Bericht: "Christen und Muslime im Dialog" an der Academie Kloster Eberbach

Karamat.eu - Können Christen und Muslime miteinander sprechen in Zeiten des Terrors im Namen Gottes, in Zeiten der Angst vor religiösen Fundamentalisten, in Zeiten der Abwendung vieler Menschen von Religion?

Karamat.eu - In Vorbereitung auf eine gemeinsame Veranstaltung in Gießen im Juni 2016 folgten Karamat Mitglieder am Samstag, 2. April 2016 einer Einladung ins Kloster Eberbach bei Wiesbaden zu einer Dialogveranstaltung.

Aus einem Bericht des Rheingauer Echos (http://www.kloster-academie.de/PDF_Archiv/RE14kl16.pdf)

>> Impulsvorträge und Podiumsgespräche standen im Mittelpunkt der Veranstaltung „Christen und Muslime im Dialog“ der Academie Kloster Eberbach in Kooperation mit der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung im Mönchsrefektorium. 

Begonnen hatte die Tagesveranstaltung mit einer Lesung aus der Genesis, dem ersten Buch Mose, durch Eva-Maria Quermann, Schriftführerin der Academie. Dr. Zekirija Sejdini, Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Innsbruck, hatte die gleichen Verse gesanglich auf Arabisch vorgetragen.

Erster Vorsitzender Marcus Lübbering, der die Veranstaltung – gerade mit Blick auf die in Deutschland angekommenen Flüchtlinge muslimischen Glaubens – als „ein Experiment“ bezeichnete, zeigte sich am Ende des Tages hoch zufrieden: „Wir haben uns intensiv ausgetauscht und gegenseitig viele Fragen gestellt, einander gut zugehört und viel voneinander gelernt. Wir sollten solche Veranstaltungen öfter durchführen und an vielen Orten anbieten.“

„Ich begrüße im Namen der Hessischen Landesregierung ausdrücklich diesen Dialog der Academie Kloster Eberbach, erinnerte Thomas Metz, Staatssekretär im Hessischen Ministerium der Justiz, daran, dass damit eine im vergangenen Jahr in der Staatskanzlei angestoßene Initiative fortgeführt wird.

Da beide Religionen einen Anspruch auf Gültigkeit und eine Werteordnung haben, „die viel für ein friedliches Zusammenleben beitragen können“, so Metz, „ist dieser Dialog wichtiger denn je“. Dieser dürfe jedoch keinesfalls auf die aktuellen Ereignisse reduziert werden. Bestes Beispiel der Verantwortung beider Religionen für unsere Wertordnung sei, dass Muslime und Christen sich gemeinsam gegen Extremismus aussprechen.

Um gegenseitig Verständnis aufzubringen bezeichnete es Metz als wichtig, nicht nur die eigenen religiö- sen Einstellungen klar zu definieren und die jeweilige Position zu beschreiben sondern auch Differenzen klar und deutlich zu benennen. Nur wenn der Dialog auf der Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland geführt werde, könne dieser Erfolg haben. Keinen Platz habe zum Beispiel das Thema „Paralleljustiz“. Basis des Dialogs müssten vor allem die Achtung der Menschenrechte und die Gleichstellung der Frau sein.

Er hoffe, so Metz abschließend, „dass von dieser Veranstaltung starke Impulse ausgehen und vertiefende Fragen gestellt werden. Vor allem aber müsse der Dialog in die Gesellschaft gebracht und dort fortgeführt werden, „denn nur so können Irritationen und Auswüchse vermieden werden“.

In seinem Vortrag zum Thema „Allah ist Rahim und Rahman – Allah’s Barmherzigkeit umfasst alles“ (aus dem Koran) wies Professor Dr. Sejdini darauf hin, dass Europa seit den 1960er Jahren eine steigende Vielfalt von Kulturen und Religionen erlebt. Diese stelle neben einer enormen Bereicherung auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar.

Um deren Chancen nutzen zu können sei es notwendig, sich mit den zum Teil gegensätzlichen Wertvorstellungen und Gebräuchen der beiden Glau- bensgemeinschaften auseinander zu setzen und sie in die Gesellschaft zu „integrieren“. Dies sei jedoch insofern kein leichtes Unterfangen, „da es, ne- ben einer prinzipiellen Anerkennung und Förderung der Vielfalt, an gemein- samen und verbindlichen Grundwerten für alle bedarf, um eine demokratische und plurale Gesellschaft aufrecht zu erhalten“.

Besonders in Zeiten, in denen Menschenleben im Namen Gottes ausgelöscht werden, so der Referent, „sind auch die Religionen herausgefordert, zu einer Kultur des friedlichen Zusammenlebens beizutragen“. Dabei sei der interreligiöse Dialog als respektvoller und anerkennender Umgang mit Menschen anderen Glaubens das Fundament einer multikulturellen, multireligiösen und demokratischen Gesellschaft. Fehle dieser, könne keine Kultur des Zusammenlebens gedeihen.

Nachdrücklich betonte Dr. Sejdini, dass es angesichts der ambivalenten Aussagen des Korans über den Umgang mit anderen Menschen einer ernsthaften innerislamischen Auseinandersetzung mit den eigenen Quellen bedürfe, um theologische Grundlagen zu entwickeln, aufgrund derer den Gegebenheiten religiöser Pluralität entsprochen werden kann. Die Aussagen der islamischen Quellen bezüglich des Umgangs mit Andersgläubigen bräuchten nicht als statische, unveränderbare und für alle Ewigkeit festgelegte Vorschriften verstanden werden. Durch eine kontextbezogene Lesart dieser Quellen könne es Muslimen gelingen, in einen ehrlichen und für die Gesellschaft notwendigen interreligiösen Dialog einzutreten, um ihren Beitrag zum friedlichen Zusammenleben zu leisten.

In seinem Referat mit dem Titel „Gott ist die Liebe“ (aus dem ersten Johannes-Brief) „Andeutungen über den lieben Gott“, erinnerte Klaus Hamburger, Klinik- und Justizseelsorger in Koblenz und Vorstandsmitglied in der Academie Kloster Eberbach, aus- gehend von den biblischen Quellen zunächst daran, „dass Gott die Menschen aus Liebe geschaffen hat“. Deshalb sei, so Hamburger, der Satz „Gott ist die Liebe“ eindeutig und für Christen die zentrale Aussage. Die Frage, wie dieser Satz auf Muslime wirke, könne er nicht beantworten. Gott setze um, was er ist, und zwar in unserer Geschichte. Er habe geliebt, „indem er sich auf uns eingelassen ha- be, als er uns erschuf, und als es ihn dann nicht mehr im Paradies hielt, nachdem wir für es untauglich geworden waren.“

Jesus sei den Weg der Liebe Gottes gegangen. Auch dann noch, als er am Kreuz Hohn und Spott über sich ergehen lassen musste und dennoch keinen Hass zum Ausdruck brachte, sondern Gott bat, seinen Peinigern zu vergeben, „denn sie wissen nicht was sie tun“.

„Es gibt keinen krasseren Widerspruch als zu behaupten, man habe Gott erkannt, und gleichzeitig andere Menschen zu hassen und dem Tod zu weihen“, so Hamburger.

„Zukunft gemeinsam gestalten, auch wenn wir es nicht immer leicht mit- einander haben“, lautete der Titel des moderierten Gesprächs zwischen Professor Dr. Wolfgang Achtner, Insti- tut für Evangelische Theologie an der Justus Liebig Universität Gießen, und Dr. Yasar Bilgin, Vorsitzender der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstif- tung, ebenfalls in Gießen, in dem bei- de zunächst von eigenen Lebenserfahrungen mit Menschen anderer Religionen berichteten.
Dabei wies Dr. Bilgin darauf hin, dass in der türkischen Stadt Mersin, in der Kirchen neben Moscheen stehen, die Toten unterschiedlicher Religionen nebeneinander auf dem Friedhof begraben werden. Dr. Achtner berichtete von einer Reise durch die Türkei, in dessen Verlauf er als Abiturient den Islam vor allem durch die großzügige Architektur der dortigen Gebetshäuser entdeckt habe.
Als im Verlaufe des Nachmittags Dr. Sejdini zu dem Gespräch hinzukam, stellten die Zuhörer im Saal den drei Podiumsteilnehmern eine Fülle unterschiedlicher Fragen. Diese reichten von der Grundsatzfrage der Toleranz bis hin zu den Kölner Ereignissen in der Neujahrsnacht.

Bei deren Beantwortung zeichneten sich die Redebeiträge durch ein hohes Niveau und große Ernsthaftigkeit, einander zuzuhören und voneinander zu lernen, aus. Auffallend war auch, dass die Fragen mit viel Sachkunde und Respekt vor der Andersartigkeit der anderen Religion und im Bewusst- sein eines entschiedenen Miteinanders beantwortet wurden.

Die Tagesveranstaltung endete mit gemeinsamen Gebeten sowohl auf Deutsch als auch auf Arabisch und dem allgemeinen Wunsch der Teilnehmer, dass solche Gespräche, bei denen sich Angehörige unterschiedlicher Religionen konstruktiv und zukunftsorientiert begegnen, künftig einem größeren Kreis zugänglich gemacht werden sollten. Die Teilnehmer waren sich auch einig darüber, dass es mit schwarz-weiß-Talkrunden im Fernsehen längst nicht mehr getan ist. Dazu sei das Thema in der heutigen Lage zu brisant. <<

Eine nächste Veranstaltung in Kooperation mit der Deutsch-Türkischen Gesundheitsstiftung und der ESG Gießen wird am 1. Juni 2016 stattfinden. Mehr Details in Kürze dazu auf www.karamat.eu.

Helmut N. Gabel

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