken zu radikalen Theorien und Handlungen im Namen von Islam ausgetauscht werden. Dazu konnte sie in einer Diskussionsrunde über moderne Frauenrechte und Prinzipien im Koran Teil nehmen. Im Folgenden fasst sie ihre Eindrücke zusammen.

Podium "Gegenmassnahmen zur islamistischen Radikalisierung"

Karamat.eu - Mitglieder des Vereins Karamat e.V. waren am 02. und 03. Mai gleich zu zwei Veranstaltungen in Europäischen Parlament geladen. Diese Veranstaltungen in Brüssel wurden von IOPHR (International Organisation to preserve Human Rights) - Internationale Organisation zum Schutz der Menschenrechte - in Zusammenarbeit mit spanischen und britischen MEP's (Mitglieder des Europäischen Parlaments) organisiert.

Unter dem Titel "Gegenmaßnahmen zur islamistischen Radikalisierung", fand zunächst ein eintägiger Austausch von Experten aus Politik, Sicherheitsbehörden, Wissenschaft und Akteuren aus Projekten der Zivilgesellschaft statt.

Der Thematik der Frauenrechte im Islam widmete sich eine weitere Veranstaltung am darauffolgenden Tag unter der Frage: "Sind Frauenrechte im Islam mit einer modernen Gesellschaft vereinbar?"

Die Entwicklung von Gegenmitteln zur islamistischen Radikalisierung eröffnete der erste Teil mit der Erstellung einer gegenwärtigen Diagnose. Ziel war es, sich einen Überblick zu verschaffen und eine erste Gegenstrategie vorzustellen. Auf dem Podium kamen Gilles de Kerchove, EU-Anti-Terrorismus Koordinator, Cedric Smeets, Vorsitzender der lokalen Einsatzgruppe gegen Radikalisierung in Belgien, Jacapo Bellasio von IMPACT Europe und Khaled Azmy, Leiter des Büros für Terrorismusabwehr Ägyptens darüber überein, dass es wichtig sei, ein tiefgreifendes Verständnis von den Wurzeln des Problems zu erarbeiten. Sie sahen Handlungsbedarf darin, eine Gegenstrategie zur Verbreitung extremistischer Propaganda im Internet zu entwickeln und deren europaweite Koordination zu optimieren. Übereinstimmend wurde betont, dass nicht Verschärfungen in der Sicherheitspolitik die Bedrohung verringern könne. Vielmehr müsse es, der Wahrung demokratischer Rechte wegen, in der gesellschaftlichen Diskussion um die Freiheit von Gedanken und Meinungen, im Gegensatz zur Freiheit von Taten gerungen werden.

Ein zweiter Teil der Konferenz widmete sich den Symptomen von Radikalisierung mit der Fragestellung, welche Aspekte Menschen für eine Radikalisierung öffnen und wann eine Haltung des Glaubens in einen Akt von Gewalt umschlägt.

Auf dem Podium versuchten sich Dr. Stephanie Dornschneider der Universität von Dublin, Gerry Campbell, ehemaliger Scotland Yard Deputy Chief aus London und Dr. Seyed Mostafa Azmayesh, Religionswissenschaftler, Forscher, Menschenrechtler und IOPHR Gründer an einer Klärung.

Als Angelpunkt wurde der Kontakt und die enge Zusammenarbeit mit der muslimischen Gemeinschaft gesehen. Wichtig dabei sei es Menschen, die sich gegen Radikalisierung stellen, nicht dadurch mundtot zu machen, indem sie als rassistisch oder islamophob gebrandmarkt würden.

Die Relevanz der Freitagspredigten wurde im weiteren Verlauf herausgearbeitet. Hier wurde auf die Gefahr hingewiesen die Predigten zu politischen Propagandazwecken zu missbrauchen. Predigt der Imam nicht in einer integrativen und aufgeschlossenen Haltung, könnte seine Predigt zu Separation und zunehmender Radikalisierung führen. Die dem Glauben geschuldete besondere Beziehung der Gläubigen zum predigenden Imam erschwert eine reflektive Überprüfung des Gesagten.

Der dritte und letzte Teil widmete sich den möglichen Heilmitteln gegen Radikalisierung. Auf dem Podium saßen: Roberta Bonazzi für die Europäische Stiftung für Demokratie, Khaled Azmy, Leiter des Büros für Terrorismusabwehr Ägyptens und Dr. Seyed Mostafa Azmayesh für IOPHR. Betont wurde die Unerlässlichkeit einer genauen Definition von Radikalisierung und der Benennung mit welchen Teilen der muslimischen Gemeinschaft in der Frage zusammengearbeitet werden könnte.

Radikaler Islam wurde beschrieben als Ideologie, die vor allem antiwestlich, antidemokratisch und totalitär gekennzeichnet ist. Eine Rechtfertigung dieser totalitären Ideologie über den Islam versucht insbesondere die muslimische Gemeinschaft in eine 'islamische' und eine 'der Ignoranz und Ungläubigkeit verfallene' zu spalten. Zu beobachten sind dabei die Mechanismen der Radikalisierung, die Werkzeuge des Totalitären. Benannt wurde die Gefahr der Verbreitung einer radikalen, antiwestlichen, separatistischen Ideologie über unkontrollierte Freitagspredigten, die von Ländern finanziert und gesteuert werden, deren Politik antiwestlich und totalitär ausgerichtet ist.

Festgehalten wurde, dass es sich dabei um eine weltweit agierende radikale Ideologie mit verschiedenen Schattierungen und Erscheinungsformen, die alle unter dem Deckmantel des Islams agieren, handelt.


Podium "Sind Frauenrechte mit den Prinzipien des Korans vereinbar?"

Das Podium der zweiten Veranstaltung zu der Vereinbarkeit von Frauenrechten im Islam mit der modernen Gesellschaft zeigte ebenfalls ein breitgefächertes Podium. Für das Europaparlament luden MEP Esteban González Pons, MEP Julie Wards und MEP Beatriz Becerra Basterrechea folgende Vortragende: Mattie Heaven, Frauenrechtlerin und Mitglied von IOPHR, Gerry Campell als ehemaliger Experte von Scotland Yard im Bereich Verbrechen aus Hass und Mitinitiator des Big Brother Movements in Großbritannien sowie Dr. Azmayesh, Rechtsgelehrter, Koran-Experte und Menschenrechtsaktivist.

Mattie Heaven schilderte eindrücklich ihre persönliche Identitätsfindung als moderne Muslima durch eine frühe Auseinandersetzung über die sozialen Rechte der Frau im Islam, die in eigener Erforschung und Auseinandersetzung mit dem Koran mündete. Ihr Studium des Korans unter wissenschaftlich vertiefenden Gesichtspunkten zeigte ihr, dass dieser oft missverstanden und falsch interpretiert wird. So findet z.B. eine erwünschte Kopfbedeckung für die Frauen im Koran gar keine Erwähnung.

Die zentrale Frage der Kompatibilität des Islams mit der modernen Gesellschaft bejahte sie, da sie im Islam und Koran die Gleichberechtigung der Geschlechter verankert sieht und dieser aufgrund seines spezifischen Aufbaus dynamisch und anpassungsfähig sei. 

Gerry Campell betonte den Aspekt, das es sich bei kriminellen Taten, die im Namen des Islams verübt würden, erwiesenermaßen um Taten handelt, die aufgrund patriarchaler Denk- und Handlungsmuster begangen werden. Beweggrund ist ein subjektiv empfundener Machtverlust, der durch die Unterdrückung von und Machtausübung über Frauen versucht wird zu kompensieren.

Dr. Azmayesh erläuterte den schon in den Zeiten der Entstehung des Korans bestehenden Konflikt zwischen den patriarchalen Stämmen Arabiens, den Beduinen und der Gemeinschaft der Gläubigen, die die Gesellschaft im Sinne der Menschenrechte und mittels sozialer Verträge modernisieren wollte. Dieser Konflikt zieht sich bis heute durch die Geschichte, und sein zentraler Inhalt ist das Verständnis und die Interpretation des Korans mit allen Folgen für ein gesellschaftliches Zusammenleben.

Christina Kunze aus Brüssel

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